Wolf Richter, Testosteronepit.com, 08.03.2013

Im Dezember 2006 schuf die Europäische Zentralbank das HFSC-Netzwerk, das sich aus Umfragespezialisten, Statistikern und Ökonomen aus ihren eigenen Reihen, der nationalen Zentralbanken der Eurozone und Statistikbehörden zusammensetzt. Die Abkürzung steht für „Umfrage zu Finanzen und Konsum der Haushalte“.

Bei der Umfrage würde man bezüglich der Vermögenssituation der Haushalte „strukturelle Informationen auf Mikroniveau“ erheben. Ein riesiges bürokratisches Unterfangen. Die Umfragen begannen in 2010. Jetzt liegen die Ergebnisse vor.

Nie zuvor wurde in Europa eine derart umfassende Erhebung durchgeführt. Und vielleicht wird das auch niemals wieder der Fall sein. Denn in Zeiten der Rettungspakete und Vermögenstransfers sind die Resultate so brisant, dass die Bundesbank den Bericht unter Verschluss hält – und jetzt ist auch durchgesickert warum.

Die Umfragen wurden in den Euroländern auf nationaler Ebene durchgeführt. Jede Zentralbank veröffentlicht ihren eigenen Bericht. Diese würden dann durch die EZB zusammengeführt und zusammengefasst, um so ein einheitliches Bild zu erhalten, wie vermögend – oder arm – die Menschen in den einzelnen Teilen der Eurozone sind. Eine Reihe von Ländern hat ihre Berichte bereits veröffentlicht. Hierzu gehören auch Österreich und Italien.

Was die Österreichische Nationalbank herausfand, war nicht besonders schön. Das beträchtliche österreichische Vermögen ist sehr ungleich verteilt. Die reichsten 5% besitzen fast die Hälfte des gesamten österreichischen Vermögens. Ihr mittleres Vermögen lag bei EUR 1,7 Millionen in Form verschiedener Vermögenswerte. Die untersten 50% besitzen nur 4% des landesweiten Vermögens. 83% von ihnen leben in Mietwohnungen. Ihr mittleres Vermögen lag bei mageren EUR 11.000 und bestand in der Regel aus einem Auto und einem Sparbuch. Das ist die Hälfte aller Österreicher! Und 10% von ihnen verfügen über ein Nettovermögen von weniger als EUR 1.000.

Diese ungleiche Vermögensverteilung hat für eine riesige Kluft zwischen dem mittleren Vermögen von EUR 76.000 (die eine Hälfte der Menschen hat mehr, die andere Hälfte weniger) und dem Durchschnittsvermögen von EUR 265.000 gesorgt (letztere Zahl wurde durch eine kleine Gruppe extrem vermögender Haushalte in die Höhe getrieben). Und das ist auch der Grund, warum einige Länder das Durchschnittsvermögen gar nicht erst veröffentlichen. Zu viel Wahrheit würde wehtun.

Deutschlands Daten dürften den österreichischen ähneln – aber die Bundesbank behandelt den Bericht wie ein Geheimnis. Denn die Ergebnisse sind aus zweierlei Gründen ziemlich heikel. Ein Grund ist die extrem ungleiche Vermögensverteilung. Die deutsche Armut war bereits in 2012 in den Fokus gerückt – und jetzt erneut –, weil der Armutsbericht einige unangenehme Tatsachen zutage förderte, die dann einfach wegzensiert wurden – was wiederum umgehend an die Öffentlichkeit durchsickerte und für jede Menge Unruhe sorgte.

Das zweite Problem ist Italien; das Thema Italien dürfte für die Bundesbank zu heiß sein. Im Vermögensbericht der italienischen Notenbank kommt man zu dem Schluss, dass das mittlere Nettohaushaltsvermögen seit 1991 um 56% gestiegen ist. Und von 2008 bis 2010 ist das Nettohaushaltsvermögen jährlich um 5% gewachsen – trotz Krise!

Das Vermögen der deutschen Haushalte stagnierte hingegen während des überwiegenden Teils dieses Zeitraums … und während die Deutschen vom Staat wie Zitronen ausgepresst wurden. Und jetzt könnten sie auch noch herausfinden, dass das mittlere Vermögen der italienischen Haushalte bei EUR 163.875 liegt – während das mittlere Vermögen deutscher Haushalte eher im Bereich der österreichischen Haushalte bei rund EUR 76.000 liegt. Das ist weniger als die Hälfte!

„Politisch zu brisant“, so Quellen aus der Bundesbank gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Die Berichte der Zentralbanken zeigen, dass das mittlere Haushaltsvermögen in einigen Ländern wie Italien, wo sich die Staatsfinanzen in der Krise befinden, größer ist als in einigen finanziell gesunden Ländern, wo die Regierungen die Defizite und die Schulden unten halten konnten.

Die deutsche Bundesregierung wies für 2012 lediglich ein winziges Haushaltsdefizit aus. Doch höhere Steuern und eine größere Bereitschaft der Deutschen, sie zu zahlen – obwohl Steuertricksereien auch dort zum Volkssport zählen –, sorgten dafür, dass den Menschen im Laufe der Jahre jede Menge Vermögen abgenommen und zum Staat transferiert wurde.

In Italien sind die Menschen hingegen geschickter dabei gewesen, an ihren Vermögen festzuhalten. Das reicht bis zum Niedergang der Staatsfinanzen. Andere Untersuchungen wiesen schon auf ähnliche Trends hin – aber noch nie in solch einem Ausmaß und solch einem Detail und in der „harmonisierten“ und leicht miteinander vergleichbaren Form, wie es bei den jüngsten Daten der Fall ist.

In Deutschland könnte das für einen Aufschrei sorgen. Nein, das hat nichts mit Neid zu tun. Die entkräfteten deutschen Steuerzahler wurden gelinkt und betrogen, damit sie einen Berg italienischer Staatsschulden retten – Schulden, für deren Rettung die Italiener selbst nicht aufkommen wollten. Das wird nicht gut ankommen. Überhaupt nicht gut. Für Merkel, die in den kommenden Monaten mit einer Wahl konfrontiert sein wird und jedwede Art von Tumult abwenden muss, könnte es zum politischen Albtraum werden.

Sollte der Bericht jemals unverändert das Licht der Öffentlichkeit erblicken – was keineswegs sicher ist, wenn man sich das Debakel rund um den Armutsbericht anschaut –, werden die Statistiker der Bundesbank versuchen, die Unterschiede zwischen Ländern wie Italien und Deutschland wegzuargumentieren und schönzureden. Sie werden behaupten, dass das Vermögen der Haushalte gerade in Ländern mit hoher Eigentümerquote besonders hoch ist. In Ländern, wo Mietwohnungen beliebt sind wie in Deutschland, gehört ein bedeutender Teil der Wohnimmobilien dem Staat und wird zu vergünstigten Bedingungen vermietet. Daher handelt es sich beim deutschen Vermögen um öffentliches Vermögen usw. usf.

Denn die Rettungs-Saga muss weitergehen. Die dreckige Wahrheit, dass die Deutschen es sich überhaupt nicht leisten können, ihre reicheren Nachbarn zu retten, darf der großen und glorreichen Euro-Saga keinesfalls in die Quere kommen.

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