Nicht nur Irland und Frankreich machen ihre eigenen Regeln – »Kaputtsparen« tun sich nur die wenigsten

Norman Hanert, Preußische Allgemeine, 22.03.2013

Nach langen Verhandlungen hat EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen mit Dublin vereinbart, wie mit alten Schulden für die Rettung der irischen Banken verfahren wird. Dass EZB-Chef Mario Draghi die ausgehandelte Lösung lediglich „zur Kenntnis genommen“ hat und Dublin nur wortkarg von einem „Deal“ spricht, hat gute Gründe.

Es ist ein Verhandlungserfolg, den weder Irland noch die EZB an die große Glocke hängen wollen. Alte Notkredite der irischen Zentralbank an die Regierung in Dublin werden in neue Staatsanleihen umgewandelt, so die Lösung, die EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen vereinbart hat. Schaut man genauer hin, wird klar, warum Irlands Regierung so zäh auf genau diese Lösung hingearbeitet hat. Dublin spart mit der Umwandlung von Schuldscheinen für Notkredite in Staatsanleihen langfristig 20 Milliarden Euro an Zinsen, die eigentlich an die irische Zentralbank gezahlt werden müssten. De facto handelt es sich also erneut um eine verbotene direkte Staatsfinanzierung. Die hat allerdings aus Sicht der Bundesregierung einen besonderen Charme. Mit der Trickserei seines einstigen Staatssekretärs Asmussen (SPD) erspart sich Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) eine sonst notwendige Aufstockung des Rettungspakets für Irland und damit eine neue Abstimmung im Bundestag. Obendrein kann der Mythos vom Erfolgsmodell Irland aufrecht-erhalten werden, das sich langsam aus der Krise herausarbeitet.

Dass erneut ein ordnungspolitischer Sündenfall begangen wurde und eine direkte Staatsfinanzierung zugunsten Irlands erfolgt ist, dürfte ein Großteil der deutschen Bevölkerung obendrein kaum mitbekommen. Anders sieht dies vermutlich bei der Entwicklung aus, die sich in Frankreich anbahnt. Präsident François Hollande nimmt immer offensichtlicher davon Abstand, den Staatshaushalt zu sanieren. Das Erreichen der Drei-Prozent-Defizit-Marke ist inzwischen auf das Jahr 2014, das Auskommen ohne neue Schulden auf 2017 verschoben. Selbst das wird aber zunehmend unrealistisch. Begleitet von Hollandes Forderung nach „wachstumsfördernden Sparen“ beim jüngsten EU-Gipfel, stehen in Paris die Zeichen auf massive Mehrausgaben. Frankreichs Präsident hat einen Mega-Plan für ein staatlich gestütztes Wohnungsbauprogramm angekündigt. Entstehen sollen 500000 neue Wohnungen – pro Jahr. Nicht lange suchen muss man, um den Beweggrund Hollandes zu finden. Der französische Immobilienentwickler Nexity erwartet für das Jahr 2013 maximal 300000 Baubeginne in Frankreich. Dies würde den niedrigsten Wert seit 50 Jahren bedeuten. Bewahrheitet sich die Prognose, dann bahnt sich für Frankreichs Bauindustrie eine Katastrophe an.

Ebenso absehbar wie das weitere Ansteigen der Staatsschulden durch Hollandes Bauprogamm ist bereits die Begründung für Frankreichs Abkehr vom Vorhaben einer Haushaltssanierung. Nicht nur aus Paris tönt es immer lauter, dass sich Europa mit dem deutschen Beharren auf Haushaltsdisziplin immer tiefer in die Krise spare. Wie das „Sparen“ tatsächlich aussieht, hat der US-Ökonom Michael Tanner jüngst in der österreichischen Zeitung „Die Presse“ deutlich gemacht. Die Staatsausgaben vieler europäischer Länder sind wenig oder gar nicht zurückgefahren worden, stattdessen sind die Steuern erhöht worden. Tatsächlich ist Eurostat zufolge die Staatsverschuldung in Zypern, Spanien, Portugal, Italien und Frankreich im letzten Jahr weiter angestiegen. Das Ergebnis dieser Strategie: Verbraucher und Unternehmen werden durch die Steuererhöhungen immer mehr belastet, die Wirtschaft bricht ein.

Ebenso wie der Mythos vom „Kaputtsparen“ kann inzwischen eine andere oft wiederholte Behauptung als obsolet gelten: Der Vorwurf, Deutschland wäre Krisengewinnler und würde von den Euro-Rettungspaketen sogar noch finanziell profitieren. Das genaue Gegenteil bekommt inzwischen Finanzminister Schäuble zu spüren. Hatte er für den Bundeshaushalt noch 1,5 Milliarden Euro einkalkuliert, die ihm die Bundesbank als Gewinn überweist, so wird er nur 664 Millionen Euro erhalten. Der Grund: Die Bundesbank trifft Vorsorge für riskante Geschäfte, die sie im Auftrag der Europäischen Zentralbank eingehen musste. Mit zusätzlichen 6,7 Milliarden Euro wird die Bundesbank in diesem Jahr ihre Risiko-Rücklagen auf den Rekordwert von insgesamt 14,4 Milliarden Euro erhöhen. „Die Rückstellungen sind der erste Preis für den Rettungswahnsinn“, so der FDP-Finanzexperte Frank Schäffler gegenüber „Handelsblatt“.

Bereits im Februar hat Griechenlands Finanzminister Yannis Stournaras die internationalen Geldgeber des Landes regelrecht brüskiert: „Wir werden einen (neuen) Schuldenschnitt für Griechenland haben. Das ist beschlossene Sache“, so Stournaras Antwort auf eine parlamentarische Anfrage. Sollte Athen nach dem Schuldenschnitt von vorigem März tatsächlich nochmals versuchen, einen weiteren Teil seiner Schulden abzuschütteln, dann wären diesmal nicht Griechenlands private Gläubiger, sondern die verbliebenen öffentlichen Kreditgeber betroffen. Konkret: die EU, die EZB und der Internationale Währungsfonds – Deutschlands Steuerzahler würden in jedem Fall wieder mit von der Partie sein.

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