Anschnallen und gut festhalten: Das letzte echte kommunistische Land der Welt steht jetzt kurz vor dem Zusammenbruch

Charles Gave, GKResearch, 09.04.2013

Frankreich ist politisch, wirtschaftlich und moralisch paralysiert. Die Zustimmungsrate des Präsidenten notiert auf einem Rekordtief, die Arbeitslosenrate klettert auf neue Hochs und der Steuer-Zar der angeblich linksgerichteten Regierung hat sein Amt niedergelegt, nachdem er wiederholt bezüglich der Berge an Geld gelogen hat, die er auf einem Schweizer Bankkonto deponierte.

Angesichts dieser schlimmen Lage möchte man eigentlich meinen, dass die Dinge nur noch besser werden können. Bedauerlicherweise funktionieren Wirtschaftszyklen aber anders, und ich bin der Auffassung, dass Frankreich jetzt kurz davor steht, in eine Phase einzutreten, die während der Ära des Goldstandards als „sekundäre Depression“ bezeichnet wurde.

Das steife Korsett des Eurosystems bedeutet, dass die gesamte Eurozone gegenüber der Art von brutalen Anpassungen anfällig ist, die wir während der Hartgeld-Ära des 19. und 20. Jahrhunderts sahen. Da Frankreich nun jedoch die logischen Limits seines jahrzehntelangen Experiments des staatlich gelenkten Wohlfahrtskapitalismus erreicht hat, ist das Land diesen Risiken sogar noch stärker ausgesetzt als seine ebenfalls strauchelnden Nachbarn.

Zur Auffrischung werden wir uns im Folgenden noch einmal kurz mit dem typischen Wirtschaftszyklus während der Goldstandard-Ära auseinandersetzen:

  • In der ersten Phase des Zyklus reagieren die Anleger auf die extrem positiven Kapitalrenditen, indem sie die Vermögenswerte nach oben bieten und sich zunehmend stärker verschulden. Die Banken lockern ihre Kreditvergabestandards und echte Unternehmer sind von Scharlatanen schon bald nicht mehr zu unterscheiden. Die Marktkommentatoren verkünden, dass irgendeine neue Erfindung bedeuten würde, dass es dieses Mal „anders“ sei. Der knappste Rohstoff in dieser Phase des Überflusses ist die Erinnerung an vorangegangene Wirtschaftszyklen.
  • Das erste Signal, dass der Zyklus eine Trendwende erfährt, ist eine „Marktpanik“. Der Auslöser für diese Marktpanik ist die Erkenntnis unter den Marktteilnehmern, dass die Kapitalrendite unter die Kapitalkosten gefallen ist. Diese schockartige Anpassungsphase dauert in der Regel höchstens ein paar Monate, wobei es zu einem Zusammenbruch der Kapitalmärkte und einer Reihe von Pleiten im Finanzsystem kommt.
  • Das Ende dieser akuten Krisenphase geht gewöhnlich mit einen Zusammenbruch der Zinssätze einher, was die Marktteilnehmer zu der Einschätzung verleitet, dass sich wieder normale Geschäftsbedingungen eingestellt haben. Daraufhin setzt eine massive Erholungsrally ein.
  • Was dann folgt, ist die weit schwerwiegendere „sekundäre Depression“, die sich eher wie ein Kater nach einer durchzechten Nacht anfühlt. Diese Kapitulation manifestiert sich dadurch, dass die Anleger zu der Erkenntnis gelangen, dass die Renditen immer noch unter den Kapitalkosten liegen. In der Goldstandard-Ära dauerten solche sekundären Depressionen gewöhnlich drei bis fünf Jahre und verursachten den überwiegenden Teil der Investmentverluste.

Es ist jetzt immer offenkundiger, dass Italien und Spanien in einer Schuldenfalle gefangen und in eine lähmende Anpassungsphase eingetreten sind. Die Abwertung – ihre einzig möglich Fluchtoption – ist ihnen aufgrund der Einschränkungen, die sich aus ihrer Euro-Mitgliedschaft ergeben, nicht möglich.

Letzes Jahr habe ich argumentiert, dass Frankreich dafür prädestiniert ist, demselben ruinösen Weg zu folgen, den seine südlichen Nachbarn bereits beschritten haben. Dank der Politik, die von der französischen Regierung in den darauffolgenden neun Monaten ergriffen wurde, ist dieser Ausgang nun so gut wie sicher. Die jüngsten entsetzlichen französischen Wirtschaftsdaten haben bei mir jeden noch verbliebenen Zweifel beseitigt.

Was für eine Wirtschaftsdepression in Frankreich spricht

Meine Analyse beginnt mit der Einschätzung des Wirtschaftsklimas, das durch die französische INSEE-Umfrage erhoben wird. Diese Umfrage wird monatlich veröffentlicht und hat sich in der Vergangenheit als recht zuverlässig herausgestellt. Der Umfrageindikator geht der tatsächlichen Wirtschaftsentwicklung in der Regel drei bis neun Monate voraus.

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Der Rückgang der Umfrageergebnisse und des französischen Bruttoinlandsprodukts deuten darauf hin, dass die Wirtschaft in den kommenden sechs Monaten mit einer annualisierten Rate von 1% schrumpfen wird.

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Die Industrieproduktion wird von mir bereits seit langem als der beste vorhandene Stellvertreter für die Aktivitäten des Privatsektors verwendet, und die jüngsten Daten sind, gelinde gesagt, unheilvoll.

Frankreich ist ein extremer Sonderfall, da die Staatsausgaben ganze 57% des BIP stellen (nur Dänemark hat eine noch höhere Staatsquote). Da die Staatsausgaben als Anteil des BIP aller Vorausschau nach nicht sinken werden, wird die Anpassungslast allein vom Privatsektor getragen werden müssen  – ein 3%iger Einbruch dieses Teils der Wirtschaft ist daher recht wahrscheinlich.

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Ein Ergebnis dieses Kollaps der Aktivität im Privatsektor ist, dass die Beschäftigungsrate implodieren wird:

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Und wenn die französische Beschäftigungsrate implodiert, steht zu befürchten, dass auch der französische Konsum einbrechen wird. Dieser Teufelskreis wird sicherstellen, dass Frankreich in eine sekundäre Depression im eingangs beschriebenen Stil eintreten wird.

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Weiterreichende wirtschaftliche Auswirkungen

Es ist in der jüngeren Geschichte einmalig, dass sich der französische und deutsche Wirtschaftszyklus auseinanderentwickeln – und das wird dafür sorgen, dass die Risiken innerhalb des Eurozonensystems eskalieren werden:

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Der massive Druck bei den französischen Haushaltseinkommen wird sicherstellen, dass die französischen Importe kollabieren werden, was für die Produzenten in Spanien und Italien nur von Nachteil sein kann – Frankreich ist für die meisten Euroländer der zweitwichtigste Exportmarkt.

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Frankreichs Haushaltsdefizit steht nun kurz davor zu explodieren. Eine höhere Arbeitslosenrate wird die Staatsausgaben weiter in die Höhe treiben, während der fallende Konsum zu einem Einbruch der Umsatzsteuereinnahmen führt. Darüber hinaus gehen durch eine geringere Wirtschaftsaktivität alle Arten der Einkommenssteuer zurück, auf die eine unersättliche Regierungsmaschinerie ja so stark angewiesen ist:

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Im Ergebnis wird das Haushaltsdefizit in 2013 massiv steigen. Hier sollte auch Erwähnung finden, dass diese Entwicklung bisher jedes Mal zu beobachten war, wenn das Wirtschaftsklima als Leitindikator derart drastisch eingebrochen ist.

Die Zinsen für langlaufende französische Staatanleihen werden rasch unter Druck geraten, genauso wie dies in Spanien und Italien der Fall gewesen ist, als sich ihre Haushaltssituationen verschlechterten. Die französische Regierung ist in extremem Maße selbstgefällig, was ihre Sozialausgaben anbelangt, da diese dank der niedrigen Zinsen derzeit leicht zu finanzieren sind – doch ein Anstieg bei den Zinsen wird schnell dafür sorgen, dass die Haushaltssituation nicht mehr tragfähig ist.

Und was für den Staat gilt, gilt auch für den Unternehmenssektor. Die Profite der Firmen, die von der Inlandswirtschaft und den geschundenen Märkten im Süden Europas abhängig sind, werden aller Vorausschau nach massiv unter Druck geraten.

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Doch was mir im Hinblick auf die Lage Frankreichs richtig Angst macht, ist, dass die Wirtschaft heute bereits unter einer riesigen Kreditkrise leidet, die nur noch schlimmer werden kann:

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Schlussfolgerung

Frankreich hat wirtschaftliche Probleme, die speziell auf seine politische Kultur zurückzuführen sind. Während sich die spekulativen Exzesse in Spanien und Irland auf einen völlig überhitzten Immobiliensektor konzentrierten, haben Frankreichs Ausschweifungen mit dem Staatssektor zu tun. Hier sollten wir uns noch einmal an den Spruch erinnern: Zu viele Häuser in Spanien, zu viele Fabriken in Deutschland und zu viele Staatsbedienstete in Frankreich.

Dieser völlig außer Kontrolle geratene Staatssektor machte sich die laxen Kreditaufnahmebedingungen während des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts zunutze, um die Angestelltenzahlen einer ohnehin bereits aufgeblähten Bürokratie noch weiter zu erhöhen. Die dieser Politik zu Grunde liegende Auffassung war, dass diese Bevölkerungsgruppe bei den kommenden Wahlen dann auch für ihre Zahlmeister stimmen würde. Es ist das, was ich als „Sozial-Klientelismus“ bezeichne.

Im Ergebnis ist Frankreich das einzige von uns beobachtete Land, dessen Staatssektor seit 1987 Jahr für Jahr schneller gewachsen ist als der Privatsektor!

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Das Interessante ist, dass der Staatsanteil am französischen BIP unerbittlich gestiegen ist – ganz egal ob nun eine rechts- oder linksgerichtete Partei an der Macht war. Die französische Wirtschaft befand sich die ganze Zeit über in den Fängen der Bürokratie, so dass sich der Trend bei den Staatsausgaben ungebrochen fortsetzte.

Einfach gesagt, haben die Typen, die Frankreichs Wirtschaft lenken, ein System geschaffen, bei dem der Staatssektor den Privatsektor fortwährend ausplündern kann. Dieser institutionalisierte und verschleierte Raub hat einen sich selbst verstärkenden Zyklus des wirtschaftlichen Niedergangs geschaffen, wo niedrige Unternehmensprofite zu einer Absenkung der Privatinvestments führen, was wiederum ein schwaches Wirtschaftswachstum zur Folge hat, das zu steigenden Arbeitslosenniveaus führt.

Frankreichs Wirtschaftsmalaise ist im Kern ein Versagen der staatlichen Moralität. Die Eliten des Staatssektors verachten den Privatsektor nicht nur, sondern sind überdies der Meinung, dass es eine höhere Berufung ist, den Unternehmern Geld zu stehlen, um es den Staatsbediensteten zu geben.

Es sollte reichen, hier drauf hinzuweisen, dass der moralische Bankrott der französischen Politik bedeutet, dass die Probleme praktisch unlösbar sind: Wenn eine Bevölkerung mit Propaganda bombardiert wird, dass die Vermögensschaffung irgendetwas Schmutziges sei, während es für den Staat moralisch akzeptabel ist, alle Privatgewinne zu enteignen, lässt sich kaum ein wachstumsfreundliches Umfeld schaffen.

Fakt ist, dass die französischen Eliten überzeugt davon sind, dass eine kommunistische Technokratie ein dem Kapitalismus überlegenes System ist – und diese Auffassung ist von weiten Teilen der französischen Bevölkerung akzeptiert worden. Die Lösung für Frankreich besteht daher nicht in schrittweisen Reformen des Arbeitsmarkts, sondern in einer kompletten Generalüberholung des Systems, bei der vernünftige Menschen mit anderen Moralvorstellungen an die Macht kommen würden.

Kurzfristig wurde der radikale Wandel durch die Tatsache abgemildert, dass die Franzosen in 2012 für eine weitere Ausplünderung und den weiteren Ausbau der kommunistischen Technokratie stimmten (und die Regierung setzt zurzeit alles daran, dem Wunsch der Bevölkerung nachzukommen).

Die Party wird natürlich genau dann zu Ende sein, wenn die Auslandsinvestoren ihre Kreditvergabe einstellen. Das dürfte auch genau der Zeitpunkt sein, wo der letzte französische Unternehmer nach London, New York oder Schanghai flüchtet – und er sollte dann auch das Licht ausmachen, bevor er traurig Lebewohl sagt.

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Bis vor kurzem habe ich noch mit der These gearbeitet, dass in Frankreich zwischen 2014 und 2017 eine vollumfängliche Schuldenkrise ausbrechen würde. Angesichts der außerordentlichen Verfehlungen der jetzigen französischen Regierung habe ich meine Meinung dazu jedoch geändert und bin nun der Auffassung, dass Frankreich jetzt extrem nah am Abgrund steht. In Europa sollten sich jetzt alle gut festhalten – das letzte echte kommunistische Land der Welt steht jetzt kurz vor dem Zusammenbruch.

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