Christian Gustafson, Deflation Land, 17.10.2013

In den letzten 300 Jahren war das historische Muster so, dass die Ära des vorangegangen Jahrhunderts immer noch 13 bis 15 Jahre in das neue Jahrhundert hineinreichte.

Ich möchte das kurz ausführen. Jeder weiß, dass das 19. Jahrhundert mit seinem Optimismus und seiner Zweckorientiertheit und den glücklicheren Tagen des Britischen Weltreichs mit dem Ersten Weltkrieg – der 1914 begann und 1916 seinen hässlichen Höhepunkt fand – vorbei war und das 20. Jahrhundert endgültig da war. Und das 20. Jahrhundert hielt für uns auch einige echte Schrecken bereit.

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Deutsche Soldaten an der Somme

Und wenn wir noch einmal 100 Jahre zurückgehen, stellen wir fest, dass das 18. Jahrhundert ebenfalls 1815 mit der finalen Niederlage von Napoleon endete – dem finalen Projekt der Aufklärung und der französischen Revolution. Durch den Wiener Kongress von 1814 bis 1815 entstand ein neues Europa gemäß Metternichs Plan und das 19. Jahrhundert saß endlich fest im Sattel.

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Napoleons Rückzug von Moskau

1713 bis 1714 gab es die Friedensverträge von Utrecht, Baden und Rastatt, die der Ära von Spanien als Großmacht und dem Aufstieg der Habsburger ein Ende bereiteten. Ludwig XIV. stirbt 1715, nachdem er 72 Jahre geherrscht hatte. Die Barrockzeit ist vorbei, und das 18. Jahrhundert ist fest etabliert.

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Spanischer Erbfolgekrieg

Heute leben wir immer noch im 20. Jahrhundert. In den letzten zwanzig Jahren hat sich unser Leben nicht substantiell verändert. Die Symptome einer tieferliegenden Fäulnis tauchen hier und da zwar mal auf und sind Vorboten einer größeren Krise, doch diese größere Krise ist bisher noch nicht da.

Wir leben immer noch in der Ära der Pax Americana – der alten Republik, bei der es sich derzeit eher um ein überstrapaziertes und ermüdetes Imperium handelt, mit dem US-Dollar als Weltreservewährung.

Das wird sich ändern.

Die nächste Aufgabe der Geschichte besteht darin, die untragbaren Strukturen und Institutionen der Spätmoderne – die sich soweit in die Zukunft schleppten, wie sie konnten – zu zerstören. Unser schuldenbasiertes Geldsystem wird zusammenbrechen, unser ungedecktes Fiatgeld wird wertlos werden. Auf die Schulden und die nicht bedienbaren Verbindlichkeiten wird der Zahlungsausfall erklärt werden.

Es gibt viele Ironien und riesige Widersprüche, während die einstige Heimat und Hoffnung der Freiheit bösartig unfrei und zunehmend despotischer wird. Unsere politischen Führer verwalten nicht mehr länger, sondern versuchen stattdessen, über uns zu herrschen – und ihre Legitimation nimmt mit jedem Tag weiter ab, ihre Gesetze sind verdorben oder schlimmeres. Sie sind fast am Ende, sie werden von der Welle weggespült werden.

Genauso wie 1914, als das internationalistische System in sich zusammenbrach, was die Hoffnungen der aufstrebenden Industrieländer vernichtete, werden wir es höchstwahrscheinlich ebenfalls mit einem ziemlich heftigen Krieg zu tun bekommen oder mit vielen weltweit verteilten kleineren Kriegen. Diese Transformationsphasen neigen dazu, kriegerisch zu verlaufen.

Am Anfang steht die Deflation – sie öffnet dem vollständigen Vertrauensverlust Tür und Tor, woraufhin die Hyperinflation einsetzt. Die nächste große Abwärtswelle an den Finanzmärkten wird als Rammbock dienen. Bei der US-Staatsverschuldung geht es um Vertrauen, genauso wie bei der quantitativen Lockerung und bei der Idee, dass es irgendwelche magischen Münzen geben könnte, die USD 1 Billion „wert“ sind. Wird dieser Glaube zerstört, gemeinsam mit dem Glauben an fortwährendes Wachstum und unbegrenzt billige Energie, werden sich die Ereignisse überschlagen und es wird sehr, sehr schnell gehen.

Und es gibt nichts, was irgendjemand von uns zum jetzigen Zeitpunkt tun könnte, außer die Stromschnellen so gut als möglich zu umschiffen und sich einem sterbenden Imperium nicht in den Weg zu stellen, das in seinem Todeskampf immer noch sehr gefährlich ist. Wir sind in Wirklichkeit privilegiert, diese Zeit mitzuerleben und Zeugen dieser nächsten Transformation zu werden – in was es sich verwandeln wird, wissen wir noch nicht. Aber was für eine Ehre es ist, in dieser Zeit leben zu dürfen, nicht ahnungslos, sondern mit dem existentiellen Entschluss, sie lebend zu überstehen und viel weiser aus ihr hervorzugehen.

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