Die katastrophalen Wirtschaftsdaten aus Deutschland, die am Dienstag bekanntgegeben wurden, sind für alle Europäer Grund zum Jubeln. Der Untergang der EU und des Euros beschleunigt sich zusehends

Raul Ilargi Meijer, Automatic Earth, 07.10.2014

In Europa passiert derzeit einiges, und das ist Grund zum Feiern und Jubeln. Denn während die meisten europäischen Führer, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds am Montag noch vollauf damit beschäftig waren, Deutschland dafür zu tadeln, dass es weder die Steuern senkt, noch die staatlichen Infrastrukturinvestitionen ausweitet, dürften die jüngsten Wirtschaftsdaten aus Deutschland vom Dienstag dafür sorgen, dass sie jetzt entweder die Klappe halten oder ihren Ton drastisch ändern werden.

Aber sie sind viel zu selbstverliebt, um ihre Klappe zu halten, und sie können auch keinen anderen Ton anschlagen, weil sie nur den einen kennen. Und das dürfte zu echter Verärgerung und Bitterkeit führen, was ich ebenfalls vollumfänglich begrüße.

Die Eurozone sollte zum Wohle aller – sieht man hier mal von den selbstverliebten Politikern ab – eingestampft und durch völlig neue und viel moderatere Verträge, die zwischen den Ländern ausgehandelt werden, ersetzt werden.

Ich denke, wir sind uns dahingehend einig, dass die europäische Einheitswährung und das rechtliche Korsett, in welchem der Euro gefangen ist, bei den über 50% Jugendlichen in Spanien und Griechenland, die vielleicht nie Arbeit finden werden, bereits massiven Schaden angerichtet haben. Und der Schaden reicht noch viel weiter. Auch die Italiener und Iren wurden angeblich zum Wohle aller in die Mangel genommen … und, und, und. Und wir dürften uns dahingehend einig sein, dass auch die Lage von Millionen von Menschen in den anderen Euroländern schlimmer werden wird, sollte das Euro-Projekt nicht so schnell als möglich aufgegeben werden.

Das gute an Deutschlands katastrophalen Wirtschaftsdaten vom Dienstag ist, dass die Rufe der Euroskeptiker in ganz Deutschland dadurch immer lauter werden. Sollte es bei Angela Merkel und ihren Leuten zu einer Veränderung der Auffassung und Politik kommen, dann wird sie sicher nicht so ausfallen, wie der Rest Europas vielleicht möchte. Merkel wird sich nicht für die ABS-Ramschpapier-Aufkäufe von Mario Draghi stark machen – ganz im Gegenteil: Die Rufe nach der Wahrung deutscher Interessen werden lauter werden, und Merkel kann diese Rufe nun nicht mehr länger ignorieren.

Berlin wird sich einer protektionistischen Politik zuwenden müssen, sozusagen der Antithese des gesamten europäischen Projekts, das ja seitens der Deutschen in der Vergangenheit so viel Unterstützung erfahren hat. Merkel kann eine lockerere Finanzpolitik in Brüssel nicht akzeptieren, da dies das Risiko mit sich bringt – im Grunde ist es kein Risiko, sondern eine Gewissheit –, dass die deutschen Steuerzahler die Verluste zu tragen haben, die die EZB in einem verzweifelten Versuch anhäuft, sich selbst und die europäische Einheitswährung zu retten. Merkels heutige und potenzielle Wähler werden das nicht akzeptieren.

Faktisch wird Merkel Europa also den Rücken zukehren müssen. Das wird natürlich nicht so dargestellt werden, zumindest nicht am Anfang, aber darauf läuft es hinaus. Ob Sie dem nun zustimmen oder nicht, Deutschlands Auffassungen und Maßnahmen haben zu der Misere beigetragen, in der sich nun weite Teile Europas befinden, und es ist und bleibt eine Tatsache, dass sich die Lage sogar noch weiter verschlimmern wird. Es muss also etwas getan werden, nur kann sich niemand darauf einigen, was getan werden muss.

Draghis extrem teure und hochumstrittene Aufkaufpläne können in Wahrheit kein einziges Problem lösen – weder die Probleme, die die Länder bereits hatten, noch die Probleme, die durch die Euro-Zwangsjacke hinzugekommen sind. Das Einzige, was mit diesen Aufkaufplänen erreicht werden könnte, ist, ein wenig Zeit zu gewinnen. Zeit, die dafür genutzt werden wird, die Euro-Schlinge um den Hals aller fester zu ziehen.

Zentralbanken können keine Probleme lösen, aber sie können sie mit Sicherheit schlimmer machen. Das mag sich vielleicht komisch anhören, wenn man sich anschaut, was viele für eine US-Wirtschaftserholung halten, aber warten Sie mal ein paar Jahre ab und schauen Sie sich dann an, was sich die Amerikaner für über USD 10 Billionen oder die Chinesen für USD 25 Billionen eigentlich gekauft haben.

Am Ende sind es einfach nur noch mehr Schulden die zum bestehenden Schuldenberg hinzukommen – das wird von all jenen unterstützt, die darauf aus sind, auf Kosten der Steuerzahler zu profitieren, die unterdessen immer weiter in Richtung Schuldenknechtschaft getrieben werden. Eine kaputte Wirtschaft anzuheizen, indem man sie noch kaputter macht – oder auch nur das Risiko eingeht, sie noch kaputter zu machen –, ist der reinste Irrsinn, aber es ist zufällig genau das, was in jedem Wirtschaftslehrbuch als Handlungsanweisung aufgeführt wird …

Die schnell an Popularität gewinnende, rechts von Merkel stehende Alternative für Deutschland (AfD) wird sich natürlich auf die schlechten Wirtschaftsdaten vom Dienstag stürzen – 25%iger Einbruch bei den Neuwagenverkäufen, 8,8%iger Rückgang bei der Kapitalgüterproduktion (Maschinen usw.), 5,7%iger Rückgang im Fertigungsbereich, 4%iger Rückgang der Gesamtindustrieproduktion gegenüber dem Vormonat – und Schutz für die Deutschen verlangen sowie weniger, nicht mehr, Beteiligung Berlins an der EU und der Eurozone.

Zum – okay, darüber lässt sich streiten – schlimmsten Zeitpunkt in der Geschichte des Euros, wo alle anderen „Lösungen“ gescheitert und die Schuldenniveaus höher sind als je zuvor, will Mario Draghi diese Schuldenniveaus nun sogar noch stärker erhöhen. Merkel hat nicht den politischen Spielraum, um ihm dies zu erlauben, weil sie nicht mehr über das wirtschaftliche Polster verfügt. Sobald sie irgendwelche Einsparmaßnahmen im Inland verkündet, werden die AfD und andere ihre Stimme erheben und sagen: Spart zuerst bei den Griechen!

Frankreich ringt derzeit um Luft, Italien ist bereits an lebenserhaltende Apparaturen angeschlossen, Griechenland, Zypern und Spanien befinden sich in der Notaufnahme, und nun hat auch noch der deutsche Wirtschaftsmotor den Geist aufgegeben. Eine „Union“ mit über 500 Millionen Menschen steht gerade kurz davor, ohne Lenkrad und Motor über die Klippe zu jagen. Irgendjemand wird abspringen, so viel ist klar. Und die Deutschen könnten die ersten sein.

Niemand in Europa hat irgendetwas zu verlieren, wenn die Eurozone untergeht, zumindest nichts, was sie nicht ohnehin verlieren würden, aber jeder Europäer (von der Kabale an Strippenziehern und Narzissten einmal abgesehen) könnte jede Menge Freude, Selbstverwirklichungsmöglichkeiten und Unabhängigkeit verlieren, sollte dieses gescheiterte Projekt weiter fortgesetzt werden. Zu ihrem Glück versprechen die deutschen Wirtschaftsdaten, dass das gnädige Ende jetzt viel näher rückt.

Das Problem mit der EU ist dasselbe wie bei der NATO, dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank. Es sind Institutionen, die mit den besten Absichten ins Leben gerufen wurden, aber schon bald nach ihrer Gründung immer mehr Macht an sich rissen, ohne dass irgendjemand zur Rechenschaft gezogen werden könnte. Diese Art von Struktur zieht eine ganz bestimmte Sorte von Menschen an, nämlich die Sorte von Menschen, die nicht gerne zur Rechenschaft gezogen werden.

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