65% der Deutschen sind sich sicher, dass sie ohne den Euro besser dran wären, während der Bundesbankpräsident im Hinblick auf die Gelddruckorgien der Europäischen Zentralbank bereits von einem „Pakt mit dem Teufel“ spricht

Wolf Richter, Testosteronepit.com, 19.09.2012

Ein Pakt mit dem Teufel – das ist jetzt die offizielle Metapher für die „unbegrenzten“ Anleiheaufkäufe, die von der Europäischen Zentralbank versprochen wurden, um die Halter von verrottenden Eurozonen-Schulden zu retten.

Der Bundesbankpräsident Jens Weidmann bezog sich am Dienstag auf Goethes Faust – eine Tragödie, bei der es um einen Schüler geht, der seine Seele gegen Wissen und Lust beim Teufel eintauscht. Faust II endete tragisch und beschreibt dann auch, so Weidmann, „das Kernproblem der heutigen, auf Papiergeld fußenden Geldpolitik“. Er führte aus, dass es einen „potenziell gefährlichen Zusammenhang von Papiergeldschöpfung, Staatsfinanzierung und Inflation“ gibt.

Aber seine Warnungen kommen zu spät. Deutschland ist bereits gespalten – und der eine Teil ist absolut versessen darauf, diesen Pakt mit dem Teufel einzugehen. Der ZEW-Indikator, der die Stimmung unter den Investoren erfasst, schoss um 7,3 Punkte in die Höhe, das ist der erste Anstieg nach vier Monaten an drastischen Rückgängen.

Und was ist mit dem EZB-Versprechen? Es „trug zur Verbesserung bei“, heißt es dazu in der Presseerklärung des ZEW. Selbst die deutschen Investoren lieben all das Geld, das ins System gepumpt wird – da brauchen Sie nur auf die Aktienmärkte zu schauen!

Es gibt aber auch noch die andere Seite: Die Deutschen in der Realwirtschaft. Sie verlieren zusehends das Vertrauen in den Euro, die Rettungspakete und die Europäische Zentralbank: 65% der Deutschen sind der Meinung, dass sie mit dem Euro schlechter dran sind als mit der D-Mark – ein Trend, der mit Sicherheit nicht so schnell wieder verschwinden wird.

Und beide Seiten gingen auf Konfrontationskurs. Am Wochenende wurde Weidmann von Finanzminister Wolfgang Schäuble, der den EZB-Plan unterstützt, scharf kritisiert, weil er seinen Widerstand „halb-öffentlich“ diskutieren würde. Bis dahin hatte es eigentlich noch so ausgesehen, als hätte Weidmann die Unterstützung der Regierung. Aber auch das hat sich in Luft aufgelöst.

Kanzlerin Angela Merke hatte zu diesem Zeitpunkt jedenfalls die Möglichkeit, Weidmann zu decken – tat dies aber demonstrativ nicht. Sie begrüßte seine Kommentare lediglich und würdigte ihn damit von einem einst wichtigen Berater bei staatlichen Finanzentscheidungen, der traditionellen Rolle der Bundesbank, zu einem lästigen Kommentatoren herab.

Ja, und wie er kommentierte – am Dienstag auf dem Goethe-Symposium in Frankfurt:

„Heutiges Geld ist durch keinerlei Sachwerte mehr gedeckt. Banknoten sind bedrucktes Papier – die Kenner unter Ihnen wissen, dass es sich im Fall des Euro eigentlich um Baumwolle handelt –, Münzen sind geprägtes Metall.

Dass Banknoten und Münzen im täglichen Leben als Zahlungsmittel akzeptiert werden, hat zwar auch damit zu tun, dass sie alleiniges gesetzliches Zahlungsmittel sind. Letztlich fußt die Annahme von Papiergeld jedoch primär auf dem Vertrauen der Bevölkerung, mit dem erhaltenen Papiergeld selbst auch wieder Käufe tätigen zu können …

Schaut man in der Historie zurück, so wurden staatliche Notenbanken früher oft gerade deshalb geschaffen, um den Regenten möglichst freien Zugriff auf scheinbar unbegrenzte Finanzmittel zu geben.

Durch den staatlichen Zugriff auf die Notenbank in Verbindung mit großem staatlichem Finanzbedarf wurde die Geldmenge jedoch häufig zu stark ausgeweitet, das Ergebnis war Geldentwertung durch Inflation.“

Was Weidmann jedoch nicht erwähnte, ist die Tatsache, dass es heute die Banken sind – nicht die „Regenten“ – die dank der „scheinbar unbegrenzten Finanzmittel“ in Saus und Braus schwelgen. Nichtsdestotrotz sei die Unabhängigkeit einer Zentralbank wichtig, um „die staatliche Vereinnahmung der Geldpolitik zu verhindern.“

Und der beste Schutz gegen die Versuchungen an der Geldpolitik herumzufingern? „Eine aufgeklärte und stabilitätsorientierte Gesellschaft“, weshalb es für das „Vertrauen … wichtig [ist], dass sich Notenbanker, die ein öffentliches Gut verwalten – stabiles Geld – auch öffentlich rechtfertigen.“ – eine Bemerkung, mit der er heftig gegen Schäubles Versuche, ihm einen Maulkorb zu verpassen, stichelte.

Weidmann, isoliert in der EZB und nun auch in Berlin, genießt aber weitreichende und lautstarke Unterstützung aus anderer Richtung. Zu seinen Unterstützern gehört sein Vorgänger Axel Weber, der die EZB und die Bundesbank im vergangenen Jahr verließ, um gegen die zu jener Zeit stattfindenden Anleihekäufe zu protestieren, und mittlerweile Verwaltungsratspräsident der UBS ist.

Aus dem schweizerischen Basel war zu vernehmen, dass er befürchte, dass „von der Niedrigzinspolitik und der Expansion der Notenbank-Bilanzen neue Verwerfungen an den Finanzmärkten ausgehen können.“ Seit dem Zweiten Weltkrieg hätten die Zentralbanken nicht mehr derart massiv in die Wirtschaftszyklen eingegriffen, so Weber, der mit seinen Bemerkungen nicht nur die EZB, sondern auch die US-Notenbank, die japanische Zentralbank und andere Zentralbanken im Blick hatte, die zurzeit wilde Gelddruckmaßnahmen durchführen.

Und während er einräumte, dass die geldpolitischen Maßnahmen der EZB für etwas Beruhigung gesorgt hätten, sei er überzeugt, „dass die Geldpolitik nicht grundlegende Schwachstellen im Gefüge der Währungsunion lösen kann.“ Zurzeit sei aber nicht in Sicht, so Weber, dass die Politik überhaupt an strukturellen Lösungen interessiert ist. Mit den Maßnahmen der EZB sei den Politikern lediglich Zeit erkauft worden.

Und Merkel, die händeringend versucht, weiterhin an der Macht zu bleiben und eine der ganz wenigen politischen Führer zu werden, die die Schuldenkrise überleben, treibt unterdessen ein doppeltes Spiel: Einerseits unterstützt sie die Anleihekäufe der EZB und hofft darauf, dass ihr die Wunder, die diese Maßnahmen kurzfristig bei den Finanzmärkten vollbringen können, bei der Bundestagswahl helfen werden, und andererseits versucht sie, auch die Wähler bei der Stange zu halten, die den Euro bereits aufgegeben haben. Daher verweist sie auch immer wieder ausdrücklich auf die „strikten“ Auflagen für das EZB-Anleiheaufkaufprogramm und die Rettungspakete. Die Bundestagswahlen finden im nächsten Jahr statt, und bisher scheint es so, als würden ihr die Wähler die Treue halten.

Als das deutsche Bundesverfassungsgericht das ESM-Rettungspaket und den Fiskalpakt durchwinkte, fiel den Politikern ein Stein vom Herzen. Die deutsche Revolte ist vorbei. Doch aus den altersschwachen Rohren der Eurozone steigt bereits wieder neuer Dampf auf – dieses Mal in Frankreich, wo die Pläne zur Fiskalunion bisher einfach totgeschwiegen wurden. Nun scheint dort jedoch eine Rebellion gegen die nichtgewählten EU-Bürokraten auszubrechen, und die Gegner des Fiskalpakts sprechen bereits öffentlich von einem „Europäischen Staatsstreich und einer Vergewaltigung der Demokratie“.

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