„Ja, dieses Gold- und Silber-Ding ist eine Riesensache; ich glaube nicht, dass die meisten Anleger begreifen, auf welchem Spielfeld wir uns hier befinden.“
Henry Bonner, Sprott Global, 20.03.2014
John Embry ist der Chef-Investment-Stratege bei Sprott Asset Management LP und arbeitet gemeinsam mit Rick Rule und Eric Sprott zusammen. Embry verwaltete USD 5 Milliarden an Fondsgeldern bei RBC Global Investment Management, bevor er bei Sprott anfing, und ist ein weithin bekannter Gold- und Silberbulle. Er gilt als einer der einflussreichsten Vordenker der Edelmetallbranche.
Henry Bonner: Bei den Edelmetallen kam es zu Preisanstiegen; ist das für Sie als Gold- und Silberanleger aufregend?
John Embry: Nun ja, es hat einen ziemlich guten Anstieg gegeben. Gold und Silber haben sich gegenüber den Widerständen und gegenüber der Stimmung, die nach wie vor negativ ist, gut geschlagen. Viele Menschen sind bezüglich der Edelmetalle immer noch sehr bärisch aus Gründen, die ich nicht verstehen kann. Aber diese bärische Stimmung existiert.
Und ich glaube, dass es anhaltende Marktstörungen gibt. Eine Sache, die sie nicht wollen, ist, dass Gold und Silber ausbricht und massiv zulegt. Und ich glaube, dass sie dabei eine gute Arbeit gemacht haben, denn Gold liegt nun ausgehend von seinem Tief des letzten Jahres mit USD 150 pro Unze im Plus – es ging kurzzeitig auf USD 1.180 pro Unze zurück –, und selbst Silber hat sich trotz großer Widerstände nach oben aufgemacht, und trotzdem sind die meisten Kommentatoren bezüglich der Edelmetalle negativ eingestellt, was zeigt, dass sie großartige Arbeit geleistet haben.
Bonner: Worauf sollten Gold- und Silberanleger jetzt achten?
Embry: Also ich schaue mir die Realität des Ganzen an. Zunächst einmal sind die weltweiten Wirtschaften nicht mehr das, was sie einmal waren. Sie schwächen sich im Grunde allesamt ab, und sie haben zu kämpfen. Es ist ziemlich einfach: Es gibt viel zu viele Schulden in der Welt, und zwar in praktisch jedem Land auf praktisch jeder Ebene. Und wenn man von den Grundsätzen der Österreichischen Wirtschaftsschule so überzeugt ist wie ich, dann weiß man auch, dass man bei einer exzessiven weltweiten Schuldensituation einfach nicht genug neue Schulden schaffen kann, um die Wirtschaft zu neuem Wachstum zu bewegen. Und ich glaube, das ist das Problem, mit dem wir es hier zu tun haben.
Deswegen gehe ich auch nicht davon aus, dass die Wirtschaft die Bullen zum jetzigen Zeitpunkt retten wird. Und während sich die Lage der Wirtschaft zunehmend weiter verschlechtert, werden Gold und Silber meines Erachtens zu immer interessanteren Alternativen werden. Und was überhaupt keine Beachtung findet, ist, wie klein diese Märkte wirklich sind. Wenn man sich jede Unze Gold anschaut, die seit Anbeginn der Zeit aus dem Boden geholt wurde, ja dann sind das gerade einmal rund 170.000 Tonnen. Das entspricht lediglich einem Wert von gut USD 7 Billionen. Und mit USD 1 Billion kommt man heutzutage nicht sonderlich weit.
Wenn man also darüber nachdenkt, wie wenig Gold es auf der Erde gibt – und bei Silber ist es ja nur ein Bruchteil davon, also wenn sich das Geld dazu entschließt, dass es in diese beiden Metalle will, dann wird das einen massiven Einfluss auf den Preis haben. Wenn die Lage in der realen Welt immer schwieriger werden wird, werden die Menschen zunehmend darauf aus sein, in Gold und Silber zu gehen, und das wird übergroße Auswirkungen haben.
Bonner: Was ist mit der BaFin, dem deutschen Äquivalent der US-Börsenaufsicht SEC? Nach den Untersuchungen bei der Deutschen Bank, wo es darum ging, wer beim Londoner Price-Fixing involviert ist, gab die BaFin bekannt, dass Gold wohlmöglich stärker manipuliert sein könnte, als der LIBOR. Stehen wir hier im Hinblick auf die Goldpreisfestsetzungen kurz vor einer großen Enthüllung?
Embry: Ich glaube es ist interessant, dass sie sich auf das Londoner Price-Fixing konzentrieren. Ich bin mir sicher, dass es sich hierbei wahrscheinlich um eine Täuschungsaktion handelt. Verglichen mit dem, was im Goldmarkt abläuft – also zwischen den westlichen Zentralbanken und den Edelmetallbanken und bezüglich des Drucks, den sie damit auf den Goldpreis ausüben –, ist das eine absolute Bagatelle. Die Sache ist die, dass ich mehr daran interessiert wäre, zu erfahren, wie stark der Goldpreis und der Silberpreis durch die fortwährenden Zentralbankaktivitäten gedrückt worden sind. Aber man muss ja irgendwo anfangen, und die BaFin-Untersuchung ist ein positiver Schritt in die richtige Richtung.
Bonner: Was meinen Sie mit Zentralbankaktivitäten?
Embry: Damit meine ich geheime Verleihgeschäfte, wo bedeutende Mengen an Gold in alle Welt verliehen werden. Die letzte große Sache war eine bedeutende Goldlieferung aus der Schweiz – das muss Zentralbankgold gewesen sein, denn wo sollte es sonst noch hergekommen sein? Das Zeug wurde in der Schweiz neu eingeschmolzen und dann nach China verschifft. Dieser ganze West-Ost-Transport von bedeutenden Mengen an Gold, also aus westlicher Perspektive ist das keine positive Entwicklung. Es gibt ja den alten Spruch, dass das Gold dorthin geht, wo Wohlstand geschaffen wird. Und der andere Spruch ist, dass diejenigen, die das Gold haben, auch die Regeln aufstellen. Ich bin also ziemlich bestürzt, was diese ganzen Goldabflüsse aus dem Westen in Richtung Asien anbelangt.
Bonner: Glauben Sie, dass der Westen nicht mehr länger Wohlstand schafft?
Embry: Was meines Erachtens wirklich geschehen ist, ist, dass der Westen seinen Fertigungsbereich aufgegeben und insbesondere an China und eine Reihe von anderen Satellitenstaaten in diesem Teil der Welt abgetreten hat. Ich glaube, dass eines der größten heutigen Probleme, die Arbeitslosigkeit im Westen, genau davon herrührt. In Nordamerika und Europa gab es mal eine riesige Zahl an gutbezahlten Arbeitsplätzen im Fertigungsbereich. Viele dieser Stellen sind verlorengegangen und viele dieser Produkte werden heutzutage zu geringeren Kosten in China hergestellt, weil sie dort eine viel niedrigere Kostenbasis haben. Ich glaube nicht, dass das für Nordamerika und Europa langfristig gesehen eine sonderlich positive Entwicklung ist.
Bonner: Was treibt diesen großen weltweiten Wandel an?
Embry: Also im Grunde hat China nach dem Zweiten Weltkrieg die meiste Zeit über vor sich hingedöst – bis vor Kurzem lief dort also praktisch gar nichts. Aber mittlerweile haben sie über 1,4 Milliarden Menschen. All das Vermögen konzentrierte sich auf die westliche Welt, also Nordamerika, Europa und in geringerem Umfang auch Japan. Es gibt nicht viele Menschen in dieser Gruppe – vielleicht 600 Millionen Menschen. Und plötzlich sind China und Indien in gewissem Umfang aufgewacht. 2,7 Milliarden Menschen haben sich dazu entschlossen, dass sie das haben wollen, was wir gehabt haben, und sie waren auch darauf vorbereitet, hart dafür zu arbeiten. Und das Ganze fing damit an, einen dramatischen Einfluss auf den Lebensstandard in Nordamerika zu haben. Eine Manifestation davon ist, dass die untere Hälfte unsere Gesellschaft jetzt damit zu kämpfen hat, gutbezahlte Arbeitsplätze zu bekommen, und das fängt nun an, sich zu rächen.
Bonner: Glauben Sie, dass China dem Weg des Westens folgen könnte und seine Schulden ausweitet und das Gold dann einfach wieder ziehen lässt?
Embry: Nein, ich glaube, dass in Wirklichkeit das genaue Gegenteil geschehen wird. Wir haben im Westen, und speziell in Amerika, für all diese Güter aus China mit immer größeren Mengen gedruckten Geldes bezahlt. Und China hat im Ergebnis einen riesigen Außenhandelsüberschuss aufgetürmt. Sie hatten also diese enormen Mengen an US-Dollarreserven, und sie wissen, dass diese Dollarreserven ziemlich anfällig sind. Und ich glaube, dass das einer der Gründe ist, warum sie Gold gekauft haben – und es geht hier nicht nur um Gold, sondern auch um Immobilien und andere Wertspeicher. Sie wollen tatsächlich aus diesen Dollars raus und in Richtung harter Vermögenswerte, und zwar so stark es ihnen möglich ist.
Bonner: Sind die kanadische Währung und die europäischen Währungen auf einem besseren Kurs als der US-Dollar?
Embry: Nein. Anstatt hier allein die USA zu kritisieren, würde ich im Hinblick auf die gesamte westliche Welt kritischer sein. Wir haben nach dem Zweiten Weltkrieg, also in den darauffolgenden 70 Jahren, sehr gut gelebt. Und wir haben schrecklich viele Schulden angehäuft, und es wird einiges an Arbeit nötig sein, um hier wieder auf die richtige Spur zu kommen. Und in der Zwischenzeit, also während wir mit diesen Problemen zu kämpfen haben, könnte das Geld weiter entwertet werden, einfach nur, um all diese Dinge weiter am Laufen zu halten.
Das ist auch einer der Gründe, warum ich bezüglich Gold und Silber so bullisch bin. Das sind Konstanten in einer sich ständig verändernden Welt, und ich glaube, dass die Metalle derzeit billig sind, sehr billig. Ich glaube nicht, dass die Menschen genug davon besitzen, und wenn sie am Ende begreifen, was sich hier abspielt, wird nicht genug Gold und Silber da sein. Daher lautet mein Ratschlag, all das Gold und Silber zu kaufen, dass man zu diesen Preisen bekommen kann. Und noch besser: Wer einen richtigen Hebel haben will, kauft Aktien von den Unternehmen, die dieses Zeug aus dem Boden holen.
Wenn man die richtigen Aktien hat, wird man meines Erachtens ein Vermögen machen. Ich bin also ein riesiger Bulle, was Gold- und Silberminenaktien anbelangt; der einzige Haken ist, dass man hier sehr selektiv vorgehen muss. Im Laufe der Jahre wurden zahlreiche schlechte Aktien beworben, und wenn man in diesem Bereich einkauft, muss man schon sicherstellen, dass man nur die guten Titel kauft – also die Minen, die über echte Erzvorkommen verfügen oder sich bereits in Produktion befinden oder die ganz nah vor der Produktion stehen, sodass man eine gewisse Sicherheit hat, dass das Ganze auch echt ist. Diese Art von Aktien wird sich spektakulär entwickeln, wenn der Markt zu brummen beginnt.
Ja, dieses Gold- und Silber-Ding ist eine Riesensache; ich glaube nicht, dass die meisten Anleger begreifen, auf welchem Spielfeld wir uns hier befinden.
Bonner: Also sollte man standhaft bleiben, Gold und Silber besitzen und abwarten?
Embry: Ja, und ich möchte hier noch einmal herausstreichen, dass es zurzeit so viel schlechte Presse gibt, dass die meisten Menschen diesen Sektor ganz einfach meiden, und es scheint, dass es sich im Rückblick noch als schrecklicher Fehler herausstellen wird, dass man den Schutz von Gold und Silber und einigen mit den Metallen in Zusammenhang stehenden Aktien nicht in seinem Portfolio hatte.
Bonner: Glauben Sie, dass wir jetzt kurz vor dem Punkt stehen, wo sich Gold- und Silberinvestments Geltung verschaffen werden? Wird es noch ein paar Jahre dauern?
Embry: Jahre würde ich nun nicht sagen. Natürlich will ich mir hier noch etwas Spielraum bewahren, aber ich glaube, wir kommen diesem Punkt zurzeit immer näher. Es gibt zunehmend mehr Paukenschläge und zwar in einem Ausmaß, wo der Preis eigentlich reagieren müsste. Und dann ist all dieses Papier draußen, das über überhaupt keine Gold- oder Silberdeckung hat. Wenn all diese Dinge für Gold und Silber zu ihrem Höhepunkt zusammenkommen, werden die Auswirkungen auf die Metalle weit über das hinaus gehen, was sich die meisten Anleger heute überhaupt vorstellen können. Und das ist auch der Grund, warum ich glaube, dass es so wichtig ist, dass man besser zu früh dran ist als zu spät. Wenn man zu spät kommt, kann es sein, dass man nicht mehr reinkommt, weil sich die Sache so schnell entwickeln könnte und die Verfügbarkeit beschränkt ist.
Bonner: Wird es bei Gold und Silber Hinweise auf einen unmittelbar bevorstehenden Aufwärtsschub geben?
Embry: Ich glaube, dass es jetzt eine Menge Beweise gibt, aus denen hervorgeht, wie sie die Papiermärkte mit all den von ihnen aufgestellten Regeln und der Art, wie ihre Algorithmen funktionieren, kontrollieren. Immer wenn der Goldpreis um 2% pro Tag steigt, halten sie ihn an. Ich gehe erst dann davon aus, dass das Ganze richtig brummt, wenn wir anfangen, einige übergroße Kurssprünge zu sehen, also beispielsweise von USD 50 pro Tag. Ich glaube, das würde uns dann wirklich sagen, dass das Spiel angelaufen ist. Und ich glaube, wir stehen kurz davor – wir sprechen hier von Monaten, nicht von Jahren.
Bonner: Was würde dafür sorgen, dass der auf Gold und Silber lastende Druck verschwindet?
Embry: Eine Verknappung bei den physischen Metallen. Ich glaube, die wirkliche Achillesferse des Papiermarkts ist, dass es eine überwältigende physische Nachfrage aus China und seitens anderer Quellen gibt. Die Erkenntnis, dass es einen Mangel an Physischem gibt, speziell zur Deckung all der Papierprodukte, könnte die Sache innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums dramatisch anheizen.
Bonner: Wie wird die Antwort der US-Notenbank ausfallen?
Embry: Ich glaube, sie hat all ihre Antworten bereits geliefert. Sie haben all dieses Geld gedruckt, und ich glaube, dass dem Markt eine Menge der US-Goldreserven über Verleihgeschäfte, Swaps und was auch immer zugeführt wurde. Ich glaube, dass sie immer weniger Feuerkraft haben, um diese Art von Aktivitäten aufrecht zu halten. Und im Ergebnis wird es, wenn es sich dann ändert, zu dramatischen Veränderungen kommen, weil die Nachfrage größer sein wird, als physisches Gold geliefert werden kann, um diese Nachfrage zu befriedigen. Und der Papiermarkt, der Preisfindungsmechanismus solange kontrolliert, wie ich mich zurückerinnern kann, wird am Ende auch überrannt werden.