Neeraj Chaudhary, Euro Pacific Capital, 07.06.2010

Die Massenmedien konzentrieren sich auf die abebbenden Arbeitslosenzahlen, die sich verbessernden Verkaufszahlen und die aufkeimende Erholung am Häusermarkt und man könnte zu der Meinung gelangen, dass die US-Regierung die Wirtschaft erfolgreich durch die Rezession navigierte und das Wachstum zurückkehrte. Ich behaupte jedoch, dass ein Blick hinter die Kulissen, ein völlig anderes Bild offenbart. Ich bin der Meinung die Daten zeigen, dass die US-Wirtschaft schwer angeschlagen ist und eine moderne Depression bereits begonnen hat. Tatsache ist, dass der Erste Weltkrieg ursprünglich auch der Große Krieg genannt wurde (und man ihn nach dem Zweiten Weltkrieg umbenannte). Peter Schiff erklärt in diesem Zusammenhang, dass man die Große Depression von 1929 bis 1941 eines Tages auch als Erste Große Depression und die gegenwärtige Periode als Zweite Große Depression bezeichnen wird.

Menschen, denen dies neu ist, sollten sich zunächst die Arbeitslosenzahlen anschauen. Während der Ersten Großen Depression durchbrach die Arbeitslosigkeit die 25%-Marke. Wenn man die Angaben der Regierung zugrunde legt, beläuft sich die Arbeitslosigkeit in den USA aktuell auf 9,9%. Bei genauerem Hinsehen offenbart sich jedoch, dass sich die Arbeitslosenquote mit der am weitesten gefassten Messmethode aktuell auf 20% beläuft und die Tendenz steigend ist. Die heutigen Zahlen liegen also im selben Bereich wie jene der 30er Jahre und das, obwohl die Bundesregierung beispiellose Mittel einsetzte um die Wirtschaft am Leben zu halten. Erinnern wir uns zurück: FDR hatte während der Ersten Großen Depression zu keinem Zeitpunkt ein Defizit, das auch nur im Ansatz so groß gewesen wäre wie das von Präsident Obama. Des Weiteren verfügte die Federal Reserve der 30er Jahre immer noch über den Goldstandard mit dem sie sich behaupten konnte, während die FED in der heutigen Zeit völlig ungestraft die Geldmenge erhöht hat. Und selbst trotz all dieser Interventionen weisen die Arbeitslosenzahlen deutlich darauf hin, was wir ins Gebiet der Depression vorgedrungen sind.

Das entmutigende für einen Arbeitslosen ist nicht nur, dass er rausgeworfen wird, es ist nicht in der Lage zu sein eine neue Anstellung zu finden, die über einen längeren Zeitraum besteht. Und das ist genau der Punkt, wo die Zweite Große Depression ihre wirkliche Fratze zum Vorschein bringt. Laut den Daten der US-Regierung beläuft sich die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit aktuell auf über fünf Monate und steigt weiter an. Das ist der höchste Stand seit Beginn der Aufzeichnungen dieser Informationen durch das Amt für Arbeitsstatistik im Jahre 1965. Da die Arbeiter eine derart lange Zeit ohne Beschäftigung sind, fangen sie damit an ihre Ersparnisse anzugreifen. Letztendlich – und das gilt ganz besonders für ein Land, wo die Sparrate so gering ist wie die unsere und die Schulden so hoch sind wie bei uns – verlieren sie auch dieses Polster und landen auf der Straße. Menschen, die einst der Mittelklasse angehörten, müssen nun Entscheidungen treffen, die sie nie für möglich gehalten hätten: Esse ich bei einer Tafel oder gehe ich hungrig nach Hause?

Es ist daher überhaupt keine Überraschung, dass rund 40 Millionen Menschen – oder jeder achte Amerikaner – in der Zweiten Großen Depression aktuell Lebensmittelmarken erhält, während des Höhepunkts der Ersten Großen Depression war es gerade einmal jeder 35. Amerikaner. Selbst mit den Konjunkturprogrammen ist die Zweite Große Depression in ihrem Ausmaß schlimmer als die Erste Große Depression und das US-Landwirtschaftsministerium schätzt, dass die Zuteilung von Lebensmittelmarken um weitere 50% ansteigen kann. Wer wird für dieses Programm bezahlen, wenn alle ihre Arbeitsplätze verloren haben?

Trotz der Steuergutschriften, welche dieses Frühjahr zu einem Anstieg der Verkaufszahlen führten, ist der Häusermarkt immer noch in schlechter Verfassung. Während der Ersten Großen Depression gingen die Hauspreise um rund 15% im Vergleich zum Höhepunkt vor der Krise (der 1925 erreicht wurde) zurück. In der Zweiten Großen Depression sind die Preise mindestens um 30% gegenüber dem Höhepunkt vor der Krise (der 2005 erreicht wurde) zurückgegangen, wobei einige Märkte sogar über 50% einbrachen.

Viele der Menschen, die davon ausgingen ihre Hypothekenzahlungen leisten zu können und Fisch aus der Büchse essen um zu überlieben, werden also den doppelten Wiederverkaufswert ihrer Häuser abbezahlen müssen. Das ist ein extremer Anreiz das Haus einfach zu verlassen, mit verheerenden Folgen für den sozialen Zusammenhalt des Landes in dieser schwierigen Zeit. Mit leerstehenden Häusern züchtet man sich Kriminalität und Vandalismus und ermutigt durch diese Abwärtsspirale weitere Menschen die Flucht zu ergreifen. Ferner könnten diese vielen Immobilienflüchtlinge eine neue Klasse von Amerikanern schaffen, deren Kreditwürdigkeit ruiniert ist und das genau zu einem Zeitpunkt, wo die Arbeitgeber damit begonnen haben vor der Einstellung die Kreditwürdigkeit zu überprüfen.

Noch besorgniserregender ist der aktuelle Einbruch der Häuserpreise vor dem Hintergrund der Preisinflation. In der Ersten Großen Depression haben unsere Großeltern vielleicht beim Wert ihrer Häuser verloren, aber Güter des täglichen Bedarfs (Milch, Windel, Autos usw.) sind zur selben Zeit ebenfalls preiswerter geworden. Das plusterte ihr Sicherheitspolster auf, als sie es am meisten benötigten. Heute ist es so, dass die Preise für Verbrauchsgüter steigen, während der Wert des Häuserkapitals (unserem Hauptvermögensspeicher) sinkt. Da steckt man wirklich in der Klemme.

Ob es nun die Arbeitsplätze, Lebensmittel oder die Dächer über unseren Köpfen sind – die aktuelle Periode wirtschaftlicher Turbulenzen ist mindestens so schlimm für uns wie die Erste Große Depression, ob die Finanzmedien das nun eingestehen möchten oder nicht. Der Hauptunterschied besteht darin, dass der US-Dollar im Gegensatz zu den 30er Jahren mittlerweile die Fiat-Reservewährung der Welt ist, was es uns ermöglicht unsere Probleme eine Zeit lang ins Ausland zu verlagern. Bei dem Elend der auf dem Land lebenden Chinesen handelt es sich in Wirklichkeit um unser Elend – wir leben verschwenderisch von dem Wohlstand, den sie schaffen. Würden sie dieses niederträchtige Arrangement aufkündigen, würden die Auswirkungen der Zweiten Großen Depression in Amerika in vollem Umfang zu spüren sein.

Im Gegensatz dazu verfügten die USA, wie jedes andere Land auch, während der Ersten Großen Depression über den Goldstandard, was uns dazu zwang nicht über unsere Verhältnisse zu leben. Das wiederum erleichterte es uns festzustellen, dass sich die Wirtschaft im Niedergang befand und Veränderungen eingeleitet werden mussten.

Unglücklicherweise, so meine Sorge, könnte sich die Zweite Große Depression aufgrund der Reaktionen der Regierung und der Federal Reserve – die ich für völlig fehlgeleitet halte – in etwas wesentlich verheerenderes verwandeln als ihre Vorgängerin, etwas, das andere Länder in der Welt bereits durchgemacht haben, was man in den Vereinigten Staaten jedoch für undenkbar hielt: Eine hyperinflationäre Depression. So schlimm die aktuelle Wirtschaftskrise auch gewesen sein mag, Inflation würde sie unermesslich schlimmer machen. Es würde einer ehrlichen Abrechnung mit den Problemen bedürfen, denen wir uns heute gegenübersehen, um der Katastrophe zu entgehen, welche die Zukunft für uns bereithält.

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