Paul Craig Roberts, Prisonplanet.com, 01.09.2010
Haben sich die Ökonomen bedeutungslos gemacht? Wenn Sie da noch irgendwelche Zweifel haben, werfen Sie einfach mal einen Blick in die Zeitschrift „International Economy“, die von den früheren Vorsitzenden der Federal Reserve Paul Volcker und Alan Greenspan, dem Präsidenten der europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, sowie dem ehemaligen US-Außenminister George Schultz empfohlen wird und von der New York Times und der Washington Post als Magazin beschrieben wurde, dass „seiner Zeit voraus“ ist.
Der Leitartikel der aktuellen Ausgabe trägt den Titel „Die große Stimulus-Debatte“ und dreht sich darum, ob die steuerlichen Anreize von Obama der Wirtschaft helfen oder schaden.
Paul Krugman, Ökonomieprofessor von Princeton und Kolumnist der New York Times, und Marc Zandi, Chefökonom von Moody´s Analytics, vertreten in dem Artikel beide die keynesianische Auffassung, dass defizitäre Ausgaben des Staates notwendig seien um die Wirtschaft aus der Rezession zu befreien. Zandi erklärt, dank der steuerlichen Anreize „hat die Wirtschaft seit Beginn 2009 enorme Fortschritte gemacht“, eine Meinung, die so auch vom Wirtschaftsberatungsausschuss des US-Präsidenten und der Haushaltsbehörde des Kongresses geteilt wird.
Die gegenteilige Auffassung, die mit dem Harvard-Wirtschaftsprofessor Robert Barro und den Ökonomen Francesco Giavazzi und Marco Pagano sowie der Europäischen Zentralbank in Verbindung gebracht wird, ist, dass die durch Einsparungen der Regierung erzielten staatlichen Haushaltsüberschüsse die Wirtschaft aufgrund der Verringerung des Verhältnisses von Schulden zum Bruttosozialprodukt wiederbeleben. Das ist die ökonomische „Dann sollen sie eben Kuchen essen!“-Schule.
Barro erklärt, dass die steuerlichen Anreize wirkungslos seien, da die Menschen bereits mit künftigen Steuererhöhungen, auf welche die Regierungsdefizite hinauslaufen, rechneten und ihre persönliche Ersparnisse erhöhten um die zusätzlichen Regierungsschulden auszugleichen. Giavazzi und Pagano argumentieren, dass, da die steuerlichen Anreize die Wirtschaft nicht wachsen ließen, Austerität in Form von höheren Steuern und reduzierten Regierungsausgaben für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit die Lösung sei.
Wenn man die wirkliche Welt wie auch die Notwendigkeit im Leben sein Auskommen bestreiten zu müssen außen vorlässt, könnte einen diese Debatte in der Tat mitreißen. In der Sekunde, in der man jedoch aus dem Fenster schaut und sich die Welt ansieht, stellt man bereits fest, dass Einsparungen beim staatlichen Rentenprogramm, bei staatlich finanzierten Krankenkassen- und Arzneiprogrammen, Lebensmittelmarken und Eigenheimsubventionierungen in einer Situation, wo 15 Millionen Amerikaner bereits ihre Arbeit, Krankenversicherung und Eigenheime verloren haben, mit Sicherheit zum Tod durch Verhungern und Nichtbehandlung heilbarer Krankheiten führen werden und den Verlust wertschaffender Arbeitsleistung von 15 Millionen Menschen bedeuten.
Obwohl einige Befürworter dieser antikeynesianischen Politik bestreiten, dass die Ergebnisse soziale Unruhen wären, sind Gerald Celentes Beobachtungen hier wesentlich näher am Kern der Sache: „Wenn die Menschen nichts mehr zu verlieren haben, dann rasten sie aus.“
Die keynesianische Schule Krugmans ist genauso illusorisch. Keine der beiden Seiten in „Der großen Stimulus-Debatte“ hat eine Ahnung davon, dass das Problem der USA darin besteht, dass ein Großteil des US-amerikanischen Bruttosozialprodukts und der Arbeitsplätze, der Einkommen sowie der damit einhergehenden Karrieren ausgelagert und den Chinesen, Indern und anderen mit geringen Verdienstraten gegeben wurden. Die Profite in Wall Street stiegen gewaltig, während die Arbeitsmarktperspektiven der Mittelklasse vernichtet wurden.
Die Auslagerung amerikanischer Arbeitsplätze ist ein Ergebnis (a) des Drängens von Wall Street nach „höheren Renditen für Anteilseigner“, also nach höheren Gewinnen und (b) der gedankenlosen Ökonomen, wie denen an der Debatte über steuerliche Anreize beteiligten, die fälschlicherweise Globalismus mit Freihandel assoziieren, anstatt mit seiner Antithese – dem Streben nach dem geringsten Kostenfaktor im Ausland oder auch dem absoluten Kostenvorteil, dem Gegenteil des komparativen Kostenvorteils, der die Grundlage für die Freihandelstheorie bildet. Selbst Krugman, der einige Referenzen als Handelstheoretiker hat, ist der Gleichsetzung von Globalismus mit dem Freihandel verfallen.
Da die Ökonomen – laut der jüngsten Handelstheorie von Ralpf Gomory and William Baumol jedoch fälschlicherweise – davon ausgehen, dass der Freihandel immer von beiderseitigem Nutzen ist, haben sie es auch versäumt die verheerenden Wirkungen der Auslagerung zu untersuchen. Die intelligenteren unter ihnen, die darauf hinweisen, werden als „Protektionisten“ abgelehnt.
Der Grund dafür, dass der Steueranreiz die US-Wirtschaft nicht retten kann, hat nichts mit den Differenzen zwischen Barro und Krugman zu tun. Es hat mit der Tatsache zu tun, dass ein großer Prozentsatz hochproduktiver und stark Mehrwert schaffender Arbeitsplätze der Mittelklasseverdiener sowie die damit einhergehenden Karrieren an Ausländer gegeben wurden. Was früher einmal zum Bruttosozialprodukt der USA gehörte, ist nun das BSP Chinas, Indiens oder irgendeines anderen Landes.
Wenn Arbeitsplätze in Ausland verlagert werden, können die Arbeiter mit steuerlichen Anreizen nicht wieder in Arbeit gebracht werden um die steigende Verbrauchernachfrage zu befriedigen. Wenn der steuerliche Anreiz irgendeine Wirkung hat, dann, dass dadurch die Beschäftigung in China und Indien beflügelt wird.
Die „Dann sollen sie eben Kuchen essen!“-Schule liegt ebenso daneben. Da Investment, Forschung, Entwicklung usw. ins Ausland verlagert wurden, sorgen Einsparungen auf der Anspruchsseite lediglich dafür, dass es die inländische Bevölkerung noch stärker umhaut. Die Amerikaner sind nicht in der Lage auf Basis chinesischer oder indischer Gehälter ihre Hypotheken, Autoraten, Schulgeld, Rechnungen der Energieversorger oder irgendeine andere Rechnung zu zahlen. Daher werden die Amerikaner aufgrund zu hoher Kosten aus dem Arbeitsmarkt gedrängt und zu Abhängigen des Bundeshaushalts. „Konsolidierungskurs“ bedeutet eine große Zahl an Menschen einfach abzuschreiben.
Während der Großen Depression waren viele Lohn- und Gehaltsempfänger erst neu zur Arbeitnehmerschaft hinzugekommen. Sie stammten aus der familiären Landwirtschaft, wo sich viele Eltern und Großeltern immer noch selbst versorgten. Als ihre Arbeitsplätze verschwanden, konnten viele von ihnen zur Farm zurückkehren.
Heute ist die Landwirtschaft in den Händen der Agrarunternehmen. Es gibt keine Farmen, zu denen die Arbeitslosen zurückkehren könnten.
Die „Sollen Sie eben Kuchen essen!“-Schule erwähnt auch nie den entscheidenden sie bevorteilenden Punkt. Die USA, bei all ihrer grollenden Macht und Wichtigkeit, steht und fällt mit dem US-Dollar als Reservewährung. Es ist die Rolle des Dollars, die es Amerika erlaubt für seine Importe mit der eigenen Währung zahlen zu können.
Für ein Land, dessen Handel so unausgeglichen ist wie der amerikanische, ist es genau dieses Privileg, welches das Land über Wasser hält.
Die Gefahren für die Rolle des Dollars sind die Haushalts- und Handelsdefizite. Beide sind so groß und haben sich so lange Zeit aufgetürmt, dass alle Aussichten darauf, das wieder wettzumachen, verpufft sind. Wie ich bereits seit ein paar Jahren schreibe, sind die USA vom Dollar als Reservewährung derart abhängig, dass es ihre Hauptpolitik sein muss diese Rolle aufrechtzuerhalten. Ansonsten werden die USA, ein von Importen abhängiges Land, nicht mehr in der Lage sein den ihren Exporten gegenüberstehenden Überhang an Importen zu bezahlen.
Der „Konsolidierungskurs“, ein neuer Begriff für Austerität, könnte den US-Dollar retten. Die Austerität muss jedoch auf den Militärhaushalt abzielen, außer Hunger, Obdachlosigkeit und soziale Unruhen sind das Ziel.
Amerika kann sich seine Multibillionendollarkriege, die ausschließlich der Bereicherung von in der Waffenindustrie investierten Personen dienen, nicht mehr leisten. Die USA können sich den neokonservativen Traum der Weltherrschaft und der Eroberung des Nahen Ostens zum Zwecke der freien Kolonialisierung durch Israel nicht leisten.
Überrascht es irgendjemanden, dass kein einziger Vertreter der „Dann sollen sie eben Kuchen essen!“-Schule die Kürzung des Militärhaushalts erwähnte? Staatliche Zuwendungen waren – trotz der Tatsache, dass sie mit dafür designierten Steuern bezahlt wurden und seit der Reagan-Regierung Überschüsse aufwiesen – immer der Posten, den die Ökonomen der Kürzung anheimstellten.
Wo steht diese Schule bezüglich Inflation vs. Deflation? Da brauchen wir uns keine Sorgen machen. Martin Feldstein, einer von Amerikas herausragendsten Ökonomen, sagt: „Die gute Nachricht…ist, dass sich Investoren darüber auch keine Sorgen machen brauchen.“ Seine Erklärung verkörpert all die Unbekümmertheit amerikanischer Ökonomen.
Feldstein sagt, dass es aufgrund einer hohen Arbeitslosenquote und einer niedrigen Kapazitätsauslastung überhaupt keine Inflation geben könne. Daher „gibt es in den Vereinigten Staaten sehr wenig Aufwärtsdruck bei den Gehältern und Preisen.“ Und weiter: „der jüngste Anstieg beim Wert des Dollars im Verhältnis zum Euro und dem britischen Pfund hilft die Importkosten zu senken.“ Und bezüglich der Deflation gibt es auch kein Risiko. Die riesigen Defizite verhindern Deflation, so Feldstein:
„die gute Nachricht ist also, dass die Wahrscheinlichkeit einer signifikanten Inflation oder Deflation während der nächsten paar Jahre ganz unten auf der Liste ökonomischer Risiken steht, denen die US-Wirtschaft und die Finanzinvestoren entgegensehen.“
Was wir hier vorfinden ist eine völlig ahnungslose Ökonomenzunft.
Ja, es könnte eine anfängliche Periode der Deflation geben, da die Aktien- und Eigenheimpreise gemeinsam mit der Wirtschaft zurückgehen, die sich in Richtung Süden und nicht in einer Erholung befindet. Die Deflation wird jedoch nur von kurzer Dauer sein, weil das Haushaltsdefizit gleichzeitig mit dem Rückgang der Wirtschaft ansteigen wird und sich die Aussichten, jährlich ein Defizit von USD 2 Billionen zu finanzieren, in dem Moment in Luft auflösen, wenn die einzelnen Investoren ihre Flucht aus dem Aktienmarkt in die „sicheren“ Staatsanleihen abgeschlossen haben, wenn die Investoren durch die aufgebauschte griechische, spanische und irische Krise aus dem Euro in den Dollar getrieben wurden und die Banken ihre überschüssigen durch die Rettungsgelder geschaffenen Reserven mit dem Kauf von Staatsanleihen aufgebraucht haben.
Womit finanzieren wir das Defizit dann? Da brauchen Sie bei keiner Seite der Teilnehmer von „Der großen Stimulus-Debatte“ nach einer Antwort Ausschau zu halten. Die haben überhaupt keine Ahnung – trotz des Umstandes, dass die Antwort offenkundig ist.
Das gedankenlose Ökonomen-Establishment hat keine Antwortstrategie auf das wirtschaftliche Armageddon, wenn wir hier einmal davon ausgehen, dass sie es überhaupt zu erkennen vermögen.
Ökonomen, die ihr ganzes Berufsleben damit verbracht haben zu begründen, dass der Globalismus ein Vorteil für Amerika sei, haben keine Ahnung von der Katastrophe, die sie dadurch angerichtet haben.