Deutschland ist mit einem enormen Problem konfrontiert: Die deutsche Bevölkerung scheint nicht länger gewillt zu sein, die anderen Euroländer mit weiteren Rettungsgeldern zu stützen, aber genau darauf läuft es hinaus, sollte die Eurozone die kommenden Jahre in ihrer heutigen Form erhalten bleiben
Michael Snyder, The Economic Collapse, 11.03.2012
Die Mehrzahl der Analysten geht seit längerem davon aus, dass, sollte ein Euroland die Einheitswährung verlassen, es eine schwache Nation wie Griechenland oder Portugal sein wird. Die Wahrheit ist aber, dass die in finanziellen Schwierigkeiten befindlichen Länder überhaupt nicht die Absicht haben, den Euro zu verlassen. Die Führer dieser Länder sind sich im Klaren darüber, dass, sollten sie den Euro verlassen, ihre Wirtschaften vollständig in sich zusammenbrächen und plötzlich auch keiner mehr zur Rettung herbeieilen würde.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es auch noch keinen formellen Mechanismus, der es den anderen Mitgliedern der Eurozone erlauben würde, finanziell in Schwierigkeiten befindliche Länder wie Griechenland oder Portugal einfach aus der Einheitswährung auszuschließen.
Es gibt aber noch eine andere Möglichkeit, die zunehmend wahrscheinlicher wird und zum Auseinanderbrechen der Eurozone führen könnte: Deutschland verlässt den Euro, ein Ereignis, das in der Tat denkbar scheint.
Deutschland ist aktuell mit einem massiven Problem konfrontiert. Das Land blickt auf eine Zukunft, wo es im Grunde dazu gezwungen ist, die Mehrzahl der Euroländer über viele Jahre hinweg finanziell über Wasser zu halten und zu retten – Rettungsmaßnahmen, die extrem teuer sein werden.
Unterdessen wird die Stimmung unter den restlichen europäischen Ländern immer deutschfeindlicher. In Griechenland werden Angela Merkel und die Vertreter deutsche Regierung in aller Öffentlichkeit als Nazis portraitiert. Finanziell geschwächte Länder wie Griechenland wollen zwar deutsche Rettungsgelder, sind es aber leid, die Forderungen, die Deutschland ihnen im Rahmen der Rettungsmaßnahmen auferlegt, zu erfüllen.
Zurzeit lässt sich beobachten, dass die Wünsche der Deutschen von anderen Euroländern in zunehmendem Maße ignoriert werden, oder man spricht sich offen gegen die Vorschläge Deutschlands aus. Letztlich wird sich Deutschland entscheiden müssen, ob es die Sache überhaupt wert und das Land gewillt ist, weiterhin unzählige Milliarden Euros in Länder zu pumpen, die das weder zu schätzen wissen, noch das tun, was Deutschland von ihnen verlangt.
Ende vergangenen Jahres hat die Regierungspartei CDU während ihres Parteitags den Beschluss gefasst, dass es allen Ländern erlaubt sein sollte, die Eurozone zu verlassen, ohne dass dies automatisch einen Austritt aus der Europäischen Union zur Folge hat.
Obzwar viele Beobachter davon ausgehen, dass dieser Beschluss auf Länder wie Griechenland oder Portugal abzielt, ist es eine Tatsache, dass er auch dem Euro-Austritt Deutschlands die Bühne bereiten könnte. In dem Beschlussdokument mit dem Titel „Starkes Europa – Gute Zukunft für Deutschland“ heißt es:
„Sollte ein Mitgliedstaat der Währungsunion dauerhaft nichts willens oder in der Lage sein, die mit der gemeinsamen Währung verbundenen Regeln einzuhalten, kann er freiwillig – entsprechend der Regelungen des Lissabonner Vertrags für ein Ausscheiden aus der Europäischen Union – aus der Eurozone ausscheiden, ohne die Europäische Union zu verlassen. Er wird den anderen Mitgliedstaaten gleichgestellt, die nicht die Währung Euro haben.“
Wurde das nun tatsächlich im Hinblick auf Griechenland verfasst, oder zielt es nicht eher auf Deutschland selbst ab? Das ist zumindest eine sehr interessante Frage.
Fakt ist jedenfalls, dass der aktuelle Status Quo nicht mehr allzu lange aufrechterhalten werden kann.
Die deutschen Wähler sind ganz bestimmt nicht in der Stimmung, den anderen europäischen Ländern weitere Rettungsgelder zukommen zulassen, doch verbliebe Deutschland in der Eurozone, würde in den kommenden Jahren noch eine Vielzahl weiterer Rettungspakete notwendig werden.
Unterdessen verliert Deutschland immer schneller die Kontrolle über den Rest der Eurozone:
- Zwar hat Griechenland einige der Austeritätsmaßnahmen, die dem Land abverlangt wurden, implementiert, viele andere Maßnahmen sind bisher jedoch noch nicht umgesetzt worden. In ein paar Wochen sollen in Griechenland landesweite Wahlen stattfinden, und die Parteien, die sich gegen die Austeritätsmaßnahmen ausgesprochen haben, können in der Gunst der Wähler laut den Umfragen gerade stark zulegen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die neue griechische Regierung gegenüber den Deutschen eine weit weniger freundliche Haltung einnehmen wird.
- Die spanische Regierung setzt sich gegenwärtig über die Haushaltsanforderungen hinweg, welche die Europäische Union dem Land aufzuerlegen versucht. Spanien wird die von der EU vorgeschriebenen Schuldenziele mit Sicherheit verfehlen, und die spanische Regierung hat zurzeit keine Pläne, bei den Staatsausgaben weitere Einsparungen vorzunehmen.
- Die in Frankreich bevorstehenden Wahlen könnten sich als entscheidend herausstellen. Nicolas Sarkozy hat schlechte Umfragewerte und eine neue französische Regierung könnte den jüngst vereinbarten „Fiskalpakt“ der EU-Länder platzen lassen.
Graham Summers schrieb jüngst im Hinblick auf aktuelle Situation Frankreichs:
„Wir sollten Schäubles Äußerungen auch im Zusammenhang mit Merkels jüngster Unterstützung von Nicolas Sarkozys Wiederwahl-Bemühungen in Frankreich sehen, wo er gegen den extremen Sozialisten Francois Hollande antritt. Hollande, der sich einer massiven sozialistischen Mission verschrieben hat, will Frankreichs Renteneintrittsalter absenken, die Steuerschlupflöcher für die Reichen schließen und gegen die jüngst neu verhandelten fiskalischen Anforderungen verstoßen, von denen Deutschland die 17 Mitglieder der Eurozone überzeugen konnte.“
Es ist völlig offenkundig, dass Deutschland bisher alles daran gesetzt hat, die Eurozone zusammenzuhalten. Die deutsche Regierung ist aber auch der Meinung, dass, wenn Deutschland schon jeden retten muss, es auch das Recht hat, die Regeln aufzustellen.
Aber was wird passieren, sollte der Rest Europas den Deutschen erklären, dass sie sich ihre Regeln sonst wo hin stecken können?
Nun ja, Deutschland wäre gezwungen, eine sehr schwierige Entscheidung zu treffen, und es sieht so aus, als würde das Land bereits Vorbereitungen für diese Eventualität treffen.
Beispielsweise hat Deutschland seinen „Sonderfonds für Finanzmarktstabilisierung“ (SoFFin) vor kurzem wiederbelebt. Die Gelder kämen bei der Rettung von deutschen Banken zum Einsatz, sollte der Euro auseinanderbrechen. Graham Summers schreibt dazu:
„Kurz gesagt hat Deutschland den SoFFin wie folgt ausgestattet:
1. EUR 400 Milliarden an Garantien für deutsche Banken.
2. EUR 80 Milliarden, die bei der Rekapitalisierung deutscher Banken zum Einsatz kommen.
3. Eine Gesetzgebung, die es den deutschen Banken erlaubt, ihre Eurozonen-Staatsanleihen loszuwerden, sollte dies notwendig erscheinen.
Ja genau – jede deutsche Bank hat bei einer Krise die Möglichkeit, ihre europäischen Staatsanleihen bei der SoFFin abzuladen.
Einfach gesagt hat Deutschland seine Banken mit einer Brandmauer in Höhe von EUR 480 Milliarden versehen. Deutschland könnte, wenn es dies wünscht, buchstäblich jederzeit aus dem Euro austreten.“
Sollte sich der Rest Europas weiterhin gegen die Wünsche und Forderungen Deutschlands aussprechen, könnte sich das Land einfach dazu entschließen, die Initiative zu ergreifen und der Eurozone den Rücken zu kehren.
Deutschland ist mit Abstand der stärkste Wirtschaftsraum in der Eurozone, und sollte Deutschland aus dem europäischen Währungsraum austreten, hätte dies einen heftigen Crash des Euros zur Folge. Egal, für welche Währung sich Deutschland dann auch entscheiden würde, sie würde massiv aufwerten …
Ja, Deutschland müsste aller Vorausschau nach die deutschen Banken retten, würde es den Euro verlassen, doch verbleibt es in der Eurozone, dürfte dies ebenfalls mit unglaublich hohen Verlusten einhergehen. Sollte sich Deutschland dafür entscheiden, im Euro zu verbleiben, wäre das Land künftig mit extrem teuren Rettungsmaßnahmen konfrontiert, um die anderen Euroländer über Wasser zu halten. Aber wie teuer würde das Ganze? Die New York Times meldete dazu im November 2011:
„Bernard Connolly, ein hartnäckiger Eurokritiker, geht davon aus, dass es Deutschland als das bedeutendste Überschüsse generierende Land in der Eurozone über mehrere Jahre hinweg jährlich rund 7% seines Bruttosozialprodukts kosten würde, um genügend Gelder zur Rettung der schuldengeplagten Länder, darunter auch Frankreich, bereitzustellen.
Dieser Betrag, behauptet Connolly, würde die riesigen Reparationszahlungen, die Deutschland von den Siegermächten des Ersten Weltkriegs auferlegt wurden und deren letzte Rate von Deutschland in 2010 beglichen wurde, bei Weitem übersteigen.“
Sollte Deutschland aus dem Euro austreten, würde das nicht zwangsläufig bedeuten, dass der Traum der europäischen Einheitswährung vorbei ist. Deutschland könnte einfach abwarten, bis der Rest der Eurozone kollabiert ist, und die Länder, nachdem sich das Chaos gelegt hat, in einen neuen deutschen Währungsraum einladen.
Deutschland hätte dann all die Mittel an der Hand, um den anderen Euroländern die Regeln aufzudiktieren.
Fakt ist, dass der europäische Status Quo in Deutschland zurzeit immer weniger Akzeptanz findet. Die Deutschen haben nicht die Absicht, die anderen Länder auf immer und ewig mit Rettungsgeldern zu versorgen, während sie diese Hilfe weder würdigen, noch darauf aus sind, sich an die Regeln zu halten.
Deutschland könnte sich an irgendeinem Punkt also tatsächlich dazu entscheiden, der Eurozone den Rücken zu kehren, und es gibt jede Menge Gerüchte, dass sich das Land bereits auf diesen Tag vorbereitet.
Beispielsweise gibt es anhaltende Gerüchte, dass Deutschland für die Herstellung neuer D-Mark-Scheine Druckerplatten bestellt hätte. Philippa Malmgren, eine ehemalige Wirtschaftsberaterin unter US-Präsident George W. Bush, sagte, Deutschland würde nach ihrem Dafürhalten bereits entsprechende Vorbereitungen treffen: „Ich glaube, dass sie die Druckmaschinen bereits in Gang gesetzt haben und auch die alte Deutsche Mark herausgeben werden, die nach der Euro-Einführung noch übrig geblieben ist.“
Es scheint also in der Tat einiges darauf hinzudeuten, dass sich Deutschland tatsächlich darauf vorbereitet, die Eurozone zu verlassen. Sollte Deutschland den Euro verlassen, wären die Folgen für den Rest Europas katastrophal. Der Euro würde rasend schnell auf neue Allzeittiefs abstürzen und das weltweite Finanzsystem hätte mit chaotischen Verwerfungen zu kämpfen. Länder wie Griechenland würden ihre Hauptquelle für Rettungsgelder verlieren und wären gezwungen, den Staatsbankrott zu verkünden. Die Rezession in Europa würde wohlmöglich in eine verheerende wirtschaftliche Depression ausarten.
Es gäbe also auch jede Menge Nachteile.
Für Deutschland wäre es aber bedeutend besser, als für die meisten der anderen Euroländer, und am Ende würde Deutschland dadurch auch die meisten Machtmittel an der Hand haben. Es scheint ratsam, die in Europa anstehenden Wahlen wie auch die politische Situation genau im Auge zu behalten. Sollten die Dinge für Deutschland nicht besonders gut laufen, könnte es sein, dass das Land das Handtuch wirft und den europäischen Währungsraum verlässt. Wundern bräuchte sich darüber niemand, schließlich sind in der Vergangenheit bereits seltsamere Dinge passiert.