Man kann sich mit Krediten nicht in die Prosperität prassen – auch wenn die gesamte Welt von diesem Glauben beseelt zu sein scheint. Den Deutschen wird das Totalversagen ihrer Politiker sehr teuer zu stehen kommen. Aber Europa steht nicht alleine da. Am Ende wird sich das Schuldendebakel bis zu den USA durchfressen. Das Ganze geht bisher mit einem massiven Souveränitätsverlust der betroffenen Länder einher. Privatbürger sollten ihre Schulden so schnell als möglich abbauen, wenn sie die Folgen des sich weiter verschärfenden Finanz- und Wirtschafschaos abmildern wollen
Andy Sutton, Sutton & Associates, 19.03.2012
Das griechische Finanzdebakel ist innerhalb der letzten anderthalb Jahr hinlänglich beleuchtet worden, so viel ist sicher. Der Schluss, zu dem zahlreiche Analysten gekommen sind, dass das Land am Ende den Großteil seiner Schulden nicht mehr bedienen kann, war ausgemachte Sache.
Dass die Technokraten den griechischen Zahlungsausfall dann „Anleihetausch“ nannten, ist nichts weiter als semantische Spielerei, obwohl selbst Peter Mark Roget auf diesen Einfall stolz gewesen sein dürfte. Dahinter steckt die Idee, dass ein Anleihetausch irgendetwas anderes sei, als den Anleihehaltern einen leeren Koffer zu überreichen, obwohl es genau das ist, was sie erhalten haben.
Nun fingen die griechischen Probleme ja nicht erst im Jahre 2010 an, sondern begannen am dem Tag, als man den Griechen erlaubte, der damals frisch gebackenen europäischen Währungsunion beizutreten. Es mussten alle möglichen Regeln gebrochen werden, damit Griechenland die Voraussetzungen dafür erfüllte. Und es gab auch noch weitere Fälle, wo die Fiskaldaten heftig frisiert wurden, um den Ländern Zutritt zum Euro zu gewähren.
Am hervorstechendsten ist dabei die Tatsache, dass die Kennzahlen, die die Verschuldung der Länder ausweisen, einfach übergangen wurden. Es war von Anfang an klar, dass die griechische Regierung und andere Euroländer ihre Bilanzen zu ihren Gunsten frisierten.
Viele haben sich gefragt, warum die Griechen nicht einfach dasselbe tun, was hier in den USA praktiziert wird – also einfach mehr Geld zu drucken, um die Rechnungen zu bezahlen. Es gibt einige subtile und einige weniger subtile Unterschiede, die bei der Beantwortung dieser anscheinend simplen Frage eine Rolle spielen. Am Ende verheddert man sich dabei schnell in tatsächlich recht komplizierten Sachverhalten, weshalb ich, um das Ganze lesefreundlich zu halten, die Beantwortung dieser Frage in verschiedene Komponenten aufteilen werde:
Die Zentralbank und das Währungssystem
Die meisten Leute, die sich mit dem weltweiten Bankensystem auskennen, würden im Hinblick auf Griechenland und die USA darauf hinweisen, dass Griechenland überhaupt nicht in der Lage ist, für seine Verschwendungssucht Papiergeld zu drucken, da dieser Teil der staatlichen Souveränität bereits vor einem Jahrzehnt im Rahmen des Eurozonenbeitritts an die Europäische Union abgetreten wurde.
Griechenland ist also bezüglich seiner Rettung auf die Europäische Zentralbank angewiesen, wobei hier auch noch das Wohlwollen des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank hinzukommt. Mit anderen Worten: Die griechische Regierung wird genau das tun, was das Banken-Establishment fordert, da ansonsten kein Geld mehr fließt. Das ist echte Freiheit, oder?
Und genau hier wird die ganze Sache richtig hässlich. Aber warum sollten wir uns überhaupt mit Griechenland auseinandersetzen? Ganz einfach, weil wir in den USA zufällig unser eigenes kleines Schuldenproblem haben, das gerade vor sich hinköchelt. Aber in den USA verhält es sich ganz anders – zumindest wird das von den Nachrichtenkommentatoren immer behauptet!
In den USA können wir so viel Geld drucken, wie nötig ist, um unsere Rechnungen zu bezahlen. Und das völlig ohne irgendwelche Konsequenzen … ist doch so, oder?
Nun ja, ganz so ist es dann doch nicht. Das US-Finanzministerium gibt jede Woche Staatsanleihen im Wert von Milliarden US-Dollars aus. Diese Schulden werden dann von einer ganzen Reihe von Marktakteuren aufgekauft. Bei diesen Akteuren handelt es sich beispielsweise um Banken, Hedge Fonds, andere Länder und sogar die US-Notenbank Federal Reserve.
Egal, wer diese Schuldenpapiere kauft, der Käufer wird automatisch zum Gläubiger der Regierung (des Volks) der Vereinigten Staaten. Die US-Regierung selbst kann das Geld nicht drucken, um die Rechnungen zu bezahlen, da sie das Geld nicht mehr eigenständig herausgibt. Ja sicher, das US-Finanzministerium druckt all die Banknoten, ausgegeben wird das Geld aber durch die Fed – und zwar gegen Zinsen.
Wenn wir also über Billionen Dollars an Haushaltsdefiziten sprechen, die innerhalb der nächsten zehn Jahre angehäuft werden, dann muss das Geld irgendwo herkommen. Dieses Geld wird von der Fed in Umlauf gebracht – gegen Zinsen. Und die Fed wird sich dafür aller Vorausschau nach immer mehr US-Staatsschulden kaufen, da der Rest der Welt langsam die Nase voll hat, die Waren und Dienstleistungen gegen unsere Papierschnipsel einzutauschen. Auf diese Art wird sich die US-Notenbank, was die Kontrolle des Geldes anbelangt, immer mehr der Europäischen Zentralbank angleichen.
Eine Frage der Souveränität
Die Idee, dass eine Gruppe von Ländern ihre wirtschaftlichen Strukturen verschmelzt, um einen mächtigen Handelsblock zu schaffen, hört sich oberflächlich betrachtet ziemlich gut an. Das ist in der Vergangenheit bereits mehrfach probiert worden, meistens zu Kriegszeiten, wo sich die Feinde der eigenen Feinde auf einmal in Freunde verwandeln.
Wir wollen hier garnicht die Vor- und Nachteile von multilateralen Wirtschaftspartnerschaften beleuchten, sondern vielmehr darauf hinweisen, dass solche Vereinbarungen immer mit einem Preis einhergehen. Und der dafür zu entrichtende Preis ist oftmals die nationalstaatliche Souveränität und Freiheit.
Die Eurozone ist eine Gruppe aus Ländern, die über viele Jahre hinweg im Grunde nur Party gemacht haben, anstatt zu arbeiten. Sie waren die Heuschrecken der berühmten Fabel „Die Ameise und die Heuschrecke“. Die Deutschen waren die Ameisen. Zum Leidwesen der Deutschen war ihre politische Führung weder mutig genug noch willens, sich aus der Europäischen Union zurückzuziehen und eigene Wege zu gehen.
Die Deutschen haben die meisten Anstrengungen und Ressourcen in die Europäische Union gesteckt und können nun dabei zu sehen, wie dank des Scheiterns ihrer eigenen politischen Führung und des finanziellen Fehlverhaltens ihrer Nachbarländer alles den Bach runtergeht. Für ein unabhängiges Deutschland wäre es sicherlich bedeutend einfacher gewesen, die Verluste einzugrenzen.
Genauso hätte ein unabhängiges Griechenland bei den Schuldenvereinbarungen mehr Entscheidungsspielräume gehabt, um die Zahlungsunfähigkeit zu verhindern bzw. hinauszuzögern. (Ja, wir sprechen hier von Zahlungsunfähigkeit und nicht von einem Anleihetausch.)
Amerika: Gefangen in der Schuldenmühle?
Und wo wir gerade beim Thema Souveränität und Hinterzimmer-Vereinbarungen sind, schauen wir uns doch einfach die Zwickmühle an, in der sich Amerika zurzeit wiederfindet – eine Zwickmühle, die zu weiten Teilen auf dieselben fiskalischen Verfehlungen zurückzuführen ist, wie sie in Griechenland und anderen Ländern beobachtet werden konnten.
Wir sollten in diesem Zusammenhang auch nicht aus dem Blick verlieren, dass es sich beim US-amerikanischen Banken- und Geldsystem im Grunde um dasselbe System handelt wie in Europa. Es gibt keine „nationale“ Zentralbank. Der Begriff „Federal Reserve“ ist ein Unwort, das von Anfang an dazu gedacht war, die Illusion zu erwecken, dass die ganze Veranstaltung irgendwie eine Regierungsoperation sei, und eine legale obendrein.
Die Bürger der Vereinigten Staaten werden von den verschiedenen internationalen Bank-Institutionen zusehends stärker vereinnahmt – durch die Aktivitäten der US-Regierung, die gigantische und mittlerweile permanente Haushaltsdefizite ausweist, durch die einzelnen US-Bundesstaaten, die im Grunde dasselbe tun, und durch die Aktivitäten der US-Bürger selbst, die ihre persönliche Freiheit auf dem Altar der Gier und der umgehenden Befriedigung ihrer Wünsche opfern.
Ja sicher fühlt sich das gut an, „alles haben zu können“ und dafür nur 20% zahlen zu müssen, aber ist man dadurch etwa frei? Irgendwann kommt der Punkt, an dem die Rechnungen bezahlt werden müssen. Die Griechen und andere lernen diese Lektion gerade, und die Reaktionen auf diese neue Realität waren gewalttätig.
Auch Amerika ist vor einer heftigen Wirtschaftkrise nicht gefeit. 2008 war nur das Vorspiel. Die Schulden türmen sich immer weiter auf, während die Souveränität aus dem Fenster fliegt. Bisher wurden Billionen auf die „Krise“ geworfen, ohne dass diese schlichten Wahrheiten auch nur im Ansatz adressiert worden wären.
Das ist auch der Garant dafür, dass es in Zukunft zu weiteren wirtschaftlichen und finanziellen Verwerfungen kommen wird. All jene, die bereits erfolgreich ihre Schuldenstände abbauen konnten, egal in welchem Umfang, werden in Zukunft mit weniger Problemen zu kämpfen haben als ohne diese Maßnahmen. Und all jene, die das nicht getan haben, werden ernten, was sie gesät haben.
Für den gewöhnlichen Analysten dürfte sich das wie eine unzulässige Vergröberung einer Krise anhören, die sich mittlerweile in der Tat in ein ziemlich kompliziertes Chaos verwandelt hat. Das heißt aber noch lange nicht, dass wir nicht in der Lage sind, all die schmucken Fachausdrücke und Formeln auseinanderzuklamüsern und auf einen Nenner zu bringen: Fakt ist, dass die Welt zurzeit dem Irrglauben verfallen ist, dass man Kredite aufnehmen kann, um sich in die Prosperität zu prassen.
Damit hat die Welt alles auf eine Karte gesetzt – in einem Spiel, das sie nicht gewinnen kann. Ich gehe davon aus, dass es künftig noch zu bedeutend massiveren Verwerfungen kommen wird, bevor das ganze Schuldendebakel vorbei ist.