Gold- und Silberanleger sollten bei ihren Investments immer die langfristige Perspektive im Auge behalten. Die weltweite Goldschmucknachfrage bricht auch in wirtschaftlichen Schwächephasen nicht ein, weil viele Menschen Gold den fortwährend an Wert verlierenden Papierwährungen vorziehen. Silber ist extrem unterbewertet
The Gold Report: Sie sind Analyst und Geologe. Würden Sie bitte erklären, was der grundlegende Unterschied zwischen dem Investieren in unedle Metalle und dem Investieren in Edelmetalle ist?
Vishal Gupta: Der entscheidende Unterschied besteht darin, dass es bei unedlen Metallen im Hinblick auf das Angebots-Nachfrage-Gleichgewicht mehr oder weniger nur um die entsprechenden Mengen geht. Die Welt braucht eine bestimmte Menge an unedlen Metallen, um die wirtschaftliche Wachstumsrate aufrecht zu halten. Kupfer wird beispielsweise bei Elektrokabeln benötigt, während Zink im Rahmen der Galvanisierung von Stahl gebraucht wird. Für unedle Metalle gibt es in der Industrie also ganz spezifische Anwendungsbereiche.
Gold erfährt seinen Wert eher aus der Währungs-Perspektive. Es gibt in der Tat nur sehr wenige industrielle Anwendungsbereiche für Gold. Das ist auch der Grund, warum es bei Gold so schwierig ist, das Angebots-und-Nachfrage-Gleichgewicht zu quantifizieren. Das führt zu den entsprechenden Verwerfungen, die sich im Goldmarkt beobachten lassen. Jeder bedeutende makroökonomische Meldung, die über die Nachrichtenticker geht, hat irgendwelche Auswirkungen auf den Goldpreis, ganz einfach, weil Gold als Währung gehandelt wird.
TGR: Sie haben darüber gesprochen, dass die Schmucknachfrage nicht einbricht, selbst wenn es bei den weltweiten Wirtschaften zu einer Abschwächung kommt. Warum ist das so?
VG: Ich wurde in Indien geboren und habe dort rund 16 Jahre gelebt, bevor ich nach Kanada zog. Indien ist mit Abstand der größte Goldeinzelhandelsmarkt der Welt. Die indische Hochzeitssaison, die sich von September bis Dezember erstreckt, ist für die Goldmärkte typischerweise die beste Zeit im Jahr.
Der Grund für diese traditionelle Goldnachfrage reicht in eine Zeit zurück, wo Gold als Währung zum Einsatz kam. Die Menschen in Indien erachten Gold als einen Rohstoff, der seinen Wert besser bewahren kann als Papierwährung. Wenn sie sich also untereinander Goldschmuck schenken, dann deshalb, weil sie in etwas investieren wollen, das sein Wert im Laufe der Zeit bewahren kann. Im Ergebnis können die Menschen dann in schlechten Zeiten, wenn die Märkte fallen und die Arbeitslosigkeit hoch ist, auf diese Goldreserve zurückgreifen und sie im Markt verkaufen.
TGR: Wenn Nordamerikaner an Goldinvestments denken, denn denken sie in erster Linie an Maple Leaves, Goldbarren, Goldmünzen oder andere physische Formen von Gold, in Indien denkt man jedoch in erster Linie an den Kauf eines Kolliers, Armreifens oder von Ohrringen. Ist das dieselbe Investmentdynamik in einem anderen Gewand?
VG: Ja, das ist völlig richtig. Gold konnte seinen Wert in der Vergangenheit besser bewahren als die Papierwährungen, speziell im Vergleich zur indischen Währung. Die indische Rupie hat innerhalb der letzten paar Jahrzehnte substantiell an Wert verloren, weshalb die Menschen eher einem physischen Rohstoff wie Gold ihr Vertrauen schenken, anstatt einer Papierwährung.
TGR: Am US-amerikanischen Aktienmarkt haben wir jede Menge Volatilität gesehen. Unterdessen ist ein substantielles Wachstum in der Industrie aber ausgeblieben. Nichtsdestotrotz scheint sich der Kupferpreis aktuell weiter bei rund USD 3,74 zu halten. Wenn wir uns kurz unedlen Metallen zuwenden: Wie ist Ihr Ausblick bezüglich der Angebots- und Nachfragesituation für Kupfer für die nächsten zwölf Monate?
VG: Ich erachte Kupfer immer als den führenden Marktindikator, wenn es um unedle Metalle geht. In der Vergangenheit ließ sich beobachten, dass immer dann, wenn die Märkte für unedle Metalle eine Trendwende eingeleitet haben, Kupfer das Metall gewesen ist, das diese Entwicklung angeführt hat.
Wir treten jetzt gerade in eine schwächere Rohstoffphase ein. Wenn sich die Rohstoffmärkte aufgrund des traditionellen Nachfraganstieges bei Rohstoffen im September/Oktober in rund fünf bis sechs Monaten erneut drehen, würde ich davon ausgehen, dass Kupfer diese Entwicklung bei den unedlen Metallen wieder anführen wird. An der London Metall Exchange ist Kupfer das wichtigste Metall. Immer wenn wir über unedle Metalle sprechen, geht es zunächst einmal um Kupfer, und danach wird alles andere besprochen …
TGR: Sie konzentrieren sich im Rahmen ihrer Arbeit also vornehmlich auf Minenunternehmen mit geringer Marktkapitalisierung?
VG: Ja, wegen meiner Ausbildung und meiner Arbeitserfahrung als Geologe. Als Geologe bin ich der Auffassung, dass ich mich am besten einbringen kann, wenn ich die Firmen in einer sehr frühen Entwicklungsphase analysiere. Hier kann ich mein Wissen dazu nutzen, Einschätzungen darüber abzugeben, welche Junior-Firmen über die besten Chancen verfügen, künftig zu produzierenden Minen zu werden und Umsatz zu generieren …
TGR: Über das Investment-Szenario bei Silber haben wir ja noch garnicht richtig gesprochen. Sind Sie auch bei Silber so positiv gestimmt wie bei Gold und Kupfer?
VG: Ich glaube, dass Silber aktuell sehr unterbewertet ist. Der Silbermarkt scheint dem Goldpreis zu folgen, aber Silber verfügt über so viele industrielle Anwendungsbereiche, dass man es entweder als Edelmetall oder aber auch als unedles Metall ansehen kann. Es gibt zahlreiche Silberunternehmen … die gerade erst an Bekanntheit gewinnen. Zurzeit existieren nur sehr wenige reine Silberminenfirmen. Und diese reinen Silberproduzenten fangen nun langsam an, Bewertungen zu erhalten, die traditionell nur den Produzenten von Gold und unedlen Metallen vorbehalten blieb …
TGR: Könnten Sie abschließend noch ein paar Worte bezüglich des Investierens in den aktuell sehr volatilen Märkten sagen?
VG: Ja mir ist klar, dass die Rohstoffmärkte große Verwerfungen durchgemacht haben. Die Leute sagen dann: „Oh, Gold ist von USD 1.750 pro Unze auf rund USD 1.670 pro Unze gefallen und die Rohstoffe fangen jetzt auch mit ihrem Einbruch an.“ Das ist aber nicht der Fall. Wenn man vergleicht, wo die Rohstoffmärkte in 2008 und 2009 standen und wo die Rohstoffmärkte heute stehen, dann haben wir in Wirklichkeit einen riesigen Wachstumssprung hingelegt. Und wir haben auch Niveaus gefunden, wo sich die Dinge stabilisieren.
Für eine Menge von Minenbetreibern ist das Goldpreisniveau von USD 1.500 pro Unze ideal. Das könnte dazu führen, dass eine Vielzahl weiterer Produktionsstätten in Betrieb genommen wird. Aus dieser Perspektive heraus ist für mich jeder Goldpreis von über USD 1.500 pro Unze eine ganz wunderbare Sache. Wenn man darauf aus ist, in die Rohstoffmärkte zu investieren, ist es hilfreich, sich eine langfristige Perspektive zu Eigen zu machen. Hat man bei Gold, Kupfer oder Silber eine solide, langfristige Investmentausrichtung, sollte man damit eigentlich jede Menge Geld verdienen.