Die Geschichte zeigt, dass während einer Staatsschuldenkrise nie alle Teile gleichzeitig in sich zusammenbrechen. Zunächst sind Europa und andere periphere Bereiche der Weltwirtschaft an der Reihe, bevor sich die Krise bis zur Kernökonomie durchfrisst
Martin Armstrong, Armstrongeconomics.com, 16.05.2012 (in Auszügen)
Im Folgenden sehen Sie eine Grafik von US-Staatsanleihen mit 30-jähriger Laufzeit. Das Chartmuster ist unmissverständlich. Die Flucht in Richtung Qualität ist noch nicht vorbei. Ich habe immer wieder davor gewarnt, dass Gold für seinen finalen Ausbruch gegenwärtig noch nicht bereit ist. Europa steht kurz davor auseinanderzubrechen, während die Sozialisten auf dem Schlachtfeld die Kontrolle übernehmen und die Inflation immer wahrscheinlicher wird – und dennoch sinkt Gold.
Wir haben es hier mit Phase 1 der Staatsschuldenkrise zu tun: Die internationale Kapitalflucht in Richtung Qualität aus einer Währung in die nächste. Ich hatte ja in der Vergangenheit bereits darauf hingewiesen, dass die USA die letzten sein werden, die den Abgang machen – nicht die ersten!
„Während dieser neuen Phase der Depression trieb es den Flüchtling Gold und die ausländischen Deviseneinlagen durch Ängste befeuert fortwährend von einem Ort des Planeten zum nächsten. Wir mussten mit ansehen, wie die Währungen zermürbt und die Regierungen in Verlegenheit gebracht wurden, während das Gold aufgrund der Angst von einem Land zum nächsten trieb. Fakt ist, dass es eine Masse an Gold und kurzlaufenden Krediten gab, die sich auf dem sturmgetriebenen Schiffsdeck der Welt wie ein unsicherer Kanonist verhielten.“ – US-Präsident Herbert Hoover, Memoires, Band II
… Mein Lieblingszitat zur Schuldenkrise der 30er Jahren des 20. Jahrhunderts stammt von Herbert Hoover. Es sind außerordentlich lehrreiche Worte. Wer sich neues Wissen aneignen will, muss sich einen offenen Geist bewahren. Wenn man der Auffassung ist, dass man bereits alles weiß, und auch nicht gewillt ist zuzuhören, sollte man besser als Regierungsbürokrat anheuern.
Ich habe davor gewarnt, dass die Vereinigten Staaten die letzten sein würden, die fallen, was schlicht damit zusammenhängt, dass es sich bei den USA um die Kern-Ökonomie und das Land mit der Weltreservewährung handelt. Ich habe auch davor gewarnt, dass im Rahmen des Zusammenbruchs nicht alles gleichzeitig in Schutt und Asche gelegt wird. Die einzelnen Komponenten werden nacheinander zusammenbrechen. Und das ist nicht meine Meinung, sondern Geschichte!
In der oben stehenden Grafik sehen Sie die Entwicklung des US-Dollars während der chaotischen Phase der Staatsschuldenkrise von 1931. Wie aus der Grafik hervorgeht, stieg der US-Dollar auf Rekordhochs, während Europa vollständig in sich zusammenbrach. Das ist die Phase, die wir jetzt zunächst einmal durchlaufen müssen.
Das ist auch der Grund dafür, warum ich eingangs die Wertentwicklung der 30-jährigen US-Staatsanleihen gezeigt habe. Der Chart veranschaulicht, dass diese Papiere im Rahmen ihrer finalen Rally nach oben hin ausbrechen, während Europa kollabiert. Ja es kommt zu Bürgerunruhen – doch was die US-amerikanischen und deutschen Regierungsvertreter nicht begreifen, ist, dass wir es bei der Renditeentwicklung mit einer Glockenkurve und nicht etwa mit einer linearen Entwicklung zu tun haben.
Sicher, steigende Zinssätze können Kapital anziehen – doch wenn das Kapital flüchtet, setzt sich der Zinsanstieg aufgrund des einsetzenden Kapitalmangels weiter fort! Nichts bewegt sich linear. Das Großkapital flüchtet aus Europa – und zwar in Richtung Staatsschulden, weil Staatsschulden extrem liquide sind und riesige Geldmengen absorbieren können.
Die Gold-Bugs werden jetzt sagen, dass Gold 1931 Geld war, weshalb die Kapitalflucht in Richtung Gold und nicht in Richtung US-Dollar erfolgte. Sorry – es war eine wilde Flucht in Richtung „Geld“, nämlich in Richtung des US-Dollars, und das wird immer so sein, ganz egal, was gerade als Geld fungiert.
Wenn Gold als Geld verwendet wird, fällt sein Wert während der Inflation, während er während deflationärer Phasen zulegt. Wenn Gold als Geld verwendet wird, ist das also das genaue Gegenteil von dem, was heute beobachtet werden kann, wo Gold lediglich als Vermögenswert gehandelt wird. Gold ist kein Geld, sondern ein Vermögenswert, und man sollte besser mit dem Fiatgeld-Unsinn aufhören, bevor man dadurch noch sein letztes Hemd verliert.
Was man verinnerlichen sollte, ist etwas, das ich als den Vertrauenskampf zwischen staatlichen und privaten Vermögenswerten bezeichne. Genauso gut könnte man es auch die Flucht in Richtung Qualität nennen, die sich während einer Krise beobachten lässt. Dieser Aspekt steht im Zentrum der weltweiten Kapitalflüsse, da es der maßgebliche Faktor dafür ist, wie sich Kapital zwischen privaten und staatlichen Vermögenswerten hin und her bewegt.
Die Flucht in Richtung Qualität wird immer dann vom Zaum gerissen, wenn das Vertrauen in private Vermögenswerte zusammenbricht. Die Investoren sind in Panik, verkaufen ihre privaten Vermögenswerte und flüchten sich in Staatsanleihen, was zu einem massiven Einbruch bei den Renditen für Staatsanleihen führt.
Während der Krisenjahre 2007, 2008 und 2009 fielen die Zinssätze in den USA praktisch auf null. Mit anderen Worten: Die Menschen sind bereit, auf Zinsen zu verzichten, um ihr Geld an einem sicheren Ort zu parken – und Staatsschulden wurden als sichere Papiere erachtet, da die Menschen befürchteten, dass selbst die Banken die Krise nicht überleben würden …
Die Flucht in Richtung Qualität verändert auch die Auffassungen innerhalb einer Gesellschaft. Der Glaube, man müsse sich ein Eigenheim kaufen und dieses Eigenheim seien dann die Ersparnisse, ist auf die Große Depression zurückzuführen.
Und auch während der jüngsten Krise brachen die Grundstückspreise zusammen, während man mithilfe der Jumbo-Hypothek mit 30-jähriger Laufzeit versuchte, den zusammengebrochen Immobilienmarkt wiederzubeleben. Der Glaube an Immobilien ist ein Phänomen, das ausschließlich auf die Große Depression zurückzuführen ist.
Nach der Großen Depression glaubten die Menschen auch, dass Staatsanleihen „sicher“ seien, während Unternehmensaktien als großes Risiko erachtet wurden. Diese Auffassung führte zu dem Allzeittief der Buchwerte von Aktiengesellschaften und dem Übernahme-Boom Mitte der 80er Jahre.
Die Aktienpreise fielen 1977 auf Rekordtiefs, so dass man nur die Aktien kaufen brauchte, dann die Vermögensbestände der Unternehmen abstieß, und so sein Geld ganz einfach verdoppeln konnte. Die Unternehmen waren massiv unterbewertet, während das Vertrauen in die Regierung 1981 seinen Höhepunkt erreichte – exakt in dem Monat, wo Paul Volcker die Zinssätze auf wahnsinnig hohe Niveaus anhob, um die Inflation zu bekämpfen.
Diese Unterbewertung des Aktienmarkts war eine direkte Folge der Flucht in Richtung Qualität, die gemeinsam mit der damit einhergehenden Verhaltenseinstellung ungefähr alle 52 Jahre zum Tragen kommt.
Diese Flucht in Richtung Qualität ist immer der zentrale Bestandteil der Kapitalbewegungen. Während der Privaten Welle sind Investments und Spekulationen omnipräsent. Während der Staatlichen Welle werden private Vermögenswerte als zunehmend riskanter erachtet, während es sicherer scheint, der Regierung zu vertrauen und in Staatspapiere zu investieren.
Die Verstaatlichung des Goldes erfolgte, da die Welle, die im Jahre 1929 ihren Höhepunkt erreichte, eine Private Welle war und der Staat versuchte, die Macht an sich zu reißen. Die Menschen horteten ihr Bargeld (Gold) außerhalb des Bankensystems, weil sie den Banken nicht trauten, und Staatsanleihen vertrauten sie ebenfalls nicht, da 1931 auf zahlreiche Staatsanleihen die Zahlungsunfähigkeit erklärt worden war.
Der offizielle Grund der Verstaatlichung von Gold war jedoch der allgemeine Zusammenbruch des Vertrauens gegenüber staatlichen wie auch privaten Vermögenswerten, der wirtschaftlich harte Zeiten mit sich brachte und die Menschen dazu veranlasste, Gold zu horten. Dieser Trend sorgte dafür, dass die Geldversorgung immer stärker verknappt wurde, was zu einer Absenkung der Geldumlaufgeschwindigkeit führte und das Wirtschaftswachstum reduzierte. Man ging davon aus, dass diese Dynamik die Depression bedeutet verschlimmerte – was natürlich eine rein US-amerikanische Sicht der Dinge war.
Die New York Times meldete bezüglich der Präsidialverfügung 6102 am 06.04.1933:
„Das Horten von Gold – Die gestern vom Präsidenten erlassene Exekutivorder verstärkt und konkretisiert seine früheren Warnungen gegen das Horten. Am 06. März berief er sich auf eine Kriegsgesetzgebung, die noch nicht aufgehoben wurde, und verbot das Horten ´von Gold- und Silber-Münzen, Barren oder Währung`, das mit einer Strafe von USD 10.000 und/oder fünf bis zehn Jahren Gefängnishaft belegt wurde.“
Zu verstehen, womit wir es hier eigentlich zu tun haben, ist für unser Überleben von entscheidender Bedeutung. Wir müssen begreifen, dass man die Katastrophe buchstäblich herbeifleht, wenn man sich mit seinen Prognosen lediglich auf einen einzelnen Markt konzentriert. Will man die wirklichen globalen Implikationen von Kapitalbewegungen erfassen, ist es notwendig, sich die weltweiten Zusammenhänge vor Augen zu führen.
Im September/Oktober dieses Jahres dürfte die Volatilität erheblich zunehmen. Bis Jahresende dürfte sich die Realität einstellen. Sie halten sich also besser gut fest – es wird verdammt holprig werden.