Jeffrey Nichols, Nicholsongold.com, 24.05.2012
Für zahlreiche Analysten und Investoren ist die jüngste Gold-Performance mit Sicherheit einfach nur enttäuschend gewesen, da sie auch für 2012 mit einem weiteren kometenhaften Anstieg des gelben Metalls gerechnet haben. Aber das Jahr ist ja noch lange nicht vorbei … genauso wenig wie der säkulare Goldbullenmarkt.
Ich gehe davon aus, dass wir eine Trendwende sehen werden und Gold wieder auf neue Allzeithochs gesendet wird – wenn nicht in diesem Jahr, dann mit Sicherheit in 2013. Darüber hinaus könnte der seit über einem Jahrzehnt andauernde Preisanstieg des Metalls noch weitere fünf bis zehn Jahre anhalten, wenn man die noch vor uns liegenden globalen wirtschaftlichen Herausforderungen bedenkt.
Die kurzfristigen Aussichten bezüglich der Goldpreisentwicklung bleiben hingegen unsicher. Bisher wurde Gold weit unter seinem Allzeithoch vom September vergangenen Jahres in Höhe von USD 1.924 pro Unze gehandelt. Das gelbe Metall liegt jetzt sehr nah an der Marke von USD 1.520 pro Unze, dem Tief, das im Dezember 2012 erreicht wurde, und es scheint, als würde es sich bei diesem Preisniveau um eine schwache Stützungslinie handeln.
Wir hatten ja bereits in der Vergangenheit davor gewarnt, dass ein Rückfall auf USD 1.520 pro Unze oder gar ein Einbruch unter diese Marke auf alle Fälle denkbar ist, bevor Gold seinen langfristigen Aufstieg wieder fortsetzt.
Doch was könnte der Auslöser des nächsten Aufwärtsschubs sein, der Gold erneut in jungfräuliche Bereiche treibt?
Die Antwort ist: Eine weitere Welle geldpolitischer Lockerungsmaßnahmen, und zwar nicht nur seitens der US-Notenbank Federal Reserve, sondern auch seitens der Europäischen Zentralbank, anderer europäischer Zentralbanken, der chinesischen Zentralbank, der indischen Zentralbank und einer ganzen Reihe weiterer Zentralbanken, die nicht mit ansehen wollen, wie ihre Währungen gegenüber dem US-Dollar aufwerten.
In den USA und China dürfte die anhaltende Schwäche ihrer Wirtschaften in Verbindung mit niedrigen Rohstoffpreisen und einer geringen Verbraucherpreisinflation der Auslöser für weitere monetäre Reflationsmaßnahmen sein. Die EZB hingegen wird nicht bloß auf die schnell schrumpfenden Wirtschaften reagieren müssen, sondern das größte Rettungspaket aller Zeiten auflegen.
Die nach dem September-Hoch einsetzende Trendwende bei Gold und die anhaltend schwache Performance des gelben Metalls sind ein Spiegelbild des titanenhaften Tauziehens zwischen den kurzfristig orientierten institutionellen Händlern – die im Derivatemarkt agieren und Papier-Gold-Stellvertreter nutzen, also Papiere, die in unbegrenzter Menge ausgegeben werden können und von ihnen im Grunde auch selbst geschaffen werden – und den physischen Märkten, wo langfristig orientierte Investoren, Schmuckhändler und Zentralbanken nach wie vor in zunehmendem Maße physisches Gold akkumulieren.
Der physische Goldmarkt – also die reale Welt von Angebot und Nachfrage – ist es, der den langfristigen Preisdurchschnitt des Metalls bestimmt. Und hier sind die Fundamentaldaten unzweideutig außerordentlich positiv. Fakt ist, dass die Fundamentaldaten dank der anhaltenden Zentralbankkäufe, der steigenden chinesischen Privatnachfrage (trotz der Hinweise auf eine makroökonomische Abkühlung in China) und der begrenzten Minenversorgung zunehmend bullischer werden.
Hier ließe sich noch hinzufügen, dass die weltweite Goldminenproduktion in den letzten Jahren ausgeweitet werden konnte, doch kam ein Großteil dieser Produktionszuwächse aus China und Russland – also aus Ländern, wo jede heimisch produzierte Goldunze durch Aufkäufe der eigenen Zentralbank, der Privatinvestoren und der Schmuckherstellern absorbiert wird.
Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Europa gegenwärtig immer tiefer in der Rezession versinkt, von Griechenland, über Spanien bis hin zu Portugal und Italien Bank-Runs stattfinden, ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone immer wahrscheinlicher wird und die Europäische Union erste Risse zeigt, würde man normalerweise davon ausgehen, dass Gold bereits auf bedeutend höheren Preisniveaus liegen müsste.
Stattdessen schlug die Flucht aus dem Euro zugunsten des US-Dollars aus – und der Anschein eines stärkeren US-Dollars hat dazu beigetragen, dass die institutionellen Händler und Spekulanten kurzfristig gegen Gold wetteten.
Der US-Dollar ist aber lediglich das am beste aussehende Pferd auf dem Weg ins Schlachthaus und sein jüngstes Wiederstarken ist lediglich eine Reflektion der Euro-Schwäche. Der Anstieg des Dollars wird weder durch eine gesunde amerikanische Wirtschaft noch durch eine solide Geld- und Fiskalpolitik der USA gestützt.
Die maßgeblichen kurzfristig orientierten Akteure im Goldmarkt sind eine kleine Zahl von Banken, Hedge Fonds und Finanzfirmen, die mit Kredithebeln und bisweilen sehr geringen Geldhinterlegungen mit Gold-Futures, Gold-Optionen und zunehmend auch außerbörslichen Derivaten handeln, anstatt mit dem physischen Metall. Diese Händler werden von der Notwendigkeit getrieben, kurzfristige Spekulationsgewinne zu realisieren.
Den überwiegenden Teil des vergangenen Jahres wetteten die Spekulanten (als Gruppe gesehen) auf steigende Preise, was zu dem kometenhaften Aufstieg im Sommer 2011 mit beitrug. Durch ihre Aktivitäten in 2011 haben sie aber unmissverständlich demonstriert, dass sie Gold langfristig nicht als Inflationsschutz, Portfolio-Diversifikation oder als Versicherung gegen wirtschaftliche oder politische Risiken erachten.
In jüngerer Zeit waren es genau diese kurzfristig orientierten Marktakteure gewesen, die auf der Short-Seite des Marktes operierten, wodurch sie dem Goldpreis eine erhöhte Volatilität bescherten …. und die mit Sicherheit wieder einsetzenden Preisanstiege für geraume Zeit aufhielten.
An irgendeinem Punkt – vielleicht wenn die Wirtschaft und der Finanzmarkt Griechenlands einen Schlaganfall erleidet oder das Land die Drachme wieder einführt oder die Seuche des Vertrauensverlusts auf andere gefährdete und überschuldete Länder übergreift – wird Gold bei diesen Händlern und Spekulanten auf einmal wieder trendy sein und abermals als Möglichkeit zur Gewinngenerierung dienen.
Alternativ wäre noch denkbar, dass die Europäische Union und die Europäische Zentralbank zu Hilfe eilen, und auf Euros lautende „vergemeinschaftlichte“ Schulden ausgeben – eine europäische Version der Staatsanleihen des US-Finanzministeriums sozusagen – um genügend Geld für die Rettung von Griechenland und den anderen massiv verschuldeten Ländern sowie den im Grunde insolventen Privatbanken, die viel zu viel europäische Staatsschulden halten, bereitstellen zu können.
Eine solche Rettung hätte jedoch zur Folge, dass die Inflation in Kontinentaleuropa bedeutend stärker ansteigen und der Euro nachhaltig abwerten würde. Dann würde nicht mehr nur der US-Dollar gegenüber dem Euro aufwerten, sondern wahrscheinlich auch Gold – und zwar aus Gründen, auf die ich in der Vergangenheit bereits vielfach hingewiesen habe.