Wer soll die völlig überschuldete Eurozone jetzt noch retten – die EZB, die Fed, der IWF, Deutschland oder vielleicht China? Keine Institution und kein Land der Welt ist in der Lage, die Eurozone vor dem Untergang zu bewahren. Jeder Bürger sollte stattdessen seine eigenen Rettungsmaßnahmen einleiten, solange ihm noch Zeit dazu bleibt

Graham Summers, Gainspainscapital.com, 24.05.2012

Die Medien verbreiten Unmengen an Falschdarstellungen und Fehlanalysen im Hinblick auf die Situation in Europa. Hier sind die Fakten:

1. Die Europäische Zentralbank ist am Ende. Nachdem sie mithilfe des LTRO1- und LTRO2-Programms bereits über EUR 1 Billion zur Verfügung gestellt hat und über EUR 700 Milliarden an PIIGS-Schulden aufkaufte, läuft sie jetzt selbst Gefahr, in die Zahlungsunfähigkeit abzurutschen. Die EZB ist schlicht nicht in der Lage, weitere LTRO-Programme aufzulegen, da

a) die Banken, die die LTRO-Hilfsgelder akzeptierten, vom Markt abgestraft werden, was ein Hinweis darauf ist, dass die EZB-Finanzierung für den Ruf einer Firma im Markt einfach nur tödlich ist,
b) die positiven Effekte des LTRO2-Programms gerade einmal einen Monat anhielten, während es beim ersten LTRO-Programm noch mehre Monate waren.

2. Die US-Notenbank Federal Reserve kann ebenfalls nicht einspringen, um die Eurozone zu retten. Ja ich weiß, dass in der Blogosphäre behauptet wird, die Fed würde nun einfach die Druckerpresse anwerfen, um das Ruder herumzureißen, doch die Leute, die das schreiben, vergessen dabei, dass:

a) das letzte Mal, als die Fed die Druckerpressen anwarf (und da ging es nur um USD 600 Milliarden), die Nahrungsmittelpreise auf Allzeithochs kletterten und überall auf der Welt Revolutionen ausbrachen,
b)die US-Notenbank in den USA unter massiven politischen Druck geraten ist, was sie dazu zwang, Schadenskontrolle zu betreiben (Bernankes öffentliche Reden und die neuen Fragestunden der Fed), und
c) in den USA Wahljahr ist. Die Fed hat alles in ihrer Macht stehende getan, um die Wiederwahl Obamas sicherzustellen. Und zwar aus gutem Grund: Obama hat Bernanke erneut im Amt bestätigt und die Republikaner haben die US-Notenbank jetzt als bedeutendes Problem ins Fadenkreuz genommen. Sollte die Fed eine weitere massive Gelddruckkampagne starten, würde Obama die Präsidentschaftswahlen mit Sicherheit verlieren.

3. Der Internationale Währungsfonds ist ebenfalls nicht in der Lage, bei der Rettung der EU-Pleitestaaten einzuspringen, weil

a) er im Grunde eine von den USA gestützte Organisation ist,
b) das politische Umfeld in den USA keine weitere EU-Rettung erlaubt (siehe die negativen politischen Reaktionen auf die Absenkung der Kosten für Dollar-Swaps im November 2011), und
c) in den USA Wahljahr ist: Wie oft soll der IWF bei den USA eigentlich noch um zusätzliche Finanzierung anfragen und zurückgewiesen werden?

4. Deutschland hat politisch gesehen die Nase gestrichen voll und ist finanziell am Ende seiner Kräfte:

a) Dank Merkels Unterstützung für die EU wird ihre Partei, die CDU, in den Landtagswahlen vernichtet. Und Merkel tritt in 2013 zur Wiederwahl an.
b) Merkel begeht gerade politischen Selbstmord, indem sie Deutschland für die Probleme Europas haftbar macht. Und wo wir gerade dabei sind …
c) Deutschland hält bereits mit der Euro-Krise in Zusammenhang stehende Risiken in Höhe von über EUR 1 Billion … Ferner gelang es der Europäischen Zentralbank, Regelungen zu treffen, die es ihr erlauben, ihre eigenen Verluste aus dem PIIGS-Portfolio auf die Zentralbanken der einzelnen Euroländer (lies: Deutsche Bundesbank) abzuwälzen.
d) In Deutschland macht sich nun bereits die Inflation bemerkbar, und das wird gerade zu einem politischen Thema. Dafür braucht man sich nur die jüngsten Forderungen der Gewerkschaften (und deren Erfolge) bei den Tarifverhandlungen anzusehen.
e) Die deutsche Verfassung verbietet die Schaffung von Eurobonds.
f) Sollte Deutschland zusätzliche Rettungspakete oder -finanzierungen zulassen, wird es seine AAA-Bonitätsnote verlieren, was hieße, dass es dann in Europa überhaupt keine große Wirtschaft mit höchster Kreditwürdigkeit mehr gäbe, auf die man sich im Notfall noch zurückziehen könnte.

5. Und auch China kann in Europa nicht den Retter spielen:

a) Die Chinesen haben ihr eigene Wirtschaft mit Liquidität vollgepumpt und daher nun mit Inflation zu kämpfen, und das bei gleichzeitiger Wirtschaftsabschwächung. Das bedeutet, dass
b) die chinesische Regierung gerade beginnt, ihre ohnehin bereits dürftige Kontrolle über ihre eigene Bevölkerung zu verlieren. Und das heißt wiederum, dass
c) die Chinesen sich auf inländische Probleme und nicht auf die Rettung Europas konzentrieren werden. Wann haben wir in den Medien eigentlich das letzte Mal von der „China stützt die EU“-Story gehört?

6. Deutschland und andere Euroländer haben bereits Maßnahmen ergriffen, um sich vor einem Auseinanderbrechen der EU zu schützen. Im Falle Deutschlands beinhalteten diese Maßnahmen:

a) die Reaktivierung des Bankenrettungsfonds mit einer potenziellen Feuerkraft von EUR 480 Milliarden, um den deutschen Banken im Falle einer Krise beizustehen,
b) die Schaffung eines rechtlichen Rahmens, der es den deutschen Banken ermöglicht, ihre EU-Anleihen im Rettungsfonds zu versenken, sollte dies notwendig werden, und
c) die Implementierung von Schutzklauseln in den Verträgen zwischen deutschen und griechischen Unternehmen, die auch eine Umstellung auf die Drachme erlauben.

7. Die EZB hat ebenfalls Schutzmaßnahmen getroffen, die es ihr erlauben, die Verluste aus ihren PIIGS-Beständen auf die Zentralbanken der einzelnen Euroländer abzuwälzen.

8. Spanien steht kurz vor dem Zusammenbruch seines Bankwesens. Die Bemühungen der Regierung, das spanische Bankwesen durch die Fusion insolventer Banken und das Verschieben der Verluste in die Bilanz des Staates zu retten, haben sich als absoluter Reinfall herausgestellt, was darauf zurückzuführen ist, dass

a) sich die Gesamtsumme aller ausstehenden Kredite spanischer Banken auf rund 170% des spanischen BSP beläuft,
b) die Zahl fauler Kredite in den Büchern spanischer Banken jüngst auf ein 18-Jahreshoch schoss,
c) die spanischen Banken allein in diesem Jahr 20% ihrer Schulden prolongieren müssen,
d) der spanische Privatsektor mit rund 300% des spanischen BSP verschuldet ist.

Noch einmal in aller Deutlichkeit: Die Machthaber in Europa haben nun bereits die vergangenen zwei Jahre damit zugebracht, hunderte Milliarden von Euros, wenn nicht gar Billionen in der EU-Krise zu versenken, und stecken jetzt in einer Falle, aus der es kein Entrinnen mehr gibt.

Es gibt keine Organisation auf dem Planeten, die in der Lage wäre, Europa zu retten. Diese Idee Geschichte.

Und die Vorstellung, dass ein Pleiteland – selbst Deutschlands reales Schulden/BSP-Verhältnis liegt bei über 200%, wenn man die nichtfinanzierten Verbindlichkeiten hinzurechnet – verschiedene andere Pleiteländer retten könnte, ist einfach nur lächerlich.

Und all diese Entwicklungen finden genau zu der Zeit statt, wo Spanien kurz vor dem Kollaps steht.

Das sind die wahren Verhältnisse in Europa. Jeder, der diesbezüglich irgendwelche Gegenargumente vorbringt, hat entweder keine Ahnung, in welchem politischen Umfeld wir uns gegenwärtig befinden – selbst die Zentralbanken haben mittlerweile genug davon, sich dem Druck ihrer Politiker zu beugen – oder hofft ganz einfach darauf, dass die Realitäten schon irgendwie verschwinden würden, wenn man sie nur beharrlich genug ignoriert.

Sie werden aber nicht verschwinden. Das gesamte europäische Bankensystem befindet sich zurzeit in einer Krisengefahr wie der des Jahres 2008 – nur mit dem Unterschied, dass das europäische Bankensystem viermal so groß ist wie das US-amerikanische.

Und wer bisher nicht bereitgewesen ist, sich auf den bevorstehenden Zusammenbruch vorzubereiten, sollte das schleunigst tun. Die USA werden auch nicht ungeschoren davon kommen. Alle werden in Mitleidenschaft gezogen werden. Das weltweite Bankensystem ist viel zu stark vernetzt: Einige Schätzungen veranschlagen die US-amerikanischen Risiken im Hinblick auf die Krise in Europa mit rund USD 1 Billion.

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