Der globale Derivatemarkt kann das Eigenkapital einiger der weltgrößten Banken jederzeit in Rauch aufgehen lassen und so zum Auslöser einer neuen Finanzpanik werden. Wer das nicht wahrhaben will, kann sich ja noch einmal mit den Ereignissen des Jahres 2008 auseinandersetzten, wo der Derivatemarkt die Banken in den Abgrund zog, woraufhin der Steuerzahler sie großzügig retten durfte

David Chapman, MGI Securities, 26.05.2012

Die nachfolgende Grafik ist in der Tat ziemlich heftig. Der Chart wurde am 20.05.2012 auf Global Research in dem Artikel „Finanz-Implosion: Globaler Derivatemarkt ist mit USD 1,2 Billiarden … 20 Mal größer als die Weltwirtschaft“ veröffentlicht, und es lohnt sich, ihn hier noch einmal aufzugreifen.

Die Grafik weist die Vermögenswerte der fünf größten US-amerikanischen Banken im Vergleich zu ihren Derivatepositionen aus. Die Derivate stellen die Vermögensbestände der Banken in den Schatten – und Wachovia und HSBC gehören ja noch nicht einmal zu den größten US-amerikanischen Derivatehaltern.

Die fünf Institute mit den größten Derivatebeständen sind in absteigender Reihenfolge: JPMorgan Chase, Bank of Amerika, Morgan Stanley, Citigroup und Goldman Sachs. Die anderen US-amerikanischen Banken halten bedeutend weniger Derivate als die wichtigsten Marktakteure.

Der weltweite Derivatemarkt wird gegenwärtig mit rund USD 1,2 Billiarden veranschlagt. Eine Schätzung des Marktvolumens ist außerordentlich schwierig. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) wies in ihrem Bericht vom Dezember 2011 Derivate in Höhe von USD 647 Billionen aus.

Marktbeobachter, die zu dem Thema bereits Bücher geschrieben haben, gehen jedoch davon aus, dass der Markt in Wirklichkeit viel größer ist und sich auf rund USD 1,2 Billiarden belaufen dürfte. USD 1,2 Billiarden entsprechen dem 20-fachen des weltweiten Bruttosozialprodukts, das mit rund USD 60 Billionen bis USD 70 Billionen pro Jahr veranschlagt wird.

Der weltweite Derivatemarkt ist ein völlig unregulierter Markt, weshalb es durchaus möglich ist, dass bedeutende Marktvolumina überhaupt nicht gemeldet werden. Die Finanzinstitutionen betreiben diesbezüglich bereits seit Jahren erfolgreich Lobbyarbeit, weshalb bisher jeder Versuch, diesen Markt zu regulieren, vereitelt wurde.

Rund 75% aller weltweiten Finanzderivate sind Zins-Kontrakte (Zinstermingeschäfte, Zins-Swaps (das ist der größte Bestandteil) und Optionen auf Zinssätze). Die zweitgrößte Position sind Devisen-Kontrakte, die aber lediglich 10% des Gesamtmarkts ausmachen. Die drittgrößte Kategorie sind Kreditausfallversicherungen (CDSs) mit einem Marktanteil von gerade einmal 4%. Bei den restlichen Finanzderivaten handelt es sich um Rohstoff- und Aktien-Kontrakte.

Wie eingangs erwähnt, veranschlagte die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich den weltweiten Derivatemarkt im Dezember vergangenen Jahres mit USD 647 Billionen. Die Zahl der BIZ ist aber nur eine Schätzung der außerbörslich gehandelten Derivate, also der sogenannten OTC-Derivate. Die BIZ erfasst keine börslich gehandelten Derivate.

Das Bruttokreditrisiko aller außerbörslich gehandelten Finanzderivate wird mit USD 3,9 Billionen veranschlagt. Laut Banks Daily beläuft sich die Marktkapitalisierung der weltgrößten Banken, also der Banken, die am ehesten am weltweiten Derivatemarkt beteiligt sein dürften, auf USD 2,6 Billionen. Das potenzielle Kreditrisiko der Derivate übersteigt das Eigenkapital der Banken also bei Weitem.

Der weltweite Derivatemarkt wird von fünf großen US-amerikanischen Banken dominiert. Wenn wir hier einmal die Zahl der BIZ von USD 647 Billionen zu Grunde legen, dann ist JPMorgan Chase mit Papieren im Nominalwert von mindestens USD 70 Billionen, wenn nicht gar USD 80 Billionen der größte Derivate-Player auf dem Planeten. Diese Derivate stehen einer Vermögensbasis von USD 1,8 Milliarden bis USD 2,2 Milliarden gegenüber.

Es wird geschätzt, dass JPMorgan Chase gegenwärtig Kreditrisiken in Höhe von 256% seines Eigenkapitals hält. Bei den fünf größten US-Banken liegt dieses Verhältnis bei 316%. Das geschätzte weltweite Derivaterisiko ist bedeutend größer als die Marktkapitalisierung der weltgrößten Banken.

Die fünf größten US-amerikanischen Banken halten mindestens USD 290 Billionen an Finanzderivaten, was laut Schätzung der BIZ einem Marktanteil von 44% aller weltweit gehandelten Finanzderivate entspricht. Die Banken verfügen über Aufrechnungsvereinbarungen, mit denen angeblich 90% des gesamten Derivatemarkts abgedeckt werden.

Das Problem ist nur, dass diese Ausgleichsvereinbarungen lediglich ein Stück Papier sind, mit der die Realität verschleiert wird, dass, sollte einer der großen Akteure kollabieren, das ganze System in Gefahr gerät.

Dafür brauchen wir ja bloß auf den Kollaps der American International Group (AIG) zurückzublicken, wo die Vereinbarungen zur Saldierung der Derivate auf einmal völlig bedeutungslos wurden. Das Aktienmarktkapital von AIG wurde völlig ausgelöscht. Die Rettung von AIG mit Steuerzahlergeld diente im Grund dazu, die Integrität von Goldman Sachs, Morgan Stanley und den anderen großen Derivate-Akteuren zu retten.

JPMorgan Chase gab jüngst Verluste von USD 2 Milliarden im Derivategeschäft bekannt, da eine Absicherungswette nach hinten losging. JPMorgan Chase räumte später ein, dass die Verluste bereits bei USD 3 Milliarden liegen würden. Ein paar Tage darauf wurde die Verlustschätzung in einem Artikel des Wall Street Journal auf USD 8 Milliarden ausgeweitet. Später behaupteten dann verschiedene Quellen, der Verlust beliefe sich auf USD 18 Milliarden.

Das Problem ist nur, dass JPMorgan Chase bezüglich all dieser Gerüchte bisher Stillschweigen bewahrt und die Zahlen weder bestätigte noch dementierte. Also, was geht hier eigentlich vor sich?

Der weltweite Derivatemarkt ist riesig. Die Verluste in diesem Bereich könnten rasch so stark anwachsen, dass das Eigenkapital einiger der größten Banken ausgelöscht würde und diese dann einer Rettung bedürften, die vom Umfang her sogar noch größer ausfiele als die Rettungsmaßnahmen in 2008. Einige haben den weltweiten Derivatemarkt auch als ein riesiges Casino bezeichnet.

Und, könnte ein Vorkommnis im weltweiten Derivatemarkt die nächste Finanzpanik auslösen? Es geschah bereits in 2008 und seitdem hat sich praktisch nichts geändert – außer dass der Derivatemarkt mittlerweile sogar noch größer geworden ist.

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