Gold wird gegenwärtig zu einem immer bedeutenderen Vermögensbestandteil der Zentralbanken der Schwellen- und Entwicklungsländer. Es könnte einige Jahre dauern, bis die Märkte diese Tatsache vollständig verdaut und eingepreist haben – verlassen sollte man sich darauf aber nicht
Michael J. Kosares, USAGold.com, 01.06.2012
Im jüngsten Bericht des World Gold Council (WGC) heißt es:
„Die Zentralbanken setzen ihre Goldkäufe fort: Die [im ersten Quartal 2012] erfassten Nettokäufe beliefen sich auf 80,8 Tonnen, was rund 7% der weltweiten Goldnachfrage entspricht. Die Zentralbanken verschiedener Länder stockten die Gesamtbestände des Staatssektors auf, wobei einige Banken beträchtliche Zukäufe tätigten. Die Diversifikations-Anforderungen und das Wachstum der Devisenreserven einer Reihe von Ländern deuten darauf hin, dass sich dieser Trend in Zukunft weiter fortsetzt.“
Bleiben wir noch einen Augenblick bei dieser Analyse. Der World Gold Council hat sich jetzt nämlich dazu entschlossen, „die Käufe des Staatssektors als ein Element der Goldnachfrage“ zu erachten. Die Zentralbanken tauchen in seiner Übersicht zu den Gold-Fundamentaldaten jetzt also nicht mehr wie zuvor üblich auf der Angebotsseite, sondern auf der Nachfrageseite auf. Der WGC merkt dazu an: „Die Nettokäufe des Staatssektors sind nun ein etablierter Trend, der wahrscheinlich auf absehbare Zeit anhalten wird.“
In Wirklichkeit handelt es sich hierbei aber nicht bloß um eine symbolische Veränderung der Dokumentation des WGC, sondern um einen bedeutenden Wandel der dem Goldmarkt zu Grunde liegenden Dynamik.
In 2002 trugen die weltweiten Zentralbanken mit Goldverkäufen in Höhe von 545 Tonnen noch zur Versorgung bei. In 2011, also zehn Jahre später, kauften sie bereits 440 Tonnen. Wir habe es hier also mit einer enormen Verschiebung von Angebot und Nachfrage in Höhe von 1.000 Tonnen Gold pro Jahr zu tun. Nicht minder bedeutsam ist die Tatsache, dass „die Unterzeichner der dritten Zentralbank-Goldvereinbarung ihre Goldverkäufe praktisch eingestellt haben“, so der WGC.
Von der Handvoll Langzeit-Gold-Fans einmal abgesehen, scheint doch niemand damit gerechnet zu haben, dass Gold in aller Stille zu seiner zentralen Rolle als internationale Vermögensreserve zurückkehrt. Vor dem Hintergrund der finanziellen Belastungen und Gefahren haben die Staaten nun damit begonnen, Gold zu akkumulieren – und zwar zu genau demselben Zweck, der auch die Privatbürger dazu veranlasst, Gold zu kaufen: Als Portfolio-Versicherung, die eine Vielzahl wirtschaftlicher Unsicherheiten abdeckt.
Darüber hinaus ist bemerkenswert, dass dieses Wiedererstarken von Gold nicht durch eine formelle internationale Vereinbarung zustande kam, so wie dies oftmals in der Vergangenheit beobachtet werden konnte, sondern vielmehr informeller Natur ist und eher eine natürliche Entwicklung darstellt. Die Nettokäufe der Zentralbanken spiegeln die Erwartungen und Reaktionen der Staaten im Hinblick auf die Langzeitentwicklung ihrer Währungsreserven wieder.
Und diese Tatsache passt natürlich genau in unsere heutige Zeit und deutet überdies darauf hin, dass der Goldmarkt einer grundlegenden Veränderung unterworfen ist. Ich gehe davon aus, dass diese Trendwende bei der Angebots- und Nachfragesituation in den kommenden Jahren als das bedeutendste Goldmarkt-Ereignis seit der ersten Zentralbank-Goldvereinbarung (CBGA) im Jahre 1999 erachtet werden wird – ein Ereignis, dass viele für den Beginn des aktuellen säkularen Goldbullenmarkts verantwortlich machen.
Durch diese Zentralbank-Goldvereinbarung wurden die Goldverkäufe und -ausleihungen der Unterzeichner eingeschränkt, bei denen es sich zu jener Zeit um die aktivsten Zentralbanken im Goldmarkt gehandelt hat.
Die Goldkäufe aus Asien
In goldproduzierenden Ländern wie China (dem weltgrößten Goldproduzenten) und Russland (dem fünftgrößten Goldproduzenten) wird der überwiegende, wenn nicht der gesamte Teil des im Inland produzierten Goldes direkt in staatliche Währungsreserven umgewandelt. Andere Zentralbanken wie die indische, die mexikanische und die philippinische sowie die Zentralbanken einer ständig größer werdenden Liste weiterer Länder kaufen das Metall unterdessen auf dem Goldmarkt – und zwar immer dann, wenn das physische Gold tatsächlich auch verfügbar ist.
Die direkten Zentralbankkäufe verschiedener goldproduzierender Länder haben dafür gesorgt, dass dieses Gold auf der Angebotsseite nicht mehr zur Verfügung steht, während die Käufe der anderen Zentralbanken für einen dramatischen Anstieg auf der Nachfrageseite verantwortlich sind.
Die erste Zentralbank-Goldvereinbarung brauchte fast vier Jahre, bis sie irgendwelche Preiseffekte zeitigte, und es könnte durchaus sein, dass es jetzt wieder so lange dauern wird, bis die Auswirkungen der Neuausrichtung der Zentralbanken vom Markt vollständig verarbeitet worden sind. Die Zeiten haben sich aber geändert, weshalb es auch denkbar ist, dass es dieses Mal schneller geht.
Aktuell machen bereits Gerüchte die Runde, dass die asiatischen Zentralbanken jeden Kursrücksetzer in den Bereich von USD 1.500 bis USD 1.550 pro Unze nutzen, um Goldkäufe zu tätigen, was im Grunde bedeuten würde, dass die Zentralbanken dem gelben Metall eine untere Preisdecke einziehen. Der bekannte Goldmarktanalyst Dan Norcini, dessen Prognosen auch regelmäßig auf der Internetseite von Jim Sinclair veröffentlicht werden, merkte dazu an:
„Jedes Mal, wenn der Goldpreis unter die Marke von USD 1.550 pro Unze sank und in dieses Stützungsniveau hineinfiel, kam es plötzlich zu bedeutenden Käufen. Diese Käufe wurden dann in der Regel den Zentralbanken zugeschrieben, speziell den Zentralbanken aus Asien. Das Entscheidende ist, dass es einige sehr massive Käufe gab, die von ein paar extrem starken Händen im Goldmarkt getätigt wurden. Sie waren stark genug, um die Abverkaufs-Algorithmen der Hedge-Fonds zu absorbieren, die im Rohstoffsektor gegenwärtig eine wichtige Rolle spielen.“
Der Mangel an großen, umgehend erhältlichen Mengen physischen Goldes ist auch der Grund dafür, warum sich China und Russland dazu entschlossen haben, ihre eigenen Reserven mithilfe der Inlandsproduktion aufzustocken – eine Strategie, die sich auch die USA zunutze machen könnten. Die USA verfügen gegenwärtig mit über 8.000 Tonnen über die weltgrößten Goldreserven, während sie mit 243 Tonnen pro Jahr der drittgrößte Goldproduzent der Welt sind. Die US-Regierung könnte ihre eigenen Goldreserven ausbauen, indem sie sich bei den einheimischen Goldproduzenten einfach ein Vorkaufsrecht zum Marktpreis sichert.
(Stark positionierte Minenfirmen mit bestätigten Goldreserven und einem Management, das sich über die gerade herausbildende Rolle von Gold als staatlicher Vermögensreserve im Klaren ist, würden von einer derartigen Entwicklung natürlich profitieren. Aber Achtung: Goldminenfirmen sind kein Ersatz für den Besitz physischen Goldes. Man darf nicht vergessen, dass Minenaktien zu allererst Aktien sind und nur eine indirekte Form der Goldeigentümerschaft darstellen. Goldmünzen und Goldbarren hingegen sind in erster Linie Vermögensschutz und darüber hinaus auch noch ein Investment. Das vorrangige Ziel sollte immer erst die Absicherung des eigenen Portfolios sein. Später kann man dann nach potentiellen Profiten Ausschau halten.)
Gold als Kernvermögen von Zentralbanken – die Vision des Nobelpreisträgers Robert Mundell
Ich gehe nicht davon aus, dass irgendeine Form des Goldstandards auch zwingend der bestmögliche Ansatz sein muss, um die Funktion von Gold im Währungssystem wiederherzustellen.
Wenn Gold von den Zentralbanken einfach als Reservevermögenswert verwendet wird – so wie es vom Nobelpreisträger und Ökonomen Robert Mundell vor einigen Jahren beschrieben wurde – dürfte dies schon dazu beitragen, das Vertrauen in verschiedene Währungen wiederherzustellen. Ferner wären die Zentralbanken dadurch gegenüber der Abwertungspolitik anderer Länder, die den Wert der Devisenreserven untergräbt, in gewissem Maße abgesichert.
Mit anderen Worten: Gold würde zur Absicherung dienen. Und das ist genau die Funktion, die Mundell vor Augen hatte, als er den Europäern bei der Schaffung des Euros empfahl, Gold als einen zentralen Reservebestandteil zu nutzen. 1997 erklärte Mundell während eines Vortrags am St. Vicent College in Latrobe im US-Bundesstaat Kalifornien:
„Ich glaube nicht, dass wir miterleben werden, dass die beiden Wirtschaftsmächte – die Vereinigten Staaten und die Europäische Union – ihre jeweiligen Währungen jemals wieder an Gold koppeln werden, so wie sie es in der Vergangenheit taten. Wahrscheinlicher ist, dass Gold irgendwann, vielleicht in 10 oder 15 Jahren …. zwischen den Zentralbanken als Vermögenswert zirkuliert. Nicht unbedingt zu einem festgesetzten Preis, sondern zu einem Marktpreis …
Gold wird ein Teil der Struktur des internationalen Geldsystems des 21. Jahrhunderts sein, aber nicht auf die Art, wie es in der Vergangenheit der Fall. Auf die Periode des Goldstandards, der freien Zirkulation von Goldmünzen, können wir als eine historisch einmalige Phase zurückblicken, wo es ein Gleichgewicht unter den Mächten gab und keine einzelne Supermacht dominierte.“
15 Jahre später, so wie von Mundell vorausgesagt, wird Gold nun immer öfter als wichtiger Bestandteil des künftigen Geldsystem genannt. Ob nun Ben Steill vom Council on Foreign Relations, der Präsident der Weltbank Robert Zoellick, der ehemalige Präsident der Federal Reserve of Kansas Thomas Hoenig oder der ehemalige Vorsitzende der US-Notenbank Alan Greenspan – alle haben sich dafür ausgesprochen, dass Gold wieder zu einem Bestandteil der Zentralbankreserven wird.
In einem kürzlich veröffentlichten Essay über die formelle Aufwertung von Gold, stellten Lee Quaintance und Paul Brodsky eine interessante Strategie vor:
„Wir empfehlen, Kurs zu halten; mit den Zentralbanken und nicht gegen sie zu investieren; und das leere Gerede des Establishments, das den Papierpreis vorübergehend vielleicht drücken kann, als ´Geschenk` zu erachten. Sie arbeiten in die Hände der Halter von physischem Gold und nicht gegen sie.“
Ja, das scheint in der Tat eine langfristige Investmentstrategie zu sein, über die es sich nachzudenken lohnt.