Schaut man sich das reale Schulden/BSP-Verhältnis der Industrieländer an, wird klar, dass die Staatsverschuldung im Vergleich zur Verschuldung der Zombiebanken noch relativ moderat ist. Wenn das Wirtschaftswachstum ausbleibt und die Wirtschaften in die Rezession abtauchen, dürften die Banken reihenweise in die Pleite abrutschen, da sie dann nicht mehr über die Mittel verfügen, ihre Schulden zu finanzieren

David Chapman, MGI Securities, 08.06.2012

Im Folgenden finden Sie eine interessante Grafik, die zurzeit im Internet die Runde macht. Sie stammt von Haver Analytics, einem unabhängigen Forschungsarm von Morgan Stanley.

Wenn in den Medien vom Schulden/BSP-Verhältnis die Rede ist, so sind damit in der Regel die Staatsschulden im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt gemeint. In der nachfolgenden Grafik werden jedoch alle Arten von Schulden aufsummiert, um herauszubekommen, wie das wahre Schulden/BSP-Verhältnis eines Landes aussieht. Die Ergebnisse sind ziemlich verblüffend.

Dass die westlichen Wirtschaften völlig überschuldet sind, ist ja nichts Neues. Bereits lange vor Ausbruch der Finanzkrise in 2008 gab es zahlreiche Warnungen, dass ein Schulden-Kollaps unmittelbar bevorsteht. Diese Warnungen wurden jedoch weitestgehend ignoriert.

Seitdem hat sich nur sehr wenig geändert. Die Banken wurden gerettet und machten im Anschluss einfach weiter wie bisher. Die Finanzinstitutionen bekämpften alle Versuche, den Markt zu regulieren, während sie sich selbst riesige Boni zahlten.

Was in der Grafik nicht aufgeführt wird, sind die USD 700 Billionen (manche sagen bis zu USD 1,2 Billiarden) an ausstehenden Finanzderivaten.

Das wirklich Erstaunliche an der Grafik ist die Tatsache, dass die Staatsschulden nicht unbedingt die größte Schuldenposition ausmachen müssen. In den meisten Ländern ist es die Finanzbranche, die die meisten Schulden hält.

Das Land mit den größten Schulden im Finanzsektor ist Großbritannien. Das britische Schulden/BSP-Verhältnis liegt bei atemberaubenden 950% und ist somit höher, als das der Eurozone, das bei rund 475% liegt. Die USA haben eine Verschuldung von 325%, Kanada liegt bei fast 300% und Japan liegt wenig überraschend bei über 600%. Japan hat mit 230% das höchste Staatsschulden/BSP-Verhältnis aller Länder.

Die Verschuldung der Haushalte, die ja ständig von den Zentralbankchefs – beispielsweise der chinesischen oder der US-amerikanischen Zentralbank – herangezogen wird, ist im Vergleich zu den anderen Schuldenpositionen relativ gering.

Was aus dieser Grafik nicht hervorgeht, sind die nichtfinanzierten Verbindlichkeiten der einzelnen Regierungen, speziell der USA. Es wird geschätzt, dass die USA nichtfinanzierte Verbindlichkeiten (Krankenkasse, Arzneimittelprogramme, Sozialhilfe) von rund USD 60 Billionen haben. Einige behaupten, die Zahl läge noch beträchtlich darüber oder sei sogar doppelt so hoch.

Die enorme Verschuldung des Finanzsektors, speziell in Großbritannien, ist wohlmöglich ebenfalls ein Riesenproblem. Das Bankenschulden/BSP-Verhältnis Großbritanniens liegt im Bereich von 600%. Großbritannien hat den am wenigsten regulierten Finanzmarkt aller G10-Länder. Das erklärt vielleicht auch, warum in Großbritannien so viele Schulden gehalten werden. Das britische Finanzzentrum London ist bekannt für seine innovative Finanzbranche. Innovationen in der Finanzwelt entstehen immer dort, wo die Regulierung am schwächsten ist.

Ferner ist bemerkenswert, dass Schweden ein Schulden/BSP-Verhältnis von rund 450% hat, während man von dieser Tatsache praktisch nie etwas hört, wenn über die am stärksten verschuldeten Länder gesprochen wird.

Schweden verfügte einst über eine sehr stark regulierte Bankenbranche. Der Finanzmarkt wurde jedoch beträchtlich dereguliert. Könnte es sein, dass die Schweden diese Finanzmarktderegulierung nun wieder eingeholt hat, genauso wie es auch in Japan, Großbritannien, den USA und anderen Ländern beobachtet werden konnte?

In Ländern wie Großbritannien, den USA, Japan, ja selbst Kanada ist es letztendlich so, dass die Regierung dem Finanzsektor mit Rettungspaketen zu Hilfe eilt, sollten die Banken in Schwierigkeiten geraten. Das ließ sich in 2008 sehr gut mitverfolgen, wo die Staaten die Banken mit Steuerzahlergeldern überhäuften, um eine Finanzkernschmelze zu vermeiden. Als die Krise dann wieder abebbte, machten die Finanzinstitutionen einfach weiter wie bisher.

Im Hinblick auf die sich weiter zuspitzende Finanzkrise in der Eurozone (Griechenland, Spanien usw.) ist es nicht überraschend, dass die Rettungspakete garnicht so sehr für die Länder selbst gedacht waren, sondern für die Banken, die die Risiken der Staaten in den Büchern halten. Während die Banken gerettet wurden, erklärte man den Ländern, dass sie drastische Austeritätsmaßnahmen implementieren müssen. Logisch, dass dies zu erheblichen Widerständen führte.

Das Problem besteht jetzt darin, dass die westlichen Wirtschaften kaum noch Wachstum verzeichnen. Und während das Wirtschaftswachstum ins Stottern gerät, geht auch die Fähigkeit zurück, die Schulden zu bedienen. Das Ganze wird zunehmend unkontrollierbarer.

Die Fiskalpolitik der Regierungen ist ebenfalls gescheitert. Die Austeritätspolitik und die Steuererhöhungen sorgen nur noch für eine Verschlimmerung der Misere, da die Arbeitslosenraten weiter zulegen und die Steuereinnahmen sinken, was im Gegenzug eine weitere Runde an Steuererhöhungen und Austerität zur Folge hat.

Nach 2008 versuchten es die Regierungen auch mit Konjunkturpakten, mit denen das Wachstum angekurbelt werden sollte. Die Programme sind aber gescheitert, da sie lediglich ein extrem schwaches Wirtschaftswachstum zur Folge hatten. Es scheint, als seien die westlichen Länder nun in einer Liquiditätsfalle gefangen, wo die Injektion immer größerer Geldmengen nur noch geringe Wirkungen zeitigt.

Unterdessen schwimmen die Unternehmen in Bargeld, das sie zurückhalten und nicht ausgeben.

Die Haushalte verfügen über ein hohes Verschuldungsniveau, aber solange die Menschen Arbeit haben, sind sie auch in der Lage, den Schuldendienst zu leisten. Verliert man hingegen seine Arbeit, führt das oftmals dazu, dass man in finanzielle Schwierigkeiten gerät und seine Schulden nicht mehr zurückzahlen kann.

Kein Wunder, dass quantitative Lockerungsmaßnahmen das einzige Werkzeug sind, das den Zentralbanken jetzt noch zur Verfügung steht. Alle anderen Möglichkeiten der Zentralbanken sind bereits ausgeschöpft worden. In den USA lassen sich auch keine weiteren Zinssenkungen durchführen, da die Zinsen bereits bei 0% liegen. Die quantitative Lockerung ist aber auch nicht die Lösung, da sie letztlich zur Währungsentwertung und Preisinflation führt. Im Extremfall lösen quantitative Lockerungsmaßnahmen eine Hyperinflation aus. Manche sind der Auffassung, dass dies so kommen wird.

Die westlichen Wirtschaften haben viel zu viele Schulden. Diese Tatsache wird durch die oben stehende Grafik unmissverständlich veranschaulicht. Es ist völlig offenkundig, dass ein bedeutender Teil dieser Schulden garnicht zurückgezahlt werden kann.

Ja sicher, man kann die Schulden immer wieder prolongieren und den Schuldendienst solange aufrecht erhalten, wie die Wirtschaften wenigstens geringe Wachstumsraten aufweisen. Doch sollten selbst diese marginalen Wachstumsraten ausbleiben, bedeutet das, dass die Wirtschaften in die Rezession abgleiten und man nicht mehr in der Lage ist, die Schulden zu bedienen. Und das heißt nichts anderes, als dass es zu Pleiten und Zusammenbrüchen kommt.

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