Martin Sibileau, Mises.ca, 25.06.2012

Was die politischen Entscheidungen der Europäischen Union und der USA anbelangt, stochern wir genauso im Trüben wie Sie. Und während wir uns durch die Folgen dieser Entscheidungen arbeiten, werden wir an dieser Stelle noch einmal das ein oder andere herausgreifen:

Die Europäische Union: Bankenunion, Rettungsgelder und andere Mätzchen

Nach der zweiten Langfristigen Refinanzierungsoperation der Europäischen Zentralbank (LTRO II) und dem Schuldenschnitt Griechenlands im März dieses Jahres ist die Wahrscheinlichkeit eines Auseinanderbrechens der Eurozone exponentiell gestiegen, und steigt weiter.

Gemeinsam mit diesem Trend setzt sich auch der Rückgang der grenzüberschreitenden Kreditvergabe der Banken fort, während die Kapitalflucht aus den Ländern am Rande der Eurozone nach wie vor intakt ist. Die Angst vor einem finalen Zusammenbruch und die Gerüchte um eine bevorstehende Bankenunion lasten auf den Märkten.

Eine Bankenunion – sollte das wirklich stimmen, und in welcher Form auch immer – bedarf eines Garantiegebers der letzen Instanz, der durch einen unbegrenzten Ressourcenpool und unbegrenzte Steuereinnahmen gedeckt wird. Das bedeutet schlicht, dass der notwendige Schritt in Richtung einer EU-Fiskalunion nach wie vor die einzige Lösung für das Problem ist.

Seit 2010 weisen wir darauf hin, dass es sich bei der Euro-Krise um eine institutionelle Krise handelt! Dieselbe Analogie ließe sich auch auf den Rettungsfonds übertragen, mit dem „sie“ uns beeindrucken wollen. EFSF? ESM? Was auch immer, sie sind allesamt völlig nutzlos! Alle brauchen einen Kreditgeber der letzten Instanz. Etwas anderes anzunehmen, ist einfach nur naiv und Zeitverschwendung.

Eine Fiskalunion schafft man aber nicht über Nacht. Dafür müssen verfassungsrechtliche Veränderungen vorgenommen werden. Jeder Hinweis auf ein Erstarken des Euros, der auf derlei Gerüchte zurückzuführen ist, wird sich schon bald wieder in Luft auflösen.

Argentinien 2.0: Die Europäische Zentralbank und ihre Sicherheiten

Am Freitag gab die EZB bekannt, dass sie ihre Rating-Einschränkungen und die Anforderungen, die sie an bestimmte Sicherheiten stellt, weiter absenken wird. Mit anderen Worten: Die Europäische Zentralbank akzeptiert jetzt schlechter bewertete Vermögenswerte, um damit ihre Verbindlichkeiten (also den Euro) zu decken.

Dadurch bewegt sich die europäische Währungsunion nun immer stärker in Richtung des „Argentinien 2001“-Moments. Warum? Argentinien litt damals unter einem schnellen Verfall seiner Banken, weil die Banken nach Jahren der Hyperinflation und der Konfiszierung durch den Bonex-Plan von 1989 nicht mehr länger in der Lage waren, sich über ihre Einlagen zu finanzieren.

Und genau dieser Phase rücken die Banken der Europäischen Union nun gefährlich nahe: Die Aufstockung des Eigenkapitals ist nicht mehr länger möglich, unbesicherte Finanzierungen sind dank der vergangenen Rettungsgelder mittlerweile nachrangig und es gibt praktisch keine Vermögenswerte mehr, die noch belastet werden könnten – was auch der Grund dafür ist, warum die EZB seit Freitag minderwertigere Vermögenswerte akzeptieren muss.

Somit sind die einzigen Idioten, die die Banken zum jetzigen Zeitpunkt noch finanzieren – also in Kerneuropa, die Peripherie lebt ja bereits von den Kreditlinien der EZB – die Einlagenkunden. Wir gehen davon aus, dass diese Bankeinlagen von den Unternehmen stammen, deren Finanzverwalter die Gelder anderer Leute (beispielsweise der Aktieninhaber eines Unternehmens) auf den Bankkonten einzahlen. Würden wir diese Annahme nicht zu Grunde legen, hieße das, dass wir die Intelligenz der Menschen in der Europäischen Union unterschätzen, und das tun wir nicht.

Angesichts des Zirkelschlusses, der sich hinter der von den EU-Führern vorgeschlagenen Lösung verbirgt – also dass die Banken Schulden von den Pleiteländern kaufen; die Banken pleite gehen und von den Pleitestaaten „gerettet“ werden, die dann im Umkehrschluss noch insolventer sind – ist es nur eine Frage der Zeit, bis genau diese Einlagen auf den Konten der EU-Banken hinterfragt werden, nachdem jeder einzelne Vermögenswert im Besitz der Banken auf Ramschstatus heruntergestuft und bei der Europäischen Zentralbank als Sicherheit hinterlegt worden ist. Und damit wären wir bereits beim nächsten Punkt:

Welches Land wird die Eurozone als erstes verlassen?

Angesichts des Tatsache, dass einiges darauf hindeutet, dass die früheren Austeritätsprogramme – die übrigens nie implementiert werden mussten – entschärft werden, um „Wachstum zu fördern“, sind wir nun der Auffassung, dass Deutschland wahrscheinlich das erste Land sein wird, dass den europäischen Währungsraum verlässt.

Die jüngsten Aktivitäten am deutschen Staatsanleihemarkt scheinen darauf hinzudeuten, dass wir nicht die einzigen sind, die damit rechnen. Warum? Wenn es als wahrscheinlich erachtet wird, dass ein Land der Euro-Peripherie die Währungsunion verlässt, sorgt die Flucht der Bankeinlagen aus diesem Land in Richtung der deutschen Banken dafür, dass die deutschen Staatsanleihen im Wert steigen und ihre Renditen in den negativen Bereich absinken, so wie dies ja auch der Fall gewesen ist.

Wird jedoch damit gerechnet, dass die Länder der Peripherie in der Einheitswährung bleiben, so wie es vor wenigen Tagen nach der Griechenland-Wahl der Fall war, muss Deutschland die Rechnung zahlen. Der Wert deutscher Staatsanleihen sinkt, während die Renditen steigen. Und das ist genau das, was die letzten Tage beobachtet werden konnte.

Die Frage lautet daher: Wann verlässt Deutschland die Eurozone? Die Antwort ist simpel: Deutschland wird nur solange in der Eurozone bleiben, wie die Kosten des Verbleibens geringer sind als die Kosten des Ausstiegs. In beiden Szenarien – dem Verbleiben wie auch dem Ausstieg – fallen Kosten an.

Die Kosten des Verbleibens fallen in Form höherer Zinsen auf deutsche Staatsanleihen an. Wie hoch? Wohlmöglich dürften es die magischen 7% sein, die Spanien bereits touchiert und in deren Richtung sich Italien nun aufgemacht hat. Deutschland würde vor der Marke von 7% aussteigen, wo das Undenkbare – also der Ausschluss Deutschlands von den Kapitalmärkten – stattfände.

Die Kosten des Ausstiegs wären die Zahlungsausfälle bei den von der Bundesbank gehaltenen Verbindlichkeiten der Länder, die im Euro verbleiben –  also die Liquiditätslinien, in deren Genuss diese Länder unter Target 2 kommen.

Wir gehen davon aus, dass diese Verluste abgemildert werden könnten, wenn man keine Kapitalverkehrskontrollen implementiert und ein Zwei-Währungssystem aufbaut. Auf diese Art wäre es den Banken (Deutschlands und der Peripherie) möglich, Einlagen in Euros und in der einheimischen Landeswährung zu akzeptieren. Unter einem solchen Szenario würde die Europäische Zentralbank nicht aufgelöst werden. Wir bezweifeln aber, dass es für die in der Eurozone verbleibenden Länder irgendwelche Anreize gäbe, weiterhin Euro-Einlagen zu akzeptieren, sollte Deutschland als erstes aus der Einheitswährung aussteigen.

Die US-Notenbank: Operation Twist, Teil 2

Wir werden hier bestimmt kein Brimborium um die Entscheidung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank (FOMC) machen, den Kauf von langfristigen US-Staatsanleihen und den Verkauf eines gleichlautenden Betrages kurzlaufender US-Staatsanleihen weiter fortzusetzen.

Wir sind nur extrem überrascht über die Tatsache, dass jeder Analyst, Fonds-Manager oder Fernsehmoderator die früheren, gegenwärtigen und künftigen Entscheidungen des FOMC immer nach ihrem Einfluss auf die Privatwirtschaft beurteilt: Im Hinblick auf die Wirtschaftsaktivität, den Arbeitsmarkt, die Vermögenspreise usw.

Warum sagt niemand offen heraus, dass die Zentralbank eines Landes, das monatliche Defizite von über USD 100 Milliarden ausweist, gar keine andere Wahl hat, als die fiskalischen Schulden zu kaufen und zu monetisieren? Warum stellt niemand den Zusammenhang zwischen Haushaltsdefiziten und Anleihekäufen her? Wer soll denn allen Ernstes glauben, dass die USA nicht auf Zeit spielen! Wer soll denn allen Ernstes glauben, dass es am Ende nicht zu direkten Staatsschuldenaufkäufen kommt!

Weltweite Nullzinspolitik: Unbeabsichtigte Konsequenzen aus der Mikroperspektive

Aus meinen Zeiten als Student kann ich mich noch daran erinnern, dass Aktienkapital der riskanteste Bestandteil der Kapitalstruktur eines Unternehmens ist. Aktien sind eine Bezugsoption auf die Vermögenswerte eines Unternehmens, während der Wert der Schulden des Unternehmens der Basispreis ist.

Wenn der Wert der Vermögenswerte gegenüber den Schulden wächst, geht die Differenz an die Aktienhalter. Damit das passiert, muss eine Firma aber logischerweise auch „wachsen“. Firmen, bei denen eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie Wachstum verzeichnen, können über Aktien finanziert werden. Bei Firmen, wo Wachstum wenig wahrscheinlich ist – die also in einer älteren Branche etabliert sind und einen steten Einnahmestrom generieren – eignet sich eher die Schuldenfinanzierung.

Und mit diesem Sachverhalt im Hinterkopf wenden wir uns nun noch einmal der Tatsache zu, dass die weltweiten Zentralbanken eine Nullzinspolitik verfolgt haben, mit der jede Möglichkeit ausgelöscht wurde, mit Unternehmensschulden noch irgendwie eine nennenswerte Rendite erwirtschaften zu können.

Dadurch werden all jene, die es sich nicht leisten können, ihre Ersparnisse einfach aufzubrauchen, dazu gezwungen, an den Aktienmärkten „zu zocken“, und zwar in der Hoffnung, dass dieselben Zentralbanken dann die Aktienwerte in die Höhe schrauben.

Durch die Nullzinspolitik wird aber das Wirtschaftswachstum vernichtet, und all die armen Menschen, die sich gezwungen sahen, von den Annehmlichkeiten der Unternehmensschulden Abstand zu nehmen und ihre Ersparnisse in Richtung Aktien umzuschichten, finden sich auf einmal – entgegen der landläufigen Auffassung – im riskantesten Bestandteil der Kapitalstruktur, der Bezugsoption, wieder, und zwar zu exakt dem Zeitpunkt, wo es überhaupt kein Wachstum geben wird. Na, ist das nicht nett von den Zentralbanken!

Warum die Tortur länger anhalten könnte, als wir gemeinhin annehmen

Im Gegensatz zu den Finanzkrisen in Entwicklungsländern spielt sich die der Industrieländer in hochkomplexen Kapitalmärkten ab. Es gibt Futures- und Derivatemärkte, Zwangsersparnisse in Form von Rentensystemen und legalisierte Schneeballsysteme, wo Sicherheiten unzählige Male verpfändet werden können, um Liquidität zu gewährleisten. Diese Faktoren können zu einer bedeutenden Verzögerung des „finalen Ausgangs“ führen und sind Gegenstand der Manipulation.

Nehmen wir die Futures-Märkte: Damit ein Futures-Markt zusammenbricht, muss einer der Marktakteure bei der Auslieferung, also der Vertragserfüllung scheitern. Aber die Politiker sind immer in der Lage, die Gegenpartei zu kapitalisieren oder mit Liquidität zu versorgen, um das Auseinanderbrechen dieses Markts zu verhindern.

Oder nehmen wir die Rentensysteme und Pensionssparpläne: Ein bedeutender Teil der Arbeiterschaft wird gesetzlich dazu gezwungen, an kollektiven Rentensystemen zu partizipieren. Diese Zwangsersparnisse wirken als Puffer zwischen Realität und Illusion. Alle jene, die gezwungen werden zu sparen, glauben an die Illusion, dass ihnen ihre Rentenzahlungen in Zukunft irgendein Einkommen bescheren werden.

Wenn sich dann die Realität einstellt und der Zauber des Ganzen verlorengeht, können die Politiker (was sie auch schon getan haben) ganz einfach das Rentenalter heraufsetzen oder gar die der Arbeitnehmerschaft aufgezwungenen Rentenzahlungen anheben. Selbst in Fällen, wo die Menschen bereits begriffen haben, dass die Kosten des Verbleibens in der Rentenversicherung höher sind als die des Ausstiegs unter Inkaufnahme von Strafzahlungen, sind die Politiker immer noch in der Lage, die Auszahlung „vorübergehend“ zu verbieten, wodurch die Gelder im Grunde konfisziert werden.

Es müssen erst dramatische Ereignisse eintreten, bevor es überhaupt zu derartigen Situationen kommt – aber wir gehen davon aus, dass diese Krise lange genug dauern wird, um derlei Dinge mitzuerleben.

„America’s Great Depression“ von Murray Rothbard

Die Frage lautet daher: Wann wird sich diese Krise richtig herauskristallisieren, und was ist nötig dafür, dass es passiert? Ich weiß nicht wieso, aber ich lese gerade wieder Murray Rothbard’s Buch „America’s Great Depression“. In Kapitel 12 erklärt uns Rothbard unter der Überschrift „Der Angriff auf die Eigentumsrechte: Das finale Versagen der Währung“:

„…trotz gigantischer Anstrengungen der Fed, die Geldversorgung Anfang 1933 aufzublähen, nahmen die Menschen die Sache in die eigene Hand und bestanden auf eine harte Deflation (gemessen anhand des Anstiegs der Geldmenge) und einen harten Test des Bankensystems des Landes, in das sie ihr Vertrauen gelegt hatten …“

 Hieraus lassen sich zwei Schlussfolgerungen ableiten:

a) Die Krise endet mit einer gründlichen und harten Deflation oder Liquidation der Verbindlichkeiten.
b) Die Deflation muss ihren Ausdruck in Form eines neuen Standards finden (Gold?).

 In den 30er Jahren war der US-Dollar immer noch goldgedeckt. Gold war der Aktivposten der Fed und die US-Dollars waren die Verbindlichkeiten. Heute wird der US-Dollar durch US-Staatsanleihen gedeckt. „Auf eine harte Deflation zu bestehen“, bedeutet daher, dass die US-Staatsanleihen für nichtig erklärt werden. Wir sehen heute bereits erste Hinweise auf eine solche Ablehnung von US-Staatsanleihen – aber dieser Artikel ist bereits lang genug, und wir werden uns dieses Thema fürs nächste Mal aufheben.

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