Dass Deutschland vom Euro profitiert hat, ist ein Märchen. Das Einzige, was man mit dem Euro erreicht hat, ist, dass die Nehmerländer auf Kosten des deutschen Lebensstandards über Wasser gehalten werden, während sich ein deutscher Exportsektor aufgebaut hat, den es ohne die künstlich billige Währung garnicht gäbe. Deutschland hat keine produktiven Investitionskredite vergeben, sondern das Geld auf Kosten der einheimischen Bevölkerung einfach aus dem Fenster geworfen
Geoffrey Wood, Zero Hedge, 27.06.2012
Deutschland wird fortwährend erklärt, dass es zahlen muss, um den Euro zu retten. Aber wie viel kann Deutschland überhaupt zahlen? Und obwohl es so aussieht, als hätte sich darüber überhaupt niemand Gedanken gemacht, zeigt sich der Markt bereits besorgt, dass die Rechnung für Deutschland enorm ausfallen könnte.
Die Renditen für deutsche Staatsanleihen stiegen, als das spanischen Rettungspaket bekanntgeben wurde – noch bevor überhaupt klar war, wo die Gelder eigentlich herkommen sollen. Und natürlich handelt es sich dabei um ein Rettungspaket für Spanien, ganz egal, was der spanische Premierminister Rajoy auch immer behaupten mag: Wenn ich mir von jemanden Geld leihe und es dann an Dritte weiterverleihe, bin ich trotzdem der Kreditnehmer.
Es gibt aber eine weitere, noch grundlegendere Frage: Welche Kosten machen für Deutschland überhaupt Sinn? Wie hoch würde eine vernünftige Rechnung ausfallen, die man den Deutschen präsentiert? Fakt ist, dass man bei genauer Prüfung auf einen Rechnungsbetrag von null kommt.
Warum null? Was ist denn mit all den Exporten, die nur deshalb produziert worden sind, weil Deutschland mit dem Euro über eine Währung verfügt, deren Wert nicht nur von Deutschland selbst, sondern darüber hinaus auch noch von den anderen weniger produktiven und kostenintensiveren Wirtschaften der Eurozone bestimmt wird?
Diese Tatsache ist dafür verantwortlich, dass die deutschen Exportpreise künstlich nach unten gedrückt worden sind. Aber genau diese Nettoexporte, die sich durch die Mitgliedschaft Deutschlands in der Eurozone begründen, sind in Wirklichkeit das Problem!
Deutschland hat mehr Waren und Dienstleistungen exportiert, als es einführte. Die Ausländer haben also Nettotransferzahlungen nach Deutschland geleistet. Und wenn das Ausland nicht in der Lage ist, diese Gelder zu erarbeiten – und das ist es auch nicht, weil Deutschland ansonsten überhaupt keinen Handelsüberschuss aufweisen würden – müssen die Importe über die Kredit finanziert werden.
Mit anderen Worten: Wenn ein Land einen Handelsüberschuss aufweist, bedeutet das, dass es gegenüber dem Rest der Welt als Nettokreditgeber auftritt.
Das muss nun nicht unbedingt schlecht sein. Oftmals gereicht es für beide Seiten – den Kreditnehmer wie den Kreditgeber – zum Vorteil. Das klassische Beispiel (und eines der langlebigsten und in Bezug auf das Volkseinkommen umfangreichsten) ist die Kreditvergabe Großbritanniens an die Vereinigten Staaten von 1870 bis kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Diese Kreditvergabe war für beide Seiten ein Gewinn.
In den USA wurden die Gelder produktiv in Erschließung und Entwicklung der Prärie investiert – in Flächen also, die heute noch zu den fruchtbarsten Agrarböden der Welt zählen. Die Investitionen halfen den USA, zu einem der bedeutendsten und erfolgreichsten landwirtschaftlichen Produzenten des Planeten aufzusteigen.
Großbritannien bekam unterdessen nicht nur höhere Renditen, als man mit dem Kapital im Inland hätte erwirtschaften können (das Land war zum damaligen Zeitpunkt bereits eine relativ stark entwickelte Industrienation), sondern es war auch ein Rückgang der Lebenshaltungskosten zu verzeichnen, da die Nahrungsmittelpreise aufgrund der einsetzenden Lebensmittelimporte aus den USA absanken.
Die jüngsten deutschen „Investments“ haben damit aber nicht das Geringste gemein. Ja sicher, ein Teil dieser Gelder floss beispielsweise in produktive Bereiche wie Autofabriken in Brasilien, Tschechien und Mexiko. Ein bedeutender Teil der deutschen Kredite wurde jedoch einfach nur dafür genutzt, es anderen Regierungen und ihren Bürgern zu erlauben, mehr auszugeben, als sie erarbeiten können. Und wie wir heute wissen, sind viele dieser Geldempfänger nicht in der Lage, Deutschland die Kredite wieder zurückzuzahlen.
Wenn wir die Situation Deutschlands mit der zuvor beschriebenen Situation zwischen Großbritannien und den USA vergleichen, wo beiden Seiten von dem Handel profitierten, stellen wir fest, dass heute alle verlieren.
Ein weiterer Aspekt, der diesbezüglich nicht außer Acht gelassen werden sollte: Was wäre geschehen, wenn die deutschen Nettoexporte geringer ausgefallen wären? Es ist ja nun nicht so, dass die deutschen Arbeiter einfach tatenlos rumgesessen hätten und die Fabriken geschlossen worden wären. Es wären schlicht mehr Waren und Dienstleistungen für inländische Investments und den inländischen Konsum produziert worden.
Durch eine Zunahme der Inlandsinvestments wäre Deutschland produktiver geworden, und da die Deutschen in der Lage gewesen wären, mehr zu konsumieren, hätten sie logischerweise auch einen höheren Lebensstandard gehabt. Im Grunde waren die massiven deutschen Exporte für eine Vielzahl der deutschen Handelspartner nichts weiter als eine Subvention.
Und das ist nicht das Ende der Fahnenstange, die Nachteile für Deutschland fallen noch massiver aus. Was eine Wirtschaft produziert, kann grob gesagt in zwei Kategorien unterteilt werden: Güter, die international gehandelt werden, und Güter, bei denen dies nicht der Fall ist – sogenannte handelbare Güter und nicht handelbare Güter. Diese zwei Kategorien sind natürlich nicht klar voneinander abzugrenzen, aber einige Güter sind halt leichter international handelbar als andere.
Durch die künstlich schwache Währung, über die die Deutschen mit dem Euro verfügen, wurden die produktiven Ressourcen des Landes – speziell die Arbeit der Arbeiterschaft – von den nicht handelbaren Gütern in Richtung handelbarer Güter umgelenkt. Diese Ressourcen sind dort aber nur solange produktiver, wie der Wechselkurs auf dem aktuell künstlich niedrigen Niveau gehalten wird. Ändert sich der Wechselkurs, fallen auf einmal all die Kosten an, die aufgrund einer erneuten Verschiebung der Ressourcen zum Tragen kommen. Und hier kommt natürlich noch hinzu, dass die Ressourcen zur Produktion von Gütern eingesetzt wurden, für die Deutschland in vielen Fällen kein Geld sehen wird.
Das ist in genau die gegenteilige Situation, mit der Australien gegenwärtig konfrontiert ist. In Australien stieg der Wechselkurs aufgrund des Booms bei den Bodenschätzen. Die australischen Politiker und Wähler müssen sich nun mit zwei Problemen auseinandersetzen: Wie sollen die Vorteile, die sich aus einer starken Währung ergeben, vernünftig verteilt werden, und welche Vorbereitungsmaßnahmen sollten für den unvermeidlichen Tag getroffen werden, an dem der Boom wieder vorbei ist?
Es ist also völlig offenkundig, dass Deutschland von dem durch den Euro angefachten Boom seines Exportsektors nicht profitiert hat. Sicher, es brachte einige Vorteile mit sich – einige deutsche Auslandsinvestments waren produktiver, als sie es im Inland gewesen wären. Aber das Ganze ging ja auch mit einigen Kosten einher.
Hier zu ermitteln, was für Deutschland unterm Strich dabei rauskam, ist extrem schwierig – aber es steht außer Frage, dass die Behauptung, Deutschland hätte vom Euro profitiert und müsse deshalb zahlen, Unsinn ist. Jeder Versuch, die Last der Euro-Rettung auf Deutschland abzuwälzen, muss also mit anderen Argumenten begründet werden. Bisher sind mir solche Argumente aber noch nicht zu Ohren gekommen.