Michael Snyder, The Economic Collapse, 29.06.2012

Was wird die zweite Hälfte des Jahres 2012 für uns wohl bereithalten? Wird die Situation noch schlimmer werden, als sie es heute ohnehin bereits ist? Bedauerlicherweise wird das mit jedem weiteren Tag zunehmend wahrscheinlicher. Ich mache mir jedenfalls extreme Sorgen bezüglich der zweiten Jahreshälfte.

Historisch gesehen ist der Ausbruch einer Finanzkrise im Herbst am wahrscheinlichsten. Der Aktienmarkt-Crash von 1929 fand im Herbst statt, der „schwarze Montag“ ereignete sich am 19.10.1987 und die Finanzkrise des Jahres 2008 nahm ebenfalls im Herbst ihren Ausgang.

Es muss wohl irgendeinen Grund dafür geben, warum sich an den Finanzmärkten die schlimmsten Dinge im Herbst zutragen. Fakt ist aber auch, dass es natürlich nicht jedes Jahr zu einem Aktienmarkt-Crash kommt. Daher stellt sich die Frage, ob es überhaupt besondere Gründe gibt, warum wir im Hinblick auf das, was das restliche Jahr noch bereithält, besorgt sein sollten.

Diese Gründe gibt es. Wir haben nun fast alle Zutaten für einen „perfekten Sturm“ zusammen, und es könnte durchaus sein, dass wir in den kommenden Monaten die nächste Welle des Wirtschafts-Kollaps sehen werden. Bedauerlicherweise haben wir uns ja noch nicht einmal von der letzten Rezession erholt, und die nächste Krise könnte sogar noch schmerzlicher ausfallen als die letzte.

Im Folgenden finden Sie 17 Gründe, warum man sich bezüglich der zweiten Jahreshälfte extreme Sorgen machen sollte:

1. Der historische Trend

Ein jüngst veröffentlichtes Dokument des Internationalen Währungsfonds, das von Luc Laeven und Fabián Valencia verfasst wurde, zeigt, dass ein Ausbruch einer Bankenkrise im September bedeutend wahrscheinlicher ist als in irgendeinem anderen Monat.

Also, was wird der September für uns bereithalten?

2. JPMorgan

Sie können sich sicherlich noch daran erinnern, dass JPMorgan im Mai dieses Jahres bekanntgab, bei einigen missglückten Derivate-Wetten USD 2 Milliarden Verluste eingefahren zu haben. Nun ja, die New York Times meldet jetzt, dass die wirkliche Zahl eher im Bereich von USD 9 Milliarden liegen dürfte, so richtig kann das aber wohl niemand sagen. Wird JPMorgan irgendwann ein Rettungspaket benötigen, und wenn ja, was wird dann mit dem US-Finanzsystem geschehen?

3. Finanzderivate

Die Kreditratingagentur Moody´s stufte letzte Woche die Kreditwürdigkeit von 15 weltweiten Großbanken herunter. Das bedeutet, dass einige dieser Banken nun gezwungen sind, für ihre Derivate-Positionen Milliarden an zusätzlichen Sicherheiten zu hinterlegen.

Es wird davon ausgegangen, dass Citigroup bei seinen Derivate-Positionen aufgrund der Herabstufung des Kreditratings unter Umständen weitere USD 500 Millionen nachschießen muss. Bei Morgan Stanley könnte sich die Nachschusspflicht aufgrund der Herabstufung durch Moody´s sogar auf bis zu USD 6,8 Milliarden belaufen, und bei der Royal Bank of Scotland wird geschätzt, dass wohlmöglich zusätzliche GBP 9 Milliarden hinterlegt werden müssen.

Die weltweiten Derivatemärkte zeigen jetzt langsam erste Risse, und irgendwann wird der Augenblick kommen, wo sich das ganze Derivate-Casino in eine Riesen-Katastrophe verwandelt.

Hier sollte man auch im Hinterkopf behalten, dass die neun größten US-Banken Derivate im Nominalwert von über USD 200 Billionen halten. Wenn diese Blase richtig platzt, lässt sich nichts mehr reparieren.

4. „Alarmstufe Rot“ fürs globale Finanz- und Wirtschaftssystem

LEAP/E2020 hat für diesen Herbst eine Warnung ausgegeben. Sie warnen, dass es beim globalen Wirtschaftssystem in der „zweiten Hälfte von 2012“ zu einem „bedeutenden Wendepunkt“ kommen würde:

„Der Schock im Herbst 2008 wird, verglichen mit dem, was dem Planeten in ein paar Monaten widerfahren wird, wie ein kleiner Sommersturm anmuten.

Fakt ist, dass LEAP/E2020 seit dem Beginn der weltweiten systemischen Krise in 2006 nicht mehr solch eine chronologische Konvergenz von derart explosiven und fundamentalen Faktoren (Wirtschaft, Finanzen, geopolitisch …) gesehen hat wie heute. Logisch, dass wir daher nun im Rahmen unserer Bemühungen, regelmäßig einen ´Krisen-Wetterbericht` zu veröffentlichen, gegenüber unseren Lesern ´Alarmstufe Rot` kommunizieren müssen, da die bevorstehenden Ereignisse, die sich gerade daran machen, das Weltsystem im September/Oktober durchzuschütteln, in diese Kategorie fallen.“

5. Zunehmender Pessimismus

Eine jüngst unter Konzernchefs durchgeführte Umfrage ergab, dass gerade einmal 20% von ihnen damit rechnen, dass sich die Wirtschaft innerhalb der kommenden zwölf Monate verbessern wird, während 48% davon ausgehen, dass sich die Wirtschaft innerhalb der nächsten zwölf Monate weiter verschlechtert.

6. Spanien

Beim spanischen Finanzsystem handelt es sich im Grunde um einen einzigen Albtraum. Moody´s hat die Qualität der spanischen Staatsschulden vor kurzem auf eine Stufe über Ramschstatus abgesenkt. Eine Woche zuvor hatte dieselbe Kreditratingagentur bereits die Bonität von 28 spanischen Banken herabgestuft.

Laut CNBC sind die kurzfristigen Kreditkosten Spaniens mittlerweile dreimal höher als noch vor 30 Tagen:

„Spaniens kurzfristige Kreditkosten haben sich bei der Auktion am Dienstag fast verdreifacht, was die prekäre Finanzlage des Landes nur noch unterstreicht, das mit der Rezession und nun auch noch einer Schuldenkrise bei seinen jüngst abgewerteten Banken zu kämpfen hat.

Die Rendite für 3-monatige Schuldverschreibungen des Staats lag bei 2,362%, was gegenüber dem Vormonat einem Anstieg von 0,846% entspricht. 6-monatige Schuldverschreibungen kletterten auf 3,237%, ein Anstieg von 1,737% gegenüber Mai dieses Jahres.“

Das sind natürlich extrem schlechte Neuigkeiten.

7. Italien

Die Lage in Italien verschlechtert sich zusehends, und viele Analysten gehen davon aus, dass Italien der nächste Dominostein sein könnte, der zu Boden kracht. Das Folgende stammt aus einem jüngst veröffentlichten Businessweek-Artikel:

„Die drittgrößte Wirtschaft der Eurozone wird als nächster Domino erachtet, der Gefahr läuft zu stürzen, nachdem es am 09.06.2012 zu der EU-Vereinbarung kam, Spanien USD 125 Milliarden zur Rettung seiner Banken zu leihen. Die Rendite für die 10-jährige italienische Staatsanleihe kletterte am 13.06.2012 auf 6,2%. Im März lag sie noch bei 4,8%. Dadurch, dass die Investoren die Kreditkosten Italiens aus Angst vor einer Pleite nach oben treiben, machen sie den Zahlungsausfall noch wahrscheinlicher.“

Ein aktueller Fortune-Artikel nimmt sich einiger wirtschaftlicher Fundamentaldaten Italiens an, die so vielen Ökonomen gegenwärtig Anlass zur Sorge geben:

„Das hervorstechendste Risiko, das Italien in Europas nächsten Domino verwandeln könnte, ist die Größe der ausstehenden Staatsschulden (EUR 1,9 Billionen oder 120% des BSP); der Schuldenberg, der in den nächsten zwölf Monaten prolongiert werden muss (fast EUR 400 Milliarden); und die einbrechende Glaubwürdigkeit im Hinblick auf die Fähigkeit von Premierminister Monti, die Defizite zu reduzieren und Wachstum anzuheizen.

Ferner gibt es Sorgen bezüglich der Kreditwürdigkeit des Landes, was seinen Ausdruck jüngst in den Spreads der Kreditausfallversicherungen, die fast auf Zwischenhochs kletterten, und der Rendite für 10-jährige Staatsanleihen fand – eine Entwicklung, die einsetzte, nachdem die letzten paar Quartale und Jahre ziemlich negative Fundamentaldaten veröffentlicht wurden: Das BSP schrumpft bereits das dritte Quartal in Folge; eine steigende Arbeitslosenrate (speziell unter Jugendlichen); der Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit der Arbeitnehmer; und der zunehmende Wettbewerb bei den Exportgütern für seine wichtigsten Handelspartner.“

8. Griechenland

Über den finanziellen Albtraum, der sich gerade in Griechenland abspielt, habe ich in vorangegangenen Artikeln ja schon hinlänglich berichtet. Die Arbeitslosigkeit ist bereits über die Marke von 20% explodiert, während die Jugendarbeitslosigkeit bei über 50% liegt. Die griechische Wirtschaft ist die vergangenen vier Jahre um fast 25% geschrumpft, und nun erklären die griechischen Politiker auch noch, dass ein drittes Rettungspaket notwendig werden könnte.

9. Zypern

Diese winzige Inselnation Zypern ist jetzt das fünfte Land der Eurozone, das offiziell um Rettungsgelder bittet. Es ist ein weiterer Hinweis darauf, wie schnell die Eurozone auseinanderfällt.

10. Deutschland

Angela Merkel macht in Europa Werbung für Austeritätsmaßnahmen und spricht sich nach wie vor energisch gegen irgendeine Form der Vergemeinschaftung der Eurozonen-Schulden aus. Am 25.06.2012 erklärte Merkel auf einer Konferenz in Berlin, dass eine Schuldenunion in Form von Eurobonds oder eines europäischen Einlagensicherungsfonds nicht in Frage käme. Im Hinblick auf den EU-Gipfel sagte sie:

„Es ist keine gewagte Prognose, zu sagen, dass die meisten Augen in Brüssel – ja alle Augen – wieder einmal auf Deutschland gerichtet sein werden … Ich sage das ganz offen: Wenn ich an den Gipfel am Donnerstag denke, dann bin ich besorgt, dass es bei den Gesprächen wieder einmal viel zu sehr um alle möglichen Ideen bezüglich einer gemeinschaftlichen Haftung und viel zu wenig um eine Verbesserung der Kontrolle und Strukturmaßnahmen gehen wird.“

Merkel sagte, „solange ich lebe“, kämen Eurobonds nicht in Frage. Das heißt, dass wir uns sicher sein können, dass die sich in Europa zurzeit zusehends zuspitzenden Probleme nicht auf die Schnelle gelöst werden.

11. Bank-Runs

Jeden Tag werden aus den Banken im Süden der Eurozone gigantische Summen abgezogen. Ein bedeutender Teil dieser Gelder landet dann bei nordeuropäischen Banken. CNBC erklärte dazu bereits am 28.05.2012:

„Finanzberater und Privatbanker mit Kunden, deren Konten zu groß sind, um durch die europaweite Garantie von bis zu EUR 100.000 abgesichert zu werden, berichten über einen ´Überweisungs-Bank-Run`, der im Mai an Fahrt aufnahm. Ein Großteil dieses Gelds ging in Richtung Londoner, Frankfurter und Genfer Banken, so Finanzberater.

´Es ist ein anhaltender Prozess, aber vor ein paar Wochen hat er definitiv noch einmal an Fahrt aufgenommen. Wir glauben, dass es seit zwei bis drei Jahren einen anhaltenden ´Überweisungs-Bank-Run` gibt,` so Lorne Baring, Geschäftsführer bei B Capital, einer europaweiten Vermögensverwaltung mit Sitz in Genf.“

Wie lange können diese Bank-Runs überhaupt noch durchgehalten werden, bis es zum System-Kollaps kommt?

12. Vorbereitungen auf das Auseinanderbrechen der Eurozone

Ich hatte ja bereits darüber berichtet, dass das Smart Money Südeuropa bereits verlassen hat. Überall in Europa finden sich Großkonzerne, die sich zurzeit auf das Schlimmste gefasst machen. Nehmen wir beispielsweise Visa Europe:

„Visa Europe hält gegenwärtig wöchentliche Treffen ab, um Szenarien rund um den Zusammenbruch der Eurozone zu besprechen, und stimmt sich auch mit anderen Firmen ab, um sich auf ein potenzielles Auseinanderbrechen des Währungsblocks vorzubereiten.

Der Chief Commercial Officer Steve Perry erklärte am Dienstag, dass sich das Management der in Großbritannien ansässigen Kreditkartenfirma wöchentlich trifft, um verschiede mögliche Ausgänge, darunter auch den Kollaps der Eurozone, zu besprechen.“

13. Massiver Rückgang bei der weltweiten Kreditvergabe

Die weltweite Kreditvergabe bricht immer stärker ein. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich erklärte, dass die weltweite Kreditvergabe aktuell so schnell zurückgeht wie zuletzt während der Finanzkrise in 2008.

14. Internetangriffe auf Banken

Es wurde gemeldet, dass sehr geschickt vorgehende Hacker in die Netzwerke dutzender europäischer Banken eindringen konnten. Nach bisherigen Meldungen haben sie bei ihren Internet-Raubzügen bereits EUR 60 Millionen gestohlen:

„Bei einem massiven Internet-Banküberfall wurden EUR 60 Millionen von Bankkonten gestohlen. Die Betrüger überfielen dutzende weltweite Finanzinstitutionen. Laut einem gemeinsamen Bericht der Software-Sicherheitsfirma McAfee und Guardian Analytics wurden über 60 Firmen Opfer von etwas, das als ´Wissen auf Insider-Niveau` bezeichnet wurde.“

Was passiert, wenn wir eines Tages aufwachen und alles Geld in den Banken auf einmal verschwunden ist?

15. Zahlungsunfähigkeit von US-Gemeinden

Überall in den USA finden sich Städte und Gemeinden, die am Rande einer Finanz-Katastrophe stehen. Diese Woche musste Stockton im US-Bundesstaat Kalifornien die Zahlungsunfähigkeit erklären – das ist die bisher größte Stadt in den USA, die die Pleite ausgerufen hat. In Wirklichkeit ist das aber gerade erst der Anfang der Schuldenkrise der US-Gemeinden:

„Das kalifornische Stockton erklärte gestern nach gescheiterten Gesprächen mit Anleihehaltern und Gewerkschaften, dass es Insolvenz anmelden wird, wodurch das agrarwirtschaftliche Zentrum zur größten US-Stadt wird, die einen Antrag auf Gläubigerschutz stellt.

´Die Stadt ist fiskalisch zahlungsunfähig und muss Gläubigerschutz beantragen`, so eine gestern veröffentlichte Erklärung der Stadt …“

16. Obamas Gesundheitsreform

Die US-Wirtschaft ist heute bereits eine einzige Katastrophe und jetzt packt der Oberste Gerichtshof der USA mit seiner jüngsten Entscheidung noch so einen gigantischen Hammer aus. Überall in Amerika vermelden mittelständische Unternehmer, dass sie nun einige Arbeitnehmer entlassen müssen, weil sie es sich unter der neuen Zwangskrankenversicherung schlicht nicht leisten können, alle weiter zu beschäftigen.

Ein arbeitsplatzfeindlicheres Gesetz als Obamacare scheint fast undenkbar – und nun, wo es vom Obersten Gerichtshof für verfassungsgemäß erklärt wurde, werden wir mitverfolgen dürfen, wie zahlreiche Unternehmen einige wirklich harte Entscheidungen treffen werden.

17. US-Wahlen

Es wird gemeldet, dass Barack Obama gerade eine Armee von „tausenden von Rechtsanwälten“ aufstellt, um bei der kommenden Präsidentschaftswahl allen Rechtsstreitigkeiten über die Wahlprozedur und Wahlergebnisse Herr zu werden.

Gegenwärtig sieht es ganz danach aus, als würde die nächste US-Präsidentschaftswahl ein totes Rennen werden, und es besteht durchaus die Aussicht darauf, dass das Ganze in einem neuen Bush vs. Gore Szenario enden wird, bei dem die Gerichte den Präsidenten ausrufen.

Diese Wahlkampfsaison dürfte extrem hässlich werden, und sollte es am Wahltag keinen deutlichen Sieger geben, rechne ich mit dem Schlimmsten. Ja es könnte sogar sein, dass es zu Bürgerunruhen kommt.

Wir leben heutzutage in „interessanten“ Zeiten, so viel ist sicher. Die meisten Sorgen mache ich mir bezüglich der Monate September bis November.

Vor wenigen Tagen sagte Joe Biden während einer Rede: „Für Abermillionen Amerikaner ist es eine Depression.“

Damit liegt er ausnahmsweise mal richtig. Millionen Amerikaner finden zurzeit keine Arbeit und Millionen Amerikaner sind die letzten Jahre aus der Mittelschicht in die Armut abgestiegen. Wenn man alles verloren hat, dann fühlt sich das in der Tat so an, als würde man eine Wirtschaftsdepression durchleben.

Wenn die Menschen alles verlieren, neigen sie dazu, hoffnungslos zu agieren. Hoffnungslose Menschen tun hoffnungslose Dinge – das gilt besonders dann, wenn sie wütend sind.

Es gibt eine ganze Reihe aktueller Umfragen, die belegen, dass die Wut und der Frust in den USA zurzeit auf beispiellose Niveaus steigen. Die Zutaten für eine Explosion sind auf alle Fälle da. Jetzt muss nur noch jemand vorbeikommen und das Pulverfass anstecken. Es ist wirklich erschreckend.

Hoffen wir das Beste … aber wir sollten uns dennoch auch auf das Schlimmste vorbereiten.

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