Laut den Daten der Europäischen Zentralbank ist die Zahl der Geldfälschungen seit Ausbruch des EU-Staatsschuldendebakels drastisch eingebrochen. Den Fälscherbanden scheint das Währungsrisiko im Euroraum mittlerweile viel zu hoch zu sein. Aber es ist mit Sicherheit nicht der einzige Hinweis darauf, dass Euroscheine und Euromünzen schon bald nur noch Sammlerwert haben könnten

Wolf Richter, Testosteronepit.com, 19.07.2012

Meine ersten Erfahrungen mit dem Euro machte ich Dezember 2001, als ich nach Europa reiste, um mit potenziellen Geschäftspartnern bezüglich einer Unternehmensgründung, die dann tatsächlich auch erfolgte, Vorgespräche zu führen.

Mein erster Reisestopp war Deutschland. Die Auslagen bei den Banken waren voller Pro-Euro-Propaganda. Am 01.01.2002 sollten die Euroscheine und –münzen in Umlauf gebracht werden, und das war alles Teil einer langfristigen und groß angelegten Kampagne, um die Deutschen davon zu überzeugen, sich von ihrer Deutschen Mark zu verabschieden.

Die Menschen hatten einige Vorbehalte und Befürchtungen, und einige wollten ihre D-Mark behalten. Meine Geschäftspartner waren aber positiv gestimmt: Der Euro würde zur vorherrschenden Reservewährung werden; Rohöl würde in Euros ausgepreist.

Um diesen einzigartigen geschichtlichen Moment zu feiern, ging ich in eine Filiale der Deutschen Bank und holte mir ein paar Euro Starter Packs, wie sie in gutem Deutsch genannt wurden. Die durchsichtigen Plastiktütchen kosteten DM 20 und enthielten Euromünzen im Gesamtwert von EUR 10,23. Als ich wieder nach Hause kam, verschenkte ich sie als Mitbringsel. Das hier behielt ich:

Im darauffolgenden Jahr war der Euro in allen Portemonnaies angekommen. Ja gut, die Leute regten sich auf. Die Dinge waren teurer geworden. Kleine, aber völlig offensichtliche Dinge. Die Händler hatten aufgerundet. Ein Espresso, der in Deutschland zuvor vielleicht DM 3 gekostet hatte, wurde nun für EUR 2 verkauft, anstatt für EUR 1,50, wie es eigentlich hätte sein müssen.

Aber dann reiste ich nach Belgien – ohne eine Ahnung zu haben, was die Dinge dort vorher gekostet hatten. Und ich stellte auf einmal fest, wie einfach, billig und schnell die Transaktionen in den Euroländern doch vonstatten gingen.

Ich war damals natürlich viel zu sehr mit der Unternehmensgründung beschäftigt, um mir Sorgen um die Geburtsfehler und die inhärenten Probleme der Währungsunion zu machen, die sich ja nicht nur über die 330 Millionen Menschen in der Eurozone erstreckt, sondern überdies noch weitere 150 Millionen Afrikaner betrifft, deren Währungen direkt an den Euro gekoppelt sind, und vielleicht noch weitere 20 Millionen Menschen in anderen Ländern, die ihre Währung ebenfalls an den Euro gekoppelt haben. Ja aus nostalgischen Gründen würde ich mir wünschen, dass der Euro überlebt.

Aber das dürfte Wunschdenken sein. Mit jedem weiteren Tag kommen neue Entwicklungen hinzu, die mich immer stärker daran zweifeln lassen. Jetzt stellte sich beispielsweise heraus, dass selbst die Geldfälscher das Vertrauen in den Euro verloren haben.

Fakt ist, dass die Euroschein-Fälschungs-Blase buchstäblich in sich zusammengebrochen ist. Die Europäische Zentralbank veröffentlicht zweimal im Jahr einen Geldfälschungsbericht, worin die Fälschungs-Blase und ihr Niedergang dokumentiert wird – eine Blase, die übrigens, wenn nicht vom Umfang her, so aber zumindest zeitlich mit anderen Blasen wie beispielsweise der Wein-Blase zusammenfällt.

Nach einer ziemlich gleichmäßigen Phase bis 2006 explodierte die Fälschung von Euroscheinen auf einmal um 70% und erreichte im zweiten Quartal 2009 ein Allzeithoch. Leider kam es dann zur Finanzkrise, in deren Folge die Eurokrise einsetzte und damit begann, an den Rändern der Eurozone zu nagen, und die Geldfälscher verloren gemeinsam mit dem Rest der Finanzmärkte das Vertrauen in die Einheitswährung. Bis zur ersten Jahreshälfte 2012 waren die Geldfälschungen um 44% eingebrochen, und der freie Fall scheint immer noch nicht beendet zu sein.

Die EZB ermittelt die Daten, indem sie die Zahl der gefälschten Geldscheine erfasst, die aus dem Umlauf genommen werden. Der am meisten gefälschte Geldschein ist der 20-Euro-Schein (42,5%), gefolgt vom 50-Euro-Schein (34,5%). Die am wenigsten gefälschten Banknoten sind der 5-Euro-Schein und der 500-Euro-Schein. 97,5% aller gefälschten Scheine wurden in der Eurozone eingezogen, 2% in anderen europäischen Ländern und 0,5% im Rest der Welt.

Obwohl die Tatsache, dass selbst die Geldfälscher das Handtuch werfen – vielleicht besorgt darüber, dass sie auf hochriskanter aber unverkäuflicher Ware sitzen bleiben – für die Eurobefürworter bereits schlimm genug sein dürfte, können wir nun auch noch beobachten, wie sich in der Eurozone eine zunehmend deutlichere Demarkationslinie abzeichnet, die die Länder in zwei Regionen spaltet, auch wenn diese Linie die Südländer nicht gleichmäßig von den Nordländern trennt, so wie es oftmals dargestellt wird.

Auf der einen Seite finden sich Länder, deren Regierungen in der Lage sind, zu negativen Zinsen Geld aufzunehmen, das heißt, dass – so absurd das auch vor nicht allzu langer Zeit noch geklungen haben mag – sich verzweifelte Investoren bereiterklären, den Ländern Geld zu leihen und dafür sogar noch zu zahlen. Ein garantiertes Verlustgeschäft also.

Zu dieser Gruppe gehören Deutschland, Frankreich, die Niederlande und Belgien (!); in den Sekundärmärkten ist es auch bei finnischen und österreichischen Staatsanleihen zu negativen Renditen gekommen. Die Eurozonennachbarn Dänemark und Schweiz haben ebenfalls kurzzeitig Negativzinsen erzielen können. Das ist die Negativzinspolitik in Aktion.

Auf der anderen Seite stehen die Länder, deren Regierungen den Zugang zu den Finanzmärkten verloren haben oder gerade dabei sind, den Zugang zu verlieren. Zu diesen Ländern gehört auch Spanien. Die Renditen für spanische Staatsanleihen steigen zusehends, ungeachtet des EUR 100 Milliarden Bankenrettungspakets, das mit der Abstimmung des deutschen Bundestags die letzte Hürde geschafft hat.

Und da die Rendite für die 10-jährige spanische Staatsanleihe zurzeit bei über 7% liegt, sieht es ganz so aus, als bräuchte Spanien nicht nur ein Bankenrettungspaket, sondern schon bald eine vollumfängliche Rettung, was aber an den Hauptproblemen des Landes nichts ändern wird: Eine zusammengebrochene Wirtschaft mit einer Arbeitslosenrate von 24,4% und einer Jugendarbeitslosigkeit von über 50%.

Vielleicht geschieht ja ein Wunder und man findet für die Eurokrise eine Lösung (unwahrscheinlich), oder alle 17 Euroländer erklären sich bereit, die für die EZB relevanten Verträge dergestalt zu verändern, dass es der Europäischen Zentralbank möglich ist, hemmungslos Geld zu drucken und Staatsanleihen zu monetisieren (ebenfalls unwahrscheinlich).

Wahrscheinlicher ist, dass man versuchen wird, so viel Zeit zu gewinnen als möglich, während unterdessen vielleicht ein oder zwei Euroländer aus der Währungsunion austreten. Und wenn es dann hart auf hart kommt, dürfte die die Eurozone entweder in zwei Teile – vielleicht entlang der Demarkationslinie – zerbrechen oder in die alten Nationalwährungen der Euroländer zerfallen.

Ich werde mein Starter Pack, dieses ungeöffnete Plastiktütchen voll makelloser Euros, die nie jemand angefasst hat, auf alle Fälle behalten – denn eines Tages dürfte es, wie ich fürchte, Sammlerwert besitzen.

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