Die Wirtschaft will mit aller Gewalt Schulden abbauen. Die Gelddruckmaßnahmen sind dabei völlig unerheblich. Seit 2007 ist die US-Geldbasis um über 200% in die Höhe geschossen, während die Geldumlaufgeschwindigkeit bereits auf ein Niveau eingebrochen ist, das zuletzt in den 60er Jahren beobachtet werden konnte. Der Schuldenabbauzyklus steht immer noch ganz am Anfang
David Chapman, MGI Securities, 20.07.2012
Wer sich fragt, warum die Wirtschaft immer noch schwächelt und sich aller Vorausschau nach noch weiter abschwächen wird, sollte mal einen Blick auf die Geldumlaufgeschwindigkeit werfen.
Was ist das überhaupt? Die Geldumlaufgeschwindigkeit wird als die durchschnittliche Frequenz definiert, mit der eine Geldeinheit für neue Waren und Dienstleistungen ausgeben wird. Die Umlaufgeschwindigkeit steht also in direktem Zusammenhang zur Geldversorgung.
Wenn man beispielsweise für irgendetwas USD 100 ausgibt, und die Person, die diese USD 100 erhält, das Geld wieder ausgibt, haben USD 200 den Besitzer gewechselt, obwohl nur USD 100 im System sind. Das heißt, dass diese USD 100 innerhalb eines Jahres zwei Mal ausgegeben wurden.
In einem etwas komplexeren Zusammenhang handelt es sich bei der Umlaufgeschwindigkeit um das Verhältnis des Bruttosozialprodukts zur Geldmenge.
Aktuell liegt die Umlaufgeschwindigkeit knapp unter der Marke von 1,6, also auf einem Niveau, das zuletzt in den 60er Jahren beobachtet werden konnte – nur mit dem Unterschied, dass die Wirtschaft in den 60er Jahren wuchs und bedeutend gesünder war als heute.
Aber wie kann es dann sein, dass die Umlaufgeschwindigkeit heute dieselbe ist wie in den 60er Jahren, wo sich die Wirtschaft gegenwärtig doch nicht ansatzweise so gut entwickelt wie damals?
Die Antwort ist simpel: Schulden. Es gibt heute viel zu viele Schulden. In den 60er Jahren war das Schuldenniveau relativ gering und die Sparquote hoch. Heute ist das genaue Gegenteil der Fall: Das Schuldenniveau ist viel zu hoch und die Sparquote viel zu gering.
All diese Aspekte zeigen, dass das Axiom, eine Ausweitung der Geldmenge würde die Umlaufgeschwindigkeit erhöhen, falsch ist. Ja sicher, in einer Wirtschaft mit geringer Verschuldung und hoher Sparquote mag es durchaus so sein, dass all das zusätzliche Geld tatsächlich für Waren und Dienstleistungen ausgegeben wird und das BSP steigt – heutzutage verhält es sich aber nicht so.
In den letzten paar Jahren ist die Geldmenge stark angestiegen, was auf die Nullzinspolitik und die quantitativen Lockerungsmaßnahmen zurückzuführen ist. M1, die am engsten gefasste Definition für die Geldmenge, ist seit Ende 2007 um 65% gestiegen, während M2 mit 32% etwas moderater zulegte.
In einem vor zwei Wochen veröffentlichten Artikel hatte ich bereits gezeigt, dass die US-Geldbasis während desselben Zeitraums um 208% explodiert ist. Die US-Gesamtverschuldung ist unterdessen um rund 20% gewachsen, wobei der überwiegende Teil dieses Wachstums von der US-Regierung kommt und die Verschuldung der Privathaushalte sogar zurückgegangen ist.
Der Verbraucher hat sein Geld also nicht für Waren und Dienstleistungen ausgegeben, sondern zur Tilgung seiner Schulden genutzt, was maßgeblich zu dem Einbruch der Umlaufgeschwindigkeit beitrug, da das Geld, anstatt in den Kauf von Waren und Dienstleistungen zu fließen (was mit einem Anstieg des BSP einhergegangen wäre), in die Schuldentilgung geflossen ist.
Interessant ist auch, dass die Geldumlaufgeschwindigkeit während der 90er Jahre von rund 1,8 auf 2,1 stieg. Nach dem Aktienmarktcrash des Jahres 1987 und der Rezession zu Beginn der 90er Jahre glaubten die Geldbehörden, dass man durch eine erhöhte Ausweitung der Geldmenge in der Lage sei, die Wirtschaft anzukurbeln.
Bis zu einem gewissen Grad funktionierte das auch. Das Problem ist nur, dass die entsprechenden geldpolitischen Maßnahmen auch die Ursache für die Ausweitung der Verschuldung der Privathaushalte und Unternehmen sind. Die US-Regierung tat zu jener Zeit das genaue Gegenteil und wies sogar Haushaltsüberschüsse aus. Im Ergebnis wurde das Wirtschaftswachstum also durch die Schuldenausweitung der Privatbürger und Unternehmen angeheizt.
Und obwohl die enorme Ausweitung der Geldmenge während der 90er Jahre das Wirtschaftswachstum tatsächlich befeuerte, floss das Geld auch in spekulative Bereiche, was erheblich zu der Aktienmarktblase Ende der 90er Jahre beitrug. Als dann zu Beginn des letzten Jahrzehnts die Rezession Einzug hielt, der das Platzen der Technologie- und Internetblase folgte, brach auch die Umlaufgeschwindigkeit ein.
Die Geldbehörden intervenierten abermals, indem sie die Zinsen senkten und das Finanzsystem mit Liquidität fluteten. Das Ergebnis war, dass die Geldmenge erneut rasch ausgeweitet wurde. Die US-Regierung stützte das Geldmengenwachstum zusätzlich noch durch Steuersenkungen und verwandelte ihre beträchtlichen Überschüsse in beträchtliche Defizite.
Und auch dieses Mal schien es zu funktionieren, da die Umlaufgeschwindigkeit wieder anzog. Trotzdem erreichte sie nie mehr die Niveaus, die vor dem Höhepunkt zwischen 1996 und Anfang 1998 erzielt wurden. Das BSP wuchs, aber nur langsam. Und obwohl die Geldumlaufgeschwindigkeit nicht mehr auf ihre alten Höchststände kam, zog sie dennoch rasant an.
All die Schulden und all das Geldmengenwachstum trugen zu der Eigenheimblase und der Derivateblase bei, die dann im Rahmen der Finanzpanik der Jahre 2007 und 2008 platzen. Die Geldumlaufgeschwindigkeit brach abermals ein und die Schulden implodierten, was zu Zwangsvollstreckungen und Pleiten führte.
Die Regierung intervenierte, um den vollständigen Finanz-Kollaps zu verhindern, und die Staatsschulden explodierten. Seit Ende 2007 ist die US-Staatsverschuldung um USD 5,6 Billionen oder 110% angewachsen. Das BSP-Wachstum fiel unterdessen sehr schwach aus, wenn man hier nicht gar von einer anhaltenden Schrumpfung sprechen kann.
Der vollständige Zusammenbruch des Finanzsystems und eine Depression konnten durch all die Gelder, die ins Finanzsystem gepumpt wurden, zwar verhindert werden, doch angesichts der Tatsache, dass die Umlaufgeschwindigkeit weiter einbricht, ist offenkundig, dass diese Maßnahmen letztlich nur wenig gebracht haben.
Theoretisch hätten all diese Geldinjektionen dazu führen müssen, dass die Umlaufgeschwindigkeit steigt. Das ist aber nicht der Fall, da es einfach viel zu viele Schulden gibt – und solange diese Schulden nicht durch Zahlungsunfähigkeit oder sukzessive Rückzahlung abgebaut werden, wird die Wirtschaft weiterhin kaum Wachstum verzeichnen oder, noch schlimmer, schrumpfen.
Eine weitere Finanzkrise des Kalibers von 2007 und 2008 könnte die Wirtschaft in den Abgrund reißen. Und das würde bedeuten, dass die Wirtschaft nicht nur in eine tiefe Rezession, sondern wohl eher in eine Depression abtaucht.
Der Schuldenabbauzyklus steht immer noch ganz am Anfang. Es wird wahrscheinlich noch Jahre dauern, bis die Ausschweifungen der 90er Jahre und zu Beginn des letzten Jahrzehnts abgebaut worden sind. Die negativen Folgen, die von diesem exzessiven Zyklus herrühren, dürften uns noch eine ganze Weile begleiten – Folgen, die schon zu erhöhten gesellschaftlichen Spannungen und Bürgerunruhen geführt haben und sogar über das Potenzial verfügen, einen weltweiten Krieg vom Zaum zu reißen.