Martin Sibileau, From The Trenches, 30.07.2012

Abgesehen vom Start der Olympischen Spiele hatten wir vergangene Woche zwei Hauptfaktoren, die die Märkte auf makroökonomischer Ebene dominierten. Zunächst einmal war da die Hoffnung, dass die Europäische Zentralbank endlich intervenieren würde, indem sie Staatsschulden monetisiert. Und dann wird damit gerechnet, dass die US-Notenbank Federal Reserve auf dem nächsten Treffen des Offenmarktausschusses irgendeine Form von geldpolitischer Lockerungsmaßnahme bekanntgeben wird.

Beide Erwartungen sind jedoch schlicht unrealistisch.

In Europa – wo mittlerweile völlig klar ist, dass kein Austeritätsprogramm, egal in welcher Form, irgendeinem Land etwas bringen würde – herrschte das Gerücht vor, dass die Europäische Zentralbank bereit sei, alles Erforderliche zu tun, um die Währung zu retten. Nun sollte man aber vorsichtig sein mit dem, was man sich wünscht. Bisher haben sie nicht das Geringste gerettet, sondern lediglich sichergestellt, dass die Eurozone nicht mehr länger über ein solventes Bankensystem, vertrauenswürdige Kapitalmärkte oder auch nur Geldmarktfonds verfügt.

Zunächst einmal war bezüglich der Schaffung einer Fiskalunion in letzter Zeit überhaupt nichts mehr zu hören – und das sagt uns bereits alles. Und wenn Sie mit unserer Einschätzung nicht konform gehen, dann müssen Sie zunächst einmal erklären, wie – sollte an all den Gerüchten tatsächlich etwas dran sein – es sein kann, dass WTI Rohöl nicht über die Marke von USD 90,50 pro Barrel oder Gold über seine wichtige Widerstandsmarke von USD 1.643 pro Unze ausbrechen konnte.

Wenn Meldungen dieser Art tatsächlich wahr wären, hätte das an den Märkten zu einem Beben geführt. Die Rally, die den Euro auf über USD 1,23 hievte, ist lediglich darauf zurückzuführen, dass Shorts eingedeckt wurden und sich das Smart Money aus dem Staub machte.

Und was die US-Notenbank anbelangt, haben wir mittlerweile zahlreiche Perspektiven gehört und gelesen. Was uns dabei jedoch ziemliche Schwierigkeiten bereitet, ist die Tatsache, dass praktisch alle Analysten Wirtschaftsdaten des US-amerikanischen Privatsektors heranziehen, um ihre Erwartungen bezüglich der Geldpolitik zu begründen.

Was wir damit sagen wollen? Die Analysten schauen sich also den Immobilienmarkt, die Auftragseingänge, die Beschäftigungsdaten, den Verbrauch, die Inflation usw. an, um zu ermitteln, ob die Fed nun durch den Aufkauf von US-Staatsanleihen Geld drucken wird oder nicht. Sind diese Analysten wirklich so naiv oder wollen sie uns hier irgendwelche Märchengeschichten verkaufen?

Das US-Haushaltsdefizit beläuft sich auf über USD 120 Milliarden pro Monat. Das ist dieselbe Menge Geld, die die Spanier nach eigenem Bekunden für die Rettung ihrer Banken benötigen. Das passiert in den USA also jeden einzelnen Monat.

Das US-Finanzministerium muss daher Schulden verkaufen, um dieses Defizit zu finanzieren. Die Frage lautet daher: Wer kauft diese Schulden? Das letzte Mal, als wir dieser Fragestellung nachgegangen sind, war es so, dass die Fed unter Operation Twist 91% aller langlaufenden US-Staatsschulden gekauft hat. 91%!!! Und der Rest? Haben den die anderen Zentralbanken gekauft? Wahrscheinlich. Jedenfalls sagt uns das, dass die wirkliche Nachfrage nach diesen Papieren weit unter 10% liegen dürfte.

So, und wenn Sie jetzt immer noch glauben, dass sich die US-Notenbank irgendwelche Wirtschaftsdaten des Privatsektors anschaut, um darüber zu befinden, ob sie nun US-Staatsschulden monetisiert oder nicht, dann brauchen Sie hier auch nicht weiterzulesen. Wie kann es sein, dass niemand QE3 oder irgendwelche anderen in Aussicht stehenden geldpolitischen Maßnahmen mit dem Haushaltsdefizit der US-Regierung in Zusammenhang bringt?

Ja, wie kann das sein? … Da wir aus Argentinien stammen, können wir uns daran erinnern, dass alle ernsthaften Diskussionen über geldpolitischen Maßnahmen – völlig unabhängig vom politischen Geschehen – immer auf engste mit einer Analyse der finanzpolitischen Situation und des künftigem Geldbedarfs des Landes verknüpft waren. Hier in den Industrieländern hingegen scheint das Haushaltsdefizit von den Handlungen der US-Notenbank völlig losgelöst zu sein. Wir gehen jedoch davon aus, dass sich das bis Ende dieses Jahres ändern wird.

Überdies gehen wir davon aus, dass das Schicksal der Eurozone bis Ende 2012 entschieden sein wird: Entweder zum Besseren oder zum Schlechteren. Aber es wird eine Entscheidung geben. Und danach wird sich die Welt wieder auf die fiskalische Situation der USA konzentrieren.

Werden wir dann beispielsweise noch erleben, wie die Märkte pünktlich Donnerstagmorgen um 8:30 Uhr aufgrund der neuesten Arbeitslosendaten schwächeln oder werden die Märkte stattdessen eher auf Meldungen bezüglich der fiskalischen Performance der US-Regierung reagieren?

Und genau das ist der Grund, warum wir nicht davon ausgehen, dass die US-Notenbank – entgegen dem, was einige erwarten – beim nächsten Treffen des Offenmarktausschusses eine Senkung des Einlagesatzes für die bei ihr gehaltenen überschüssigen Geldreserven verkünden wird.

Genau das hat nämlich die Europäische Zentralbank auf ihrem letzten Treffen getan und dem europäischen Geldmarkt dadurch den Todesstoß versetzt. Die USA können sich derartiges aber nicht leisten, weil es sich beim US-Dollar immer noch um die Weltreservewährung handelt, und wenn der US-Geldmarkt vernichtet wird, ist der Repo-Markt ebenfalls erledigt.

Mit dem Repo-Markt wird aber das Schneeballsystem in den Futures- und Rohstoffmärkten finanziert – würde man ihn in Gefahr bringen, wäre das eine ernste Bedrohung für die globale Rolle des US-Dollars. Die US-Notenbank weiß das natürlich und wird unseres Erachtens daher lediglich versuchen, die Märkte nach oben zu reden. Wir werden aber nicht hinhören.

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