Es könnte alles so schön sein, wenn da nicht das Staatsschuldendebakel der Euroländer wäre. Zumindest auf dem Papier sind seit Einführung der europäischen Einheitswährung 15% aller von der EZB aus dem Nichts gedruckten Euros goldgedeckt, und das obschon in den letzten Jahren Unmengen an frischem Papiergeld aus dem Hut gezaubert wurden
Axel Merk, Merk Funds, 31.07.2012
Als der Euro eingeführt wurde, hielt die Europäische Zentralbank (EZB) rund 15% ihrer Vermögenswerte in Gold. Dieses Verhältnis ist bis zum heutigen Tage relativ stabil geblieben, was auch dazu führte, dass jede Menge Gerüchte aufkamen, darunter auch die Behauptung, dass der Euro den US-Dollar ersetzen könnte. Wir werden im Folgenden der Fragestellung nachgehen, ob diese EZB-Goldbestände Zufall oder Strategie sind.
Wenden wir uns zunächst einmal den Zahlen zu. In der unten stehenden Grafik wird der prozentuale Goldanteil an den Gesamtaktiva der EZB dargestellt. Aus dem Chart geht hervor, dass dieser Anteil trotz einer bedeutenden Ausweitung der Bilanz relativ stabil geblieben ist:
Die von der EZB gehaltenen Gesamtvermögenswerte können auch als Stellvertreter für die Geldmenge erachtet werden, die „gedruckt“ worden ist. Sie sind aber nur ein grober Gradmesser, da die Gesamtbilanz der EZB weder die wirkliche Menge gedruckter Geldscheine ausweist, noch die sich in Umlauf befindliche Geldmenge widerspiegelt. Überdies machen sich auch Sterilisierungsmaßnahmen als Anstieg bei den Vermögenswerten bemerkbar.
Auf die Zentralbankbilanzen wird dennoch sehr oft Bezug genommen, da eine Zentralbank das Geld, mit dem sie Vermögenswerte erwirbt, buchstäblich aus dem Nichts druckt. Ben Bernanke, der Vorsitzende der US-Notenbank Federal Reserve (Fed), hat diese Eigenschaft des Fiatgeldes als Druckerpresse bezeichnet.
Für uns ist es eher eine Art von Supergeld, da die Zentralbank dem Bankensystem durch den Aufkauf von Vermögenswerten Bargeld zur Verfügung stellt, welches es den Geschäftsbanken dann erlaubt, ein Vielfaches der „gedruckten“ Zentralbankgeldmenge als Kredite weiterzureichen.
Und obschon die Banken bei der Kreditvergabe in jüngster Zeit sehr zurückhaltend gewesen sind – was aus der niedrigen Geldumlaufgeschwindigkeit hervorgeht –, vergleichen wir das gerne mit einem Baby, dem man eine Waffe in die Hand gibt: Nur weil ein Baby, dem man eine Waffe in die Hand gegeben hat, damit noch niemanden verletzt hat, heißt das noch lange nicht, dass das Ganze nicht gefährlich ist.
Dies vorausgeschickt werden wir uns jetzt einmal die Gesamtaktiva der EZB anschauen:
Unsere grafische Aufarbeitung zeigt, dass, obschon die Zentralbank in der Lage ist, Geld zu drucken, Vermögen nicht aus dem Nichts geschaffen werden kann: Während das Geld gedruckt wurde, wertete Gold auf Eurobasis auf. Und obwohl die Inflation in offiziellen Indikatoren wie dem Verbraucherpreisindex nicht auftaucht, werden die geldpolitischen Lockerungsmaßnahmen durch den Goldpreis entsprechend widergespiegelt.
Um uns ein wenig tiefgründiger mit der Fragestellung auseinanderzusetzen, ob es sich bei den Goldreserven nun um einen Zufall oder eine absichtsvolle Strategie handelt, werden wir uns noch einmal die Goldbestände der EZB anschauen:
Die EZB bewertet ihre Goldbestände zum Marktpreis. Von der Einführung des Euros bis zum Beginn der Finanzkrise hatte die EZB Gold abverkauft. Seit dem Krisenbeginn hat die Europäische Zentralbank ihre Goldbestände aber auf einem stabilen Niveau gehalten.
Um die Motivation zu verstehen, müssen wir uns hier noch einmal der Tatsache bewusst werden, dass, wenn wir über EZB-Goldbestände sprechen, es in Wirklichkeit um die Goldbestände der Eurozone geht.
Obwohl die EZB in der Tat ein klein wenig physisches Gold hält, wird der überwiegende Teil der Goldreserven von den einzelnen nationalen Zentralbanken der Eurozone gehalten. Das darf jetzt aber nicht mit der Diskussion verwechselt werden, wo die einzelnen Zentralbanken ihr Gold lagern.
Von Bedeutung ist, dass jedes Euroland bezüglich seiner Goldreserven seine eigene Agenda verfolgt. Deutschland widerstand dem politischen Druck, seine Goldreserven zu verkaufen, da die Gewinne der Bundesbank (Buba) im Anschluss an die Regierung transferiert worden wären. Die Buba hat nahegelegt, dass ein Verkauf der Goldbestände einzig dazu beitragen würde, die Haushaltsdefizite der Regierung zu stützen.
Italien hat, wie aus der oben stehenden Tabelle hervorgeht, überhaupt kein Gold verkauft. Im Gegensatz dazu traten die Niederlande bis zum Ausbruch der Finanzkrise als eifrige Goldverkäufer auf. Portugal war ebenfalls ein aggressiver Goldverkäufer. Die Goldverkäufe stehen also nicht unbedingt mit der finanziellen Gesundheit eines Eurolandes in Zusammenhang, sondern sind eher auf die kulturelle Einstellung in den einzelnen Ländern gegenüber dem gelben Metall zurückzuführen.
Wir werden jetzt kurz auf die andere Seite des Atlantiks blicken, um herauszufinden, ob die Goldstrategie der EZB den US-Dollar untergräbt. Die Fed bewertet ihre Goldreserven aktuell mit USD 44,22 pro Unze. Zum Zwecke der Vergleichbarkeit haben wir die Goldreserven der Fed in der nachfolgenden Grafik jedoch dem Marktpreis angepasst.
Die oben stehende Grafik setzt in 2006 ein, da wir uns auf die Phase der Finanzkrise konzentrieren wollen. Die Fed ist ein aggressiverer Gelddrucker gewesen als die EZB, weshalb der prozentuale Anteil der Goldbestände an den Gesamtaktiva bei der Fed auch deutlicher zurückging als bei der EZB.
Es ist offenkundig, dass es keine perfekte Beziehung zwischen der Bilanzgröße und dem Goldpreis gibt, da hier auch noch andere Aspekte wie die Angebots- und Nachfragesituation des Metalls mit hineinspielen. Nichtsdestotrotz dürfte die Ausweitung der Fiatgeldmenge, den Wert des Geldes absenken, wenn man ihn in Realwerten wie Gold auspreist.
In der Vergangenheit hatten wir die Fed immer als den Weltmeister des Gelddruckens bezeichnet (gemessen an dem prozentualen Wachstum der Zentralbankbilanzen seit August 2008), doch die Bank von England hat der US-Notenbank diesen Titel kürzlich abgenommen. Aber wir schweifen gerade ab.
Aus den uns vorliegenden Daten geht hervor, dass die Finanzkrise die Zentralbanken verschreckt und dazu veranlasst hat, ihre Goldbestände zu behalten. Darüber hinaus können wir keine aktive Strategie hinter den Goldreserven der EZB erkennen, die zurzeit 15% ihrer Gesamtvermögenswerte repräsentieren. Stattdessen hat die Tatsache, dass die EZB das Gold zu Marktpreisen bewertet, schlicht dazu geführt, dass der prozentuale Anteil ihrer Goldreserven relativ stabil geblieben ist.
Das war natürlich vor dem 26.07.2012, als der EZB-Präsident Mario Draghi erklärte, „alles Erforderliche [zu] tun, um den Euro zu erhalten.“ Eine Interpretation dieser Aussage wäre, dass sich die EZB gerade auf weitere Gelddruckmaßnahmen vorbereitet.
Zum jetzigen Zeitpunkt legen die kulturellen Differenzen bezüglich der Lösung der Finanzkrise – in Europa wird Austerität präferiert, während man in den USA zunächst einmal an Wachstum denkt – nahe, dass der Euro den US-Dollar langfristig ausstechen müsste – sofern man davon ausgeht, dass es bei der Eurozonen-Schuldenkrise keine weiteren ernsthaften negativen Auswirkungen gibt.
Hilfreich ist, sich hier noch einmal vor Augen zu führen, dass die Inflation historisch gesehen immer eine Reaktion auf einen Deflationsschock ist. Hätte man den Markt ungehindert agieren lassen, wäre es unseres Erachtens bereits im Rahmen der Kreditkrise des Jahres 2008 zu einem bedeutenden Deflationsschock gekommen.
Erst die Bekämpfung der Marktkräfte durch die geldpolitischen Entscheidungsträger dürfte die Inflation auslösen. Bernanke hat derartigen Pessimismus kürzlich jedoch vom Tisch gewischt. Die oben aufgeführten Charts weisen aber unzweideutig darauf hin, dass Gold im Hinblick auf die gelddruckfreundlichen Zentralbanker ein sehr sensibler Indikator ist.
Wir sprechen uns bereits seit langem dafür aus, dass Investoren sich überlegen sollten, ob sie sich nicht besser für einen diversifizierten Ansatz entscheiden und von derart banalen Dingen wie Fiatgeld abwenden.