Wolf Richter, 01.08.2012, Testosteronepit.com

Es muss Mario Draghi, den unglückseligen Präsidenten der Europäischen Zentralbank, zur Weißglut bringen, mit anzusehen, wie meisterhaft die US-Notenbank Federal Reserve und die Bank von Japan ihre entsprechenden Kreditmärkte manipulieren. Wie sie die Kreditmärkte zum Wohle der Finanzinstitutionen manipulieren und es ihren Regierungen erlauben, sie riesige Defizite aufrechtzuhalten – riesig nach europäischen Schuldenkrisen-Standards – und diese dann auch noch inflationsbereinigt kostenlos zu finanzieren.

Und das alles auf Kosten einer ganzen Investorenklasse, der Sparer und der Menschen, die zu kämpfen haben, überhaupt über die Runden zu kommen. Der Begriff dafür ist Finanzrepression. Aber Draghi scheint einfach nicht in der Lage zu sein, das hinzubekommen.

In seinem Zuständigkeitsbereich sind die Renditen für Staatsanleihen in einigen Ländern negativ, während sie auf der anderen Seite des Spektrums bereits ein Niveau erreicht haben, das Ramschpapieren zukommt. Einige Länder wie Griechenland haben zu den Finanzmärkten überhaupt keinen Zugang mehr; die Risikoaufschläge sind schlicht zu stark angestiegen. Aber die Märkte hatten Recht: Griechenland ist pleite und hinterließ in ganz Europa eine Bilanzverwüstung.

Im Gegensatz dazu erstreckt sich die Kreditmarktmanipulation der US-Notenbank tausende von Kilometern einheitlich über das ganze Land und reicht sogar bis nach Kalifornien, das genauso pleite ist wie Griechenland. Doch anstatt die Zahlungsunfähigkeit zu erklären, druckte Kalifornien in 2009 einfach ein paar nett aussehende Schuldscheine in Höhe von USD 2,6 Milliarden und verschickte sie dann als Zahlungsmittel.

Die Fed flutete die Märkte mit noch mehr Geld, das natürlich irgendwo hin musste – und ein Teil dieser Gelder ging in den Westen, so dass selbst Kalifornien in der Lage war, sich aus seinem Haushaltsloch herauszuverschulden. So, und nicht anders, manipuliert eine echte Zentralbank selbst die ärmsten Regionen ihres Kreditimperiums!

Draghi ist wütend. Die Kreditmärkte bestimmter Gebiete der Eurozone sind seiner Kontrolle entglitten und wieder in ihren ursprünglichen Zustand des freien Markts zurückgesunken, wo die Marktteilnehmer und nicht die Zentralplaner anhand der von ihnen wahrgenommenen Risiken über die Anleihepreise und –renditen bestimmen. Und das ist, wie zynische Zungen behaupten würden, dann auch die Definition einer Staatsschuldenkrise.

Am 02.08.2012 wird Draghi einen neuen Versuch wagen, die Kontrolle über die dreisten Gebiete der Kreditmärkte der Eurozone wiederzuerlangen. Die Erwartungen, dass er eine Wunderwaffe aus dem Hut zaubert, um die Schuldenkrise zu bekämpfen, sind immens; schließlich hat er ja versprochen „alles Erforderliche zu tun, um den Euro zu bewahren.“ Noch hat er ja ein paar Waffen im Arsenal.

Beispielsweise könnte Draghi eine weitere langfristige Refinanzierungsoperation (LTRO) ins Leben rufen – ähnlich den beiden LTROs Ende 2011 und Anfang 2012, wo die EZB den Banken insgesamt EUR 1 Billion an ultrabilligen dreijährigen Krediten überreichte, die dann dafür genutzt wurden, spanische und italienische Staatsanleihen zu kaufen, die jetzt in den Bankbilanzen verrotten. Es scheint aber nicht sonderlich wahrscheinlich, dass das in nächster Zeit noch mal probiert wird.

Er könnte auch die Qualitätskriterien für von der EZB akzeptierte Vermögenswerte absenken. Aber die EZB akzeptiert ja bereits alte Fahrräder als Kreditsicherheit. Nun gut, griechische Schulden werden nicht mehr akzeptiert – sie sind weniger wert als alte Fahrräder.

Er könnte verschiedene Zinssätze absenken, aber diese stehen bereits nahe oder bei null – und würde er sie weiter absenken, wären die Folgen, von einer noch stärken Störung der Geldmärkte mal abgesehen, minimal.

Er könnte Geld drucken und in den Sekundärmärkten Staatsanleihen kaufen, ähnlich dem Programm des vergangenen Jahres, das dazu führte, dass nun EUR 211 Milliarden an Staatsanleihen in der EZB-Bilanz verrotten. Diese Praxis wurde im März dieses Jahres aufgegeben, nachdem sich in Deutschland und anderen Ländern massiver Widerstand breitmachte, da die Anleiheaufkäufe gegen die europäischen Verträge verstoßen, die die EZB theoretisch davon abhalten sollen, die Haushaltsdefizite einzelner Euroländer zu finanzieren.

Oder er könnte sich für eine Banklizenz für den Rettungsfonds ESM aussprechen. Aha! Ein Ausweg, um diesen lästigen Verträgen zu entkommen. Ein Allheilmittel.

Mit einer Banklizenz könnte sich der ESM von der EZB unbegrenzte Mengen and Geld leihen und damit dann Staatsschulden der europäischen Schuldensünder kaufen. Für die EZB wäre das natürlich das perfekte Feigenblatt.

Die EZB würde die Regierungen nicht direkt finanzieren, sondern über einen Stellvertreter. Es wäre ein weiterer Trick, um einen Weg zu finden, die Verträge zu umgehen, die die Grundlage der Europäischen Union bilden. Der Preis dafür wäre die Inflation und die Entwertung des Euros – nein, nicht von heute auf morgen, sondern heimtückisch, still und leise über einen längeren Zeitraum hinweg.

Eine Banklizenz für den ESM wäre in der Tat, „was immer erforderlich ist, um den Euro zu retten“.

„´Was immer` bedeutet ´was immer bewilligt wurde`“, so Georg Streiter, der Pressesprecher von Angela Merkel. Und „eine Bankenlizenz für den ESM gehört mit Sicherheit nicht zu unseren Projekten.“

Obwohl Merkel wiederholt erklärte, dass sie „alles“ tun werde, um die Eurozone zu schützen, stellte sie leider keine Auflistung bereit, was zu diesem „alles“ wohl gehören könnte. Eine Banklizenz für den ESM gehört nicht dazu. Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble wischte das vom Tisch.

Und der Vizekanzler und Wirtschaftsminister Philipp Rösler fasste zusammen: „Die Kanzlerin, der Finanzminister und ich stimmen darin überein, dass eine sogenannte Banklizenz für den ESM nicht unser Weg sein kann.“ Deutschland, so Rösler weiter, wolle sich nicht für den „Weg in eine Inflationsunion“ entscheiden.

Draghi wird also keine funktionsfähige Wunderwaffe haben. Ihm werden einzig Worte bleiben – Worte, die so gewählt sind, dass sie die Märkte manipulieren. Sie werden lauter Versprechungen und angeregte Phantasien enthalten, so als könnten Worte eine Schuldenkrise lösen oder die Geburtsfehler der Eurozone beheben.

Die Hoffnung besteht natürlich darin, dass Deutschland nicht nur eine Fed-isierung der EZB toleriert, sondern überdies auch noch Spanien und den Rest der Eurozone rettet. Die Deutsche Bank – de facto Deutschlands stellvertretender Finanzminister, dessen Chef hinter den Kulissen als graue Eminenz fungiert, diese angesehene Institution im Herzen der Deutschland AG – scheint Spanien aber bereits abgeschrieben zu haben.

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