Bob Adelmann, The New American, 28.08.2012

Der Vorsitzende der US-Notenbank Federal Reserve, Ben Bernanke, wird voraussichtlich am 31.08.2012 seine alljährliche Rede in Jackson Hole halten, und die Finanzwelt wartet gebannt darauf, was er zusagen hat. Aller Vorausschau nach wird sie jedoch enttäuscht werden.

In den vergangenen Jahren nutzte Bernanke das Treffen, auf dem nur geladene Gäste teilnehmen dürfen und das von der Federal Reserve of Kansas City in Jackson Hole im US-Bundesstaat Wyoming abgehalten wird, oftmals als Gelegenheit, um die künftigen geldpolitischen Maßnahmen der Fed vorzustellen.

2010 erklärte er, dass eine zweite Runde an geldpolitischen Lockerungsmaßnahmen – auch QE2 genannt – wahrscheinlich sei, und im November begann die Fed dann mit dem Kauf weiterer langlaufender Wertpapiere im Wert von USD 600 Milliarden.

Seitdem hat sich in den USA jedoch kaum etwas geändert: Die Arbeitslosenrate liegt nach wie vor bedeutend über der Marke von 8%, der Eigenheimmarkt liegt zu weiten Teilen darnieder, das BSP kann gerade so positive Werte ausweisen und das Verbrauchervertrauen schwindet.

Einige Investoren gehen davon aus, dass Bernanke bei seiner kommenden Rede in Jackson Hole im Grunde nur die Aussagen des vergangenen Jahres wiederholen wird. In 2011 erklärte er:

„Die Federal Reserve wird mit Sicherheit alles tun, was sie kann, um die hohe Wachstums- und Beschäftigungsrate wieder herzustellen … [aber] die meisten der wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die das langfristige Wirtschaftswachstum stützen, liegen außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Zentralbank.“

Das ist die Art eines Bankers zu sagen: Ja wir ziehen an den Strippen, aber es ist wirkungslos. Skeptiker wie Axel Merk, der Präsident von Merk Investments, erklären, dass die anhaltende Strippenzieherei überhaupt nichts bringen würde:

„Ich glaube nicht, dass sie sich irgendeiner Illusion hingeben, dass eine weitere Runde an Lockerungsmaßnahmen das Wirtschaftswachstum ankurbeln würde. Die Zinssätze sind bereits so niedrig, dass es die beiläufigen Vorteile, die sich durch zusätzliches Geld [das ins System gepumpt wird] ergeben, nicht mehr gibt.“

Obwohl die Marktbeobachter die Anmerkungen von Bernanke aufmerksam mitverfolgen werden, rechnen die meisten nicht damit, dass es neue geldpolitische Lockerungsmaßnahmen geben wird. Allen Sinai, der Chefökonom von Decision Economics, sagte, dass „die Menschen enttäuscht sein werden“, wenn sie glauben, dass Bernanke irgendetwas Außergewöhnliches von sich geben wird.

Catherine Mann, eine Finanzprofessorin an der Brandeis University, schließt sich dieser Auffassung an: „Ich glaube nicht, dass er etwas Neues sagen wird.“ Und auch Mark Gertler, ein Wirtschaftsprofessor der New York University, äußerte seine Zweifel daran, dass Bernanke irgendetwas Neues präsentieren wird:

„Es gab sehr gemischte Signale, weshalb es schwer ist zu sagen, was hier gerade stattfindet. Wir befinden uns in einer Art Grauzone. Ich glaube, Bernanke wird darauf hinweisen, dass die Wirtschaft schlecht läuft, aber es ist schwer mit Sicherheit zu sagen, in welche Richtung er gehen wird.

Das Hauptproblem der Fed ist der Kongress. Ich gehe davon aus, dass Bernanke eine gute Rede halten und erklären wird, dass die Fed alles in ihrer Macht stehende tun wird, dies jedoch kein Ersatz für eine verantwortungsvolle Finanzpolitik sei. Wahrscheinlich wird er den Kongress dazu anhalten, verantwortungsvoll zu handeln. Viel Glück dabei.“

Bernanke sorgte bereits für ein klein wenig Aufregung, als er dem Repräsentanten des US-Abgeordnetenhauses Darrell Issa (Republikaner aus Kalifornien) einen Brief schrieb, worin es hieß: „Es gibt Spielraum für weitere Maßnahmen durch die Federal Reserve, um die finanziellen Rahmenbedingungen zu lockern und die Wirtschaftserholung zu stärken.“

Doch selbst durch diese Anmerkung konnte der Aktienmarkt, der in der Sommerhitze vor sich hindümpelte, kaum bewegt werden. Während der ersten 18 Handelstage dieses Monats bewegte sich der Dow Jones Industrial Average nur an einem Handelstag um mehr als 1% und an fünf Handelstagen lagen die Kursveränderungen sogar nur bei unter 0,1%.

Es gibt aber auch einige, die darauf hoffen, dass Bernanke Hinweise geben wird, die auf ein weiteres Lockerungsprogramm – QE3 – schließen lassen. Hierzu gehört auch Charles Evans von der Federal Reserve of Chicago:

„Ich glaube nicht, dass wir in einen Modus verfallen sollten, wo wir abwarten, um herauszufinden, was die nächsten Veröffentlichungen der [Wirtschafts-]Daten bringen werden. Die Schwelle für weitere Maßnahmen wurde bereits vor langer Zeit überschritten; wir sollten die Maßnahmen jetzt ergreifen.“

Doch die Risiken zu handeln wiegen schwerer als die Risiken, nichts zu tun. Zunächst einmal würden weitere Geldinjektionen in ein ohnehin bereits überkapitalisiertes Bankensystem zu einer bedeutenden Preisinflation führen. Annalyn Censky von CNN Money schreibt dazu:

„Ein bedeutender Teil des zusätzliches Geldes, das die Fed in die Banken gepumpt hat, liegt dort einfach nur herum und erreicht die Verbraucher und Unternehmen nicht. Sollte die Wirtschaft jedoch anfangen, sich in einer schnelleren Rate zu erholen, könnte dieses Geld sehr schnell in die Wirtschaft strömen und eine rasche Inflation verursachen.“

Eine derartige Entwicklung würde die Fed dazu zwingen, einzuschreiten und die Geldversorgung zu verknappen, um der Preisinflation Einhalt zu gebieten, so wie es bereits beim früheren Fed-Vorsitzenden Paul Volcker der Fall war, der sich dazu gezwungen sah, entsprechende Maßnahmen einzuleiten, als die Preisinflation 1981 in der Spitze auf 13% kletterte. Volcker hob die Zinssätze im Juni 1981 auf 20% an, was der Inflation den Garaus machte, aber die Wirtschaft gleichzeitig auch in eine Rezession stürzte.

Ein solcher Anstieg bei den Zinssätzen würde eine Kettenreaktion auslösen. Nicht zuletzt würden dadurch die Finanzierungskosten für die enorme US-Staatsverschuldung steigen. Aktuell kostet es die US-Regierung bereits rund USD 450 Milliarden pro Jahr, um ihre USD 16 Billionen an Schulden zu finanzieren. Sollte ein weiteres „Volcker-Ereignis“ stattfinden, könnten diese Finanzierungskosten auf völlig untragbare USD 3 Billionen pro Jahr anschwellen – ein Betrag, der die Gesamteinnahmen des Staats übersteigen würde.

Das ginge mit unvorstellbaren negativen Folgen für die Anleihemärkte einher, da sich die Investoren – die zurzeit noch bereit sind, der US-Regierung für unter 3% Geld zu leihen – dann auf ihrer Suche nach sicheren Finanzwerten woanders umschauen würden.

Und es bestehen ja ohnehin bereits erhebliche Zweifel daran, dass die US-Regierung in der Lage ist, ihre Schulden zu bedienen, von der Tilgung ganz zu schweigen. Jeffrey Bergstrand, Finanzprofessor an der Notre Dame University, schrieb:

„Die Fed hat eine riesige Bilanz und weiß garnicht so richtig, wie sie all diese Wertpapiere in Zukunft wieder loswerden soll. Das schafft Unsicherheit bei den ausländischen Zentralbanken und Investoren, die irgendwelche US-Wertpapiere halten. Niemand weiß, wann sich China und Japan sagen werden: ´Wir wollen dieses Zeug nicht mehr halten.` Und das kann jederzeit passieren.“

Und es gibt ein weiteres Risiko: Bernanke kündigt irgendeine Art von neuer Twist-Operation oder Aufkäufen an … und es funktioniert wieder nicht. Dadurch würde die Glaubwürdigkeit der Fed – die aufgrund der Tatsache, dass sie der Großen Rezession den Boden bereitet hat und nun unfähig ist, die Auswirkungen in den Griff zu bekommen, ohnehin bereits massiven Schaden erlitten hat – einer weiteren ernsten Gefahr ausgesetzt.

Eric Lacelles, der Chefökonom von RBC Global Asset Management, erklärt dazu treffend: „Das größte Risiko besteht darin, dass die Märkte, sollte es nicht funktionieren, zu der Schlussfolgerung gelangen, dass die Fed an Einfluss verliert.“

In „Warten auf Godot“, einem 1953 geschriebenen Theaterstück von Samuel Backett, das in Paris seine Uraufführung hatte, warten zwei Männer – vergeblich – auf die Ankunft einer Person namens Godot. Sie behaupten, dass Godot ein Bekannter von ihnen sei, doch in Wirklichkeit kennen sie ihn garnicht und räumen auch ein, dass sie ihn nicht einmal erkennen würden, wenn er ihnen über den Weg laufen würde. Um die Zeit totzuschlagen, essen, schlafen, reden, streiten, singen und spielen sie miteinander, ja sie denken gar über Selbstmord nach – alles nur um die „unheimliche Stille auf Abstand zu halten“.

Am 31.08.2012 wird sich der Vorsitzende der Federal Reserve in Jackson Hole zeigen, aber es ist kaum davon auszugehen, dass er irgendetwas zu sagen hat.

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner