Der Edelmetallexperte David Morgan geht davon aus, dass Gold und Silber ihre Tiefs bereits im Mai dieses Jahres ausgebildet haben, und rechnet bei den Metallen bis Ende des Jahres mit weiteren substantiellen Zugewinnen. Im nächsten Jahr dürften sie seines Erachtens sogar auf neue Allzeithochs klettern
The Gold Report, 29.08.2012 (in Auszügen)
The Gold Report: Wie schätzen Sie die künftige Entwicklung der Edelmetalle, der Wirtschaft und der allgemeinen Marktindizes ein?
David Morgan: Bezüglich der Metalle bin ich kurzfristig wie auch langfristig positiv gestimmt. Ich glaube, dass die Minenaktien und die Metalle ihre Tiefs bereits ausgebildet haben. Immer mehr Menschen werden der Tatsache gewahr werden, dass es für dieses schuldenbasierte Geldsystem in Wirklichkeit keinen Ausweg gibt, ganz egal, ob es sich dabei nun um die US-Reservewährung, die Eurozone oder irgendeine andere Region auf dem Planeten handelt, die Fiatgeld nutzt. Wir haben hier ein Problem, und das kann nicht gelöst werden. Wir werden miterleben, dass es im Rohstoffsektor, speziell bei den Edelmetallen, künftig noch mehr Druck geben wird.
TGR: Mitte Mai dieses Jahrs erklärten Sie, dass die Minenaktien und die physischen Metalle ihre Tiefs ausgebildet hätten. Was hat Sie zu einer derart gewagten Prognose verleitet und was ist der Grund dafür, dass Sie nach wie vor eine so hohe Trefferquote haben?
DM: Ich nutze meine eigenen Indikatoren, die von einer langjährigen Erfahrung herrühren. Es gab auch noch eine Reihe anderer Dinge, die für mich ausschlaggebend gewesen sind. Ein Aspekt war, dass die Stimmung so schlecht war, dass sie förmlich danach schrie: „Wir sind am Tief angelangt.“ Ein weiterer Aspekt, der eine Rolle spielte, war, dass das Volumen über einige Tage hinweg außerordentlich hoch war, obwohl es keinen echten Kaufdruck gab. Hier wurden Shorts eingedeckt.
Wenn auf einem Tiefpunkt Shorts eingedeckt werden, ist das ein Hinweis darauf, dass die professionellen Investoren oder das Smart Money das Geld aus dem Markt abziehen. Mit anderen Worten: Sie haben den Markt über sehr lange Zeit hinweg geshortet; sie haben ihr Geld gemacht, und nun verlassen sie den Markt und decken ihre Positionen ein.
All diese Faktoren trugen dazu bei, dass ich mich aus dem Fenster lehnte – was Teil meines Jobs ist – und erklärte, dass es für mich ganz danach aussieht, als hätten wir das Tief erreicht. Meine 30-jährige Branchenerfahrung sagt mir, dass es gewöhnlich rund drei Monate braucht, um ein Tief zu bestätigen. Ich bin mir relativ sicher, dass ich das Tief richtig getroffen habe – jetzt müssen wir nur noch einen weiteren Monat oder so abwarten und schauen, ob ich bei den Metallen mit dieser Einschätzung richtig liege.
TGR: Wie werden sich der Goldpreis und Silberpreis entwickeln?
DM: Bei Silber rechne ich damit, dass es bis Ende des Jahres auf über USD 35 pro Unze und vielleicht sogar bis auf USD 40 pro Unze steigt. Bei Gold gehe ich davon aus, dass wir bis Ende des Jahres USD 1.800 pro Unze sehen könnten.
Es bleiben uns in diesem Jahr ja immer noch vier Monate, und angesichts des Dilemmas, in dem sich die Weltwirtschaft zurzeit befindet, wird es eine Menge Leute geben, die zu etwas zurückkehren werden, das von vielen der angstbasierte Handel genannt wird – und das wird die Metalle nach oben treiben. Hat Gold erst einmal einige der oberen Widerstandslinien durchbrochen, werden wir miterleben, dass viele der Momentum-Player in den Markt kommen werden, um das schnelle Geld zu machen.
TGR: Letztes Jahr sagten Sie einen Silberpreis von USD 75 pro Unze voraus. Was hat sich seitdem geändert?
DM: Was sich geändert hat, ist das Deflations-Schreckensszenario, über das ich ebenfalls gesprochen hatte. Es ist nur so, dass es viel länger anhält. Ich hatte meine Meinung zwischenzeitlich ja bereits revidiert. Das ist auch einer der Gründe, warum man einen Dienst wie den Morgan Report abonnieren sollte, besonders dann, wenn man immer auf dem aktuellsten Stand sein möchte.
Im Grunde gab es durch die zweite Runde quantitativer Lockerung einen enormen Schub, bei dem Silber von USD 26 pro Unze auf USD 48 pro Unze stieg. Viele Leute glaubten, dass diese Aufwärtsbewegung weiter anhalten würde. Ich erklärte hingegen, dass das Hoch bereits getroffen worden sei, und rechnete damit, dass Silber nach einigem Auf und Ab schneller in der Lag sein würde, eine neue Basis auszubilden, als es dann tatsächlich der Fall war.
Als ich begriffen hatte, dass die Ausbildung einer neuen Basis länger dauern würde, als ich ursprünglich gedacht hatte, habe ich meine Auffassung geändert und erklärt, dass wir bis Ende des Jahres wahrscheinlich einen Silberpreis von USD 35 bis USD 40 pro Unze und nicht USD 60 bis USD 75 pro Unze sehen werden.
Werden wir jemals einen Silberpreis von USD 75 pro Unze sehen? Auf jeden Fall. Ich habe immer gesagt, dass Silber mindestens auf USD 100 pro Unze steigen wird. Und ich bin auch immer noch der Meinung, dass das niedrig gegriffen ist – aber bisher sind wir ja noch nicht dort. Wir müssen also erst einmal einen Silberpreis von USD 60 pro Unze und USD 75 pro Unze sehen, bevor wir die USD 100 pro Unze bekommen. Ich gehe nach wie vor davon aus, dass der Preishöhepunkt bei Silber drei bis vier Jahre in der Zukunft liegt.
TGR: Mit welcher Entwicklung rechnen Sie für 2013? Haben Sie für Silber, Gold und die Weißmetalle bestimmte Preisziele?
DM: Ich werde dieses Mal ein weniger zurückhaltender sein, als ich es noch zu Anfang dieses Jahres war. Ich glaube, dass Silber in 2013 über sein nominelles Hoch von USD 48 pro Unze steigen wird. Und was Gold anbelangt, so gehe ich davon aus, dass wir in 2013 die Marke von USD 1.900 pro Unze durchbrechen werden, also das Niveau, das von Gold bereits erklommen wurde.
Ich rechne also bei beiden Metallen für 2013 mit neuen nominellen Hochs. Ich gehe davon aus, dass Gold und Silber sogar noch stärker steigen werden, doch dieses Mal gebe ich keine konkreten Zahlen aus. Ich stand dieses Jahr bereits dumm genug da.
TGR: Wenn wir mal auf die Makroebene wechseln, womit rechnen Sie aus geldpolitischer Sicht für die Realwirtschaft?
DM: Den Wirtschaften geht es in weiten Teilen der Welt nicht sonderlich gut. Überall haben Unmengen an Fehlallokationen von Kapital stattgefunden. China ist ein gutes Beispiel dafür: Es verfügt über Unmengen an Immobilien, die nicht vermietet werden können. Die Preise sind einfach zu hoch.
Nahrungsmittel, mal ganz allgemein gesprochen, notieren aktuell in einigen Fällen niedriger, als dies über eine ganze Zeit hinweg der Fall gewesen ist. Energie, Nahrungsmittel und Wasser sind weltweit von außerordentlich hoher Bedeutung, und in diese essentiellen Elemente ist noch nicht genug Kapital geflossen.
Es gibt viele Staaten, die gerade untersuchen, was sie im Boden haben oder was auf ihren Börden wächst, und die ihre eigenen Rohstoffquellen erschließen wollen. In dem Buch „Resource Wars“ stellt Michael Klare ein Szenario vor, wo die Staaten in den Krieg ziehen, um sich entweder die benötigten Rohstoffe zu beschaffen oder die Rohstoffe, die sie bereits besitzen, zu verteidigen. Nun sage ich hier keinen Krieg voraus, aber es lässt sich bereits ein zunehmender Wettbewerb um die Rohstoffe ausmachen.
Und was das Finanzielle anbelangt, so setzt die politische Klasse in jedem Land zurzeit alles daran, ein verschwommenes und mysteriöses Problem zu kreieren, das sie dann jedem außer sich selbst in die Schuhe schieben kann. In Wirklichkeit sind jedoch die Politiker die Hauptübeltäter, da sie bei der Geldversorgung über derart viel Kontrolle verfügen.
Ich rechne also mit einem Rückgang der Realwirtschaft, künftigen Rohstoffkriegen und einer politischen Klasse, die so tut, als sei alles in Ordnung. Morgen wird alles in bester Ordnung sein – das Problem ist nur, dass dieser Tag niemals kommen wird.
TGR: Schauen wir kurz auf die Minen. Angesichts der Unruhen, die wir in Argentinien, Peru und jüngst auch in Guatemala gesehen haben, welche Länder sind Ihrer Meinung nach die minenfreundlichsten?
DM: Gegenwärtig würde ich sagen Kanada. Wir haben beim Morgan Report erst vor kurzem einen Artikel von David Smith veröffentlicht, worin das gemeinhin ignorierte Silberabbaupotenzial sowie die Minen im Allgemeinen behandelt wurden.
Die Vereinigten Staaten sind immer noch ein guter Ort, speziell wenn man ein ausländischer Investor ist. Wir haben jede Menge Empfehlungen für Mexiko, aber ich bin immer dagegen, zu viel Geld in ein und dieselbe geopolitische Region zu stecken. Einige skandinavische Länder sind gut. In Afrika muss man, basierend darauf, um welchen Teil des Kontinents es sich handelt, genau selektieren.
Sicher, es gibt Rohstoffquellen in Afrika, aber sie werden gerade erst zugänglich gemacht und sind praktisch brandneu. Wir haben in Wirklichkeit keine Ahnung, wie gut das Ganze laufen wird, weil wir bisher kaum über empirische Daten verfügen. Südafrika ist ein heilloses Schlamassel und wird immer schlimmer. Ich habe Südafrika während des gesamten aktuellen Bullenmarkts gemieden, obwohl ich dort während des ersten Bullenmarkts in den 70er Jahren bis Anfang der 80er Jahre massiv investiert war. Ja es bestehen einige Hoffnungen, aber das Risiko ist enorm.
Das Fraser Institute hat einen Bericht über die politisch stabilsten Länder für die Minenbranche veröffentlicht. Und obwohl ich mit dem Bericht nicht gänzlich konform gehe, ist er ein guter Ausgangspukt. In Wirklichkeit handelt es sich um eine Kunst und nicht um etwas, worauf man durch wissenschaftliche Mittel Rückschlüsse ziehen kann.
Investoren sollten bezüglich der geopolitischen Rahmenbedingungen und der jeweiligen Rechtssysteme sehr vorsichtig sein, da keines dieser Gebiete perfekt ist. Investoren sollten nicht alles auf eine Karte setzen, wenn sie in die Rohstoffbranche investieren. Entweder man hält einige der erstklassigen Unternehmen, die auf dem ganzen Planeten über Vermögenswerte verfügen, oder – wenn die Investoren sich ihre Titel selbst aussuchen – man nutzt einen Dienstleister wie uns, um sicherzustellen, dass die Investments geopolitisch entsprechend gestreut sind.
TGR: Was ist der beste Investmenttipp, den Sie je erhalten haben?
DM: Das hört sich jetzt vielleicht banal an, weil jeder es weiß, die Leute es aber trotzdem nie tun, aber man sollte seine Verlustbringer rausschmeißen und die Gewinner laufen lassen.
TGR: Das ist garnicht so einfach.
DM: Aber das ist einer der besten Tipps, weil, verfügt man über die Fähigkeit zu verkaufen, dann macht man das genaue Gegenteil von dem, was die meisten Menschen tun –die verkaufen nämlich ihre Gewinner und halten ihre Verlustbringer. Nein, Investoren sollten stattdessen ihre Verlierer rausschmeißen und die Gewinner laufen lassen, denn hat ein Investor eine Aktie, die innerhalb von zehn Jahren 100 neue Höchststände verzeichnen kann, dann ist das der Titel, den man bis zum Schluss halten will.