Das Auseinanderbrechen der Eurozone wird wahrscheinlich schneller stattfinden, als die meisten Menschen glauben. Schaut man auf den europäischen Anleihemarkt, so dürften die kommenden 24 Monate die gefährlichste Phase sein

Tim Staermose, Sovereign Man, 31.08.2012

Rom – Mein 2-jähriger Neffe in Australien liebt es, wenn er Postkarten zugesandt bekommt. Er bringt mich bereits so sehr mit regelmäßigen Reisen in Verbindung, dass er mich „Tim Hong Kong Düsenflieger“ nennt.

Bevor ich Italien nach einer fantastischen Woche mit Sovereign Man Mitgliedern in Umbrien wieder verlasse, machte ich mich also auf, um ihm ein paar Postkarten zu schicken. Dies bescherte mir eine lehrreiche Lektion in Sachen italienischer Bürokratie.

Wenn ich in Hongkong mal einen Brief versenden muss, was selten der Fall ist, dann stecke ich einfach ein paar Münzen in den Briefmarkenautomaten vor dem Postgebäude. Fläche ist in Hongkong ein wertvolles Gut, das jede Menge Geld kostet, weshalb die Postfilialen klein und effizient sind.

Hier in Rom ist das Hauptpostamt an der Piazza San Silvestro ein majestätisches altes Gebäude mit imposanter Architektur. Innerhalb des Gebäudes gibt es Unmengen an Fläche, die viel besser genutzt würde, wenn sich dort erstklassige Einzelhändler befänden, um Gewinne zu erwirtschaften. Stattdessen wird sie von Italiens berüchtigt langsamer, ineffizienter und verlustbringender Post belegt.

Es war ein echter Spießrutenlauf, nur um sich ein paar Briefmarken zu besorgen. Eine Wartemarke ziehen, hier anstellen, da anstellen … Was normalerweise zehn Sekunden dauern würde, dauerte zehn Minuten. Zum Schluss hatte ich dann, was ich wollte, aber die Prozedur, um dahin zu gelangen, hat mir die Augen geöffnet.

Und sie haben all die ausgefallenen IT-Systeme. Der Postmitarbeiter am Schalter war im Click-Rausch und bewegte sich von einem Bildschirm zum nächsten mit allen Arten von Dropdown-Menüs und Produktcodes. Ich hatte jedoch das Gefühl, dass der Post durch all diese Technologie nur der Anschein von Modernität und Komplexität verliehen wird, ohne dass sie überhaupt notwendig wäre oder irgendeinen Mehrwert bieten würde.

Das ist typisch für eine Bürokratie: Man nimmt eine einfache Aufgabe, verkompliziert sie unnötig, und dann gibt man einen Haufen Geld für Technologie aus, was die Sache noch viel komplizierter macht.

Darüber hinaus deuten die demografischen Herausforderungen Italiens darauf hin, dass die finanzpolitische Lage garnicht besser werden kann.

Robuste Wirtschaften sind produktiv … und Produktivität wird gemeinhin nicht mit alten Menschen in Verbindung gebracht. Italien hat eine der ältesten Bevölkerungen der Welt und zur selben Zeit eine der niedrigsten Geburtenraten.

Dieser Trend heizt eine nicht tragfähige finanzpolitische Verschwendung an: Ein aufgeblähter Staatssektor mit jeder Menge alter Menschen, denen man Renten zahlen muss – und das alles bei einer rasch schrumpfenden Bevölkerung, der die jungen Arbeiter fehlen, um Steuern zu zahlen.

Mittlerweile sind Simon Black und ich der Meinung, dass kaum noch Zweifel daran bestehen können, dass Italien die Eurozone verlassen wird … und aller Vorausschau nach sogar freiwillig. Eine Rückkehr zur Lira würde bedeuten, dass die italienische Regierung – wohlmöglich wieder einmal unter Berlusconi – in der Lage wäre, nach Gutdünken Geld zu drücken. Das ist die einzig vernünftige Lösung, die noch bleibt.

Simon meint, dass sie der neuen Währung vielleicht sogar irgendeinen blöden, patriotisch klingenden Namen wie „Neue Starke Lira“ geben werden …

Wann wird es soweit sein? Wahrscheinlich eher als wir glauben.

Wenn wir uns den europäischen Anleihemarkt anschauen, sehen wird, dass diejenigen, die der italienischen Regierung über drei Jahre Geld leihen, zurzeit gerade einmal Zinsen in Höhe von 3,642% erhalten – was angesichts der völlig unhaltbaren Finanzsituation des Landes ein absurd niedriger Betrag ist.

Vergibt man denselben Kredit jedoch an die deutsche Regierung, liegt die Rendite mit 0,034% bei weniger als einem Hundertstel der italienischen Rendite. Und die Renditen für deutsche Schulden mit einer Laufzeit von zwei Jahren oder noch kürzer liegen allesamt im negativen Bereich.

Mit anderen Worten: Wenn man der deutschen Regierung bis zu zwei Jahre Geld leiht, macht man sogar noch Verlust. Das dürfte der Zeitraum sein, für den die Anleihemärkte mit den größten Risiken rechnen – und vielleicht ist das auch genau der Zeitraum, der für den Untergang des Euros in Betracht gezogen werden sollte.

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