In den nächsten 20 Jahren fehlen weltweit zwischen USD 16 Billionen bis USD 47 Billionen, um die alte Infrastruktur zu erneuern und die Systeme den wachsenden Anforderungen anzupassen. Die weltweiten Regierungen, die aktuell wohl lieber die Banker retten, scheinen nicht zu begreifen, dass die Privatunternehmen, die auf riesigen Bergen an Geldvermögen sitzen, keinen Cent investieren werden, wenn die Infrastruktur um sie herum zusammenfällt

Rick Mills, Ahead of the Herd, 31.08.2012

Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass der erfolgreichste Mensch der ist, der über die besten Informationen verfügt.

Infrastruktur, das sind reale Dinge – Straßen, Stromnetze, Flughäfen, Dämme, Buslinien, U-Bahnen, Bahnverbindungen, Häfen, Brücken, Kraftwerke, Wasserversorgungssysteme, Krankenhäuser, Kanalisation usw. –, die Legosteinchen, die die Grundlage bilden, mit der die gesellschaftliche und finanzielle Entwicklung eines jeden Landes, einer jeden Stadt oder Gemeinde angetrieben wird.

Der Zusammenhang zwischen der Wettbewerbsfähigkeit eines Landes und seiner Infrastruktur ist unstreitig. Und trotzdem zeigt eine Studie nach der anderen, dass die Weltwirtschaft im Infrastrukturbereich ein Investmentdefizit zwischen USD 40 Billionen und USD 70 Billionen aufweist.

Booz Allen Hamilton veranschlagte die Kosten für die notwendigen weltweiten Infrastruktur-Investments, um „veraltete Systeme zu modernisieren und der steigenden Nachfrage gerecht zu werden“ für den Zeitraum von 2005 bis 2030 auf rund USD 41 Billionen.

Die geographische Aufteilung dieser Investments stellt sich wie folgt dar:

  • Naher Osten USD 0,9 Billionen,
  • Afrika USD 1,1 Billionen,
  • USA und Kanada USD 6,5 Billionen,
  • Lateinamerika USD 7,4 Billionen,
  • Europa USD 9,1 Billionen,
  • Asien/Ozeanien USD 15,8 Billionen.

Die Aufteilung dieser Ausgaben nach Infrastrukturbereichen:

  • Wasser und Abwasser USD 22,6 Billionen,
  • Stromversorgung USD 9 Billionen,
  • Straßen und Gleissysteme USD 7,8 Billionen,
  • Flug- und Seehäfen USD 1,6 Billionen.

CIBC World Markets berief sich in 2009 auf Schätzungen, wo davon ausgegangen wird, dass zwischen 2010 und 2030 staatliche Infrastrukturprojekte von bis zu USD 35 Billionen nötig seien.

Die OECD geht davon aus, dass sich die in den nächsten 20 Jahren notwendigen Gesamtausgaben im Infrastrukturbereich auf bis zu USD 71 Billionen belaufen könnten.

Die Credit Suisse Group schreibt:

„Die zunehmende Mobilität ist eine Triebkraft, die in den Industrieländern wie auch den Schwellenmärkten von maßgeblicher Bedeutung ist: In den Industrieländern wurden weite Teile der großen Transportnetzwerke vor Jahrzehnten geplant und gebaut. Sie entsprechen nicht mehr länger den Anforderungen der steigenden Zahl an Berufspendlern. Daher stellen in den Industrieländern Erweiterungen und Verbesserungen den Löwenanteil der Transport-Infrastruktur-Investments dar. In den Schwellenmärkten kann sich eine stetig steigende Zahl an Menschen Autos leisten – beispielsweise haben die Autoverkäufe in China jüngst die in den USA überflügelt. Im Ergebnis sind bei der Transportinfrastruktur nun bedeutende Entwicklungsprojekte notwendig.“

Im „Positive Infrastructure Report“ des Weltwirtschaftsforums kommt man zu dem Ergebnis, dass die Welt in den kommenden 20 Jahren mit einem Infrastrukturdefizit in Höhe von USD 2 Billionen pro Jahr konfrontiert ist.

Laut einer Prognose von Norman Anderson, dem Geschäftsführer des in Washington D.C. ansässigen Beratungshauses CG/LA Infrastructure, dürften von den von der OECD für die nächsten 20 Jahre veranschlagten USD 71 Billionen an notwendigen Infrastrukturprojekten gerade einmal Maßnahmen in Höhe von USD 24 Billionen realisiert werden. Die Finanzierungslücke liegt also irgendwo im Bereich von USD 16 Billionen bis USD 47 Billionen.

Infrastruktur verfügt, wie alles andere auch, über eine bestimmte Lebensdauer, und in vielen Bereichen ist die Infrastruktur schlichtweg zu alt. Strategy-Business.com merkt dazu an:

„Der Trockenheit in 2006 in London, die schlimmste der vergangenen 100 Jahre, wird man sich noch lange erinnern, da sie ein kleines schmutziges Geheimnis zutage treten ließ: Jeden Tag gehen in den alten und verrotteten Wasserleitungen der Stadt hunderttausende Liter von Wasser – genug um 10 Millionen Badewannen zu füllen –verloren. Einige dieser Leitungen stammen sogar noch aus der Viktorianischen Ära.

Ungefähr zur selben Zeit, rund 5.000 Kilometer entfernt, kam es im New Yorker Stadtteil Queens zu einem Stromausfall, der dafür sorgte, dass fast 100.000 Menschen neun Tage keinen Strom mehr hatten. Die Behörden vor Ort kamen in Verlegenheit, als sie das Versagen erklären mussten. Wie die Anwohner später herausfanden, erhält der Stadtteil – der über 2 Millionen Bewohner hat und dessen Bevölkerung seit dem Jahr 2000 um 15% zulegte – seinen Strom über Stromversorgungskabel, die zwischen 30 und 60 Jahre alt sind. Diese dünnen und rostenden Stromkabel scheiterten nicht nur dabei, mit der steigenden Nachfrage mitzuhalten; sie machten es den Ingenieuren auch sehr schwer, den Zusammenbruch der Stromversorgung überhaupt zu diagnostizieren.

Kairo, Los Angeles, Peking, Paris, Moskau, Mumbai, Tokio, Washington, Sao Paulo: Jede Großstadt hat ihre eigenen Geschichten über die Krisen bei der Stromversorgung, dem Transportwesen oder der Wasserversorgung zu erzählen. Und obwohl sich die Umstände in den einzelnen urbanen Region unterscheiden, weisen sie alle eine Gemeinsamkeit auf: Die essentielle Infrastruktur, die von den Bürgern und den Regierungsführern als selbstverständlich erachtet wird, ist technologisch veraltet, jämmerlich unterdimensioniert, zunehmend anfälliger oder alles zusammen.

In einigen Städten nimmt die Qualität der Wasser- und Stromversorgung und der Transport-Infrastruktur in bemerkenswerter Rate ab. In anderen Städten war sie von Anfang an nicht sonderlich gut. Und einige wenige Städte verfügen über ausreichend Kapazitäten, um der künftigen Nachfrage Herr zu werden.“

Der US-amerikanische Berufsverband der Bauingenieure (ASCE) gab der US-Infrastruktur 2009 die Note „4“. Der Verband veröffentlichte in 2011 und 2012 zwei Berichte, in denen die Mängel des Transportwesens und der Wasserversorgung detailliert dargestellt wurden:

„In dem im Juli 2011 veröffentlichten Wirtschaftsbericht der ASCE über das Transportwesen kam man zu dem Schluss, dass die verfallende Infrastruktur in den USA die amerikanische Wirtschaft bis 2020 über 876.000 Arbeitsplätze kosten und das BSP-Wachstum um USD 897 Milliarden verringern wird. Ausgehend von den aktuellen Ausgabenniveaus sind die USA mit einer Finanzierungslücke von rund USD 94 Milliarden pro Jahr konfrontiert.

Die Trinkwasser- und die Abwasser-Infrastruktur des Landes altern zusehends und sind überlastet, und die Investments können mit den Notwendigkeiten nicht Schritt halten. Bereits moderate Anstiege bei den Investitionen in Trinkwasser-, Abwasser- und Regenwasserprojekte könnten künftige wirtschaftliche Verluste verhindern.

Diese kleinen Investitionen in die Infrastruktur werden:

    • USD 416 Milliarden des BSP schützen,
    • fast 700.000 Arbeitsplätze schützen,
    • Einkommensverluste von USD 541 Milliarden verhindern.“

In dem ASCE-Bericht zur Stromversorgung, der im April 2012 veröffentlicht wurde, heißt es:

„Basierend auf den aktuellen Investmenttrends wird davon ausgegangen, dass die Finanzierungslücke bei der Elektrizitäts-Infrastruktur bis 2020 bei USD 107 Milliarden oder knapp über USD 11 Milliarden pro Jahr liegt. Bis 2020 werden sich die Investitionsdefizite allein beim Stromnetz auf fast 90% dieser Finanzierungslücke belaufen. Zu diesem Zeitpunkt werden dann knapp USD 95 Milliarden nötig sein, um das Stromnetz zu erneuern.

Würde man diese Investitionslücke schließen, würde dies zu einer Reduzierung der Versorgungsunterbrechungen und der länger anhaltenden Stromausfälle führen, wodurch US-Unternehmen USD 126 Milliarden einsparen würden und der Verlust von 529.000 Arbeitsplätzen und von USD 656 Milliarden an Einkommen amerikanischer Familien verhindert werden könnte.“

Im Herbst wird die ASCE einen dritten Bericht zur See- und Lufttransportinfrastruktur und im Winter 2012/2013 dann noch einen Gesamtbericht veröffentlichen.

Zusammenfassung:

Die Defizit-Gegner, die die Austeritätsmaßnahmen weiter vorantreiben, haben es immer noch nicht begriffen: Ja, die Privatunternehmen sitzen auf riesigen Bergen an Bargeld – doch sie werden diese Gelder niemals investieren, wenn es keine entsprechenden Investitionen in die Infrastruktur gibt.

In den USA ist es beispielsweise so, dass das Wirtschaftswachstum, das durch Infrastrukturausgaben in Höhe von 1% des BSP hervorgerufen wird, mehr als doppelt so hoch ist als das Wachstum, das von gleichhohen Steuersenkungen ausgeht. Das hängt damit zusammen, dass die Verbraucher die durch Steuersenkungen frei gewordenen Gelder auch für Importgüter ausgeben oder nutzen, um Ersparnisse zu bilden.

Man hat den Weg, der vor ein paar Jahren im „Positive Infrastructure Report“ des Weltwirtschaftsforums beschrieben wurde, nicht eingeschlagen:

„Die weltweiten finanzpolitischen Konjunkturprogramme in Reaktion auf die Finanz- und Wirtschaftskrise in 2008 und 2009 bieten eine beispiellose Möglichkeit, dieses Infrastrukturdefizit anzugehen.“

Das weltweite Defizit bei den Infrastrukturinvestments, die Untätigkeit der Regierungen und die sich daraus ergebenden Investmentmöglichkeiten sollte jeder auf dem Schirm haben. Wenn Sie diese Entwicklung bisher noch nicht mitverfolgt haben, sollten Sie vielleicht damit anfangen.

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