Sie lieben Titel, wollen buchstäblich alles kontrollieren und werfen das Geld zum Fenster raus – aber über eines verfügen sie nicht: Eine Strategie, um die unvermeidliche finanzielle Vernichtung, die sie selbst geschaffen haben, zu verhindern

Alan Gaik, Rickackerman.com, 06.09.2012

Die unzähligen extraterritorialen Behörden, die seit der Einführung des Euros geschaffen wurden, sind vollständig auf das Fortbestehen der europäischen Einheitswährung angewiesen. Immer dann, wenn es große Staatshaushalte zu verteilen gilt und das Ganze mehr oder weniger ohne Kontrolle vonstatten geht, entstehen ganz zwangsläufig aggressive Bürokratien, deren Hauptziel darin besteht, sich so lange als möglich an diesem Geldstrom zu bedienen. Und genauso verhält es sich auch bei der Europäischen Union.

Sicher, da fallen einem natürlich gleich die Vereinten Nationen ein. Die Vereinten Nationen werden – obwohl es sich bei ihnen auch um ein weiteres Geflecht aus National- und Eigeninteressen handelt – von den EU-Organisationen jedoch spielend in den Schatten gestellt. Und das ist an sich bereits bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass die Vereinten Nationen über 50 Jahre Vorsprung hatten, um den Aufbau ihrer Bürokratien zu perfektionieren.

Für die Öffentlichkeit stellt sich die Euro-Krise so dar, dass Technokraten und ausländische Minister fortwährend von einem Treffen zum nächsten eilen und in den europäischen Hauptstädten eine Vielzahl an Konferenzen, Pressekonferenzen und private Unterredungen durchführen. Und sie führen oftmals edle Gründe dafür an, warum der Euro überleben muss: Für die Schaffung eines vereinigten Europas; für ein Europa ohne Grenzen und Streitigkeiten, die die letzten Jahrhunderte prägten.

In Wirklichkeit besteht das unmittelbare Ziel jedoch darin, einen fortwährenden Geldstrom sicherzustellen, um das ständig weiter steigende EU-Budget zu finanzieren. Diese Euro-Akteure sind in der Lage, ihren Kurs blitzartig zu ändern und sich auf politische Krisen oder Rückschläge in den nationalen Parlamenten der EU-Länder einzustellen. Die ganze Zeit über bestand ihr gemeinsames Ziel darin, „den Euro mit allen Mitteln am Leben zu erhalten“ – eine Formulierung, die in jüngster Zeit, speziell nach nächtlichen Konferenzen, die ohne weitreichende Pläne zu Ende gehen, immer leidenschaftlicher vorgetragen wird.

Doch was machen diese EU-Vertreter eigentlich? Was sind das für Leute? Wo kommen sie her? Wer hat ihnen so viel Macht gegeben? Warum sind sie so fest entschlossen, eine Währung, die gerade einmal zwölf Jahre alt ist, „mit allen Mitteln“ am Leben zu erhalten?

Nigel Farage, ein britischer Vertreter des EU-Parlaments, genießt es sichtlich, zweien der eher bunteren Figuren dieses anhaltenden Euro-Dramas – Jose Manuel Barroso, dem Präsidenten der Europäischen Kommission, und Herman Van Rompuy, dem Präsidenten des Europäischen Rats – genau diese Fragen zu stellen.

Wenn Sie Spaß daran haben zu sehen, wie jemand einen hochbezahlten Bürokraten fragt: „Was sind Sie eigentlich genau? Können Sie uns erklären, was Sie tun?“, dann finden Sie hier ein kurzes Video von Farage, wo er diesen beiden Männern diese Fragen stellt. Es ist ein amüsantes Schauspiel, selbst vor einem leeren EU-Parlament.

Barrosos und Van Rompuys Schweigen dürfte eine Mischung aus Verachtung und Selbstgefälligkeit sein. Auf alle Fälle macht es den Eindruck, als würden sie sich denken:

„Ich habe mich bis zu diesem Job nach oben gekämpft, und da werde ich in nächster Zeit auch bleiben – und was ich mache, ist sicherzustellen, dass ich auch weiterhin genau das tun kann, was ich derzeit tue.“

Farage wurde für seine persönlichen Attacken auf Barroso und Van Rompuy von Jerzy Buzek, dem damaligen Präsidenten des Europäischen Parlaments, abgestraft – eine wirkungslose Maßnahme, aber diese gruseligen Geister-Bürokratien hegen ja auch nicht die Absicht, Aufmerksamkeit zu erregen.

Sie lieben Titel

Also, da haben wir das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, die Europäische Kommission und eine Vielzahl weiterer Akteure. Was sich bei ihnen wie ein roter Faden durchzieht, ist, dass auf den höchsten Ebenen der Macht regelmäßig Korruption, Vetternwirtschaft und der Aufbau von kleinen Imperien aufgedeckt wird. Das ist ähnlich wie im US-Kongress, nur mit der Ausnahme, dass sich das Ganze in Europa über, nach letzter Zählung, 27 verschiedene Länder erstreckt.

In 2004 enthüllte Farage, dass Jacques Barrot, kurz bevor man ihn zum EU-Kommissar für Justiz (sie lieben Titel) ernannte, aufgrund der Unterschlagung von Steuerzahlergeldern zwei Jahre von allen französischen Wahlämtern ausgeschlossen wurde. Ungeachtet dessen machte ihn Barroso dann sogar noch zum Vizepräsidenten der EU-Kommission.

In 2005 war Barroso für eine Woche Gast auf einer Jacht eines griechischen Milliardärs und Schifffahrtsunternehmers – gerade einmal einen Monat bevor die Firma staatliche Gelder in Höhe von EUR 10,3 Millionen erhielt und obwohl die EU-Kommission zu jener Zeit Beschlüsse fasste, die das Unternehmen betrafen.

Und wenn man sich beim zurzeit hoffnungslosesten Fall der EU, Griechenland, anschaut, wie den Günstlingen der EU Teile des Staatshaushalts als „staatliche Hilfen“ zugeschanzt werden, dann wird klar, wie stark die von diesen EU-Bürokraten still und leise ausgebübte Macht eigentlich ist – eine Macht, die von dem Einfluss irgendeines Landes völlig abgekoppelt ist.

Viele dieser Behörden existierten bereits vor der Einführung des Euros – doch stellt man ihre aktuelle Rolle als internationale Entscheider und ihre Machtergreifung ihrer einstigen Bedeutung gegenüber, dann waren sie vor der europäischen Einheitswährung doch eher mit kleinstädtischen Rotariern zu vergleichen.

Es war der Maastricht Vertrag von 1992, mit dem die europäische Einheitswährung geschaffen wurde; der zur Neuorganisation und Umbenennung verschiedenster Behörden führte und schließlich der Schaffung dutzender weiterer EU-Organisationen den Weg bereitete.

Sie kontrollieren … alles

Die Europäische Union ist ein Paradebeispiel für das Entstehen völlig unkontrollierter Machtstrukturen.

Jedes Jahr veröffentlicht sie Berichte, Studien, Anfragen, statistische Analysen, Untersuchungen und gründet spontan Ausschüsse, um anscheinend jeden Aspekt des menschlichen Lebens zu kontrollieren: Terrorismus, Postwesen, organisiertes Verbrechen, Menschenhandel, Drogensucht, Aufforstung, Grenzkontrollen, Tierschutz, Verbraucherschutz, Sicherheit der Seewege, Transportsicherheit, radioaktive Abfälle, Katastrophenschutz, zahlreiche einzelne Länderstudien, Nahrungsmittelsicherheit … nun ja, die Liste ist buchstäblich endlos.

Und der überwiegende Teil davon wird archiviert und in bis zu 22 Sprachen übersetzt. Wahrscheinlich gibt es sogar einen Ausschuss, der darüber befindet, was in welche Sprachen übersetzt werden sollte. Der sicherste europäische Arbeitsplatz dürfte somit zurzeit der eines Übersetzers sein, der Texte vom Niederländischen ins Slowakische überträgt.

Im Folgenden finden Sie eine Auswahl an Institutionen, die zurzeit unter dem Schirm der Europäischen Union existieren:

  • Europäische Investitionsbank,
  • Europäischer Ombudsmann,
  • Europäische Verwaltungsschule,
  • Europäische Fischereiaufsichtsagentur,
  • Europäische Grundrechteagentur,
  • Europäisches Institut für Gleichstellungsfragen,
  • Europäische Gruppe für Ethik,
  • Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte,
  • Europäischer Gerichtshof,
  • Gericht für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union,
  • Europäischer Rechnungshof,
  • Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung,
  • Europäischer Entwicklungsfonds,
  • Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss,
  • Der Ausschuss der Regionen der Europäischen Union,
  • Europäischer Rat,
  • EU-Parlament,

… und es gibt dutzende weiterer derartiger Organisationen!

Ausgaben-Orgie

Der EU-Haushaltsbericht des Jahres 2005 enthüllte, dass das Sekretariat des Europaparlaments – Findet sich das überhaupt in der obigen Aufstellung? – 4.696 unbefristete Beschäftigungsverhältnisse hatte. Die Europäische Kommission hatte unterdessen 17.571 unbefristete Verwaltungsstellen, 366 befristete Stellen und 3.705 unbefristete Stellen im Research-Bereich. Das EU-Budget des Jahres 2005 lag bei EUR 116,6 Milliarden – davon wurden allein EUR 6,293 Milliarden für Verwaltung und EUR 900 Millionen für Pensionen ausgegeben.

In 2010 lag das EU-Budget bereits bei EUR 141,5 Milliarden, war also um rund 21,5% gestiegen, während sich die Verwaltungskosten auf EUR 8,4 Milliarden oder 6% dieses Betrages beliefen. Wir können davon ausgehen, dass sich die Pensionsverbindlichkeiten in 2010 auf mindesten EUR 1,1 Milliarden beliefen.

Und um mit der sich verändernden Welt mithalten zu können, tauchen im jüngsten Haushalt natürlich auch noch weitere, neue Behörden auf: Der Europäische Fonds für die Anpassung an die Globalisierung und andere Organisationen, die sich mit Internetkriminalität, Informationssystemen, Telekommunikation und Tourismus auseinandersetzen.

Und Mega-Hammer dieser berauschenden Euro-Party ist natürlich die Europäische Zentralbank, die ähnlich belastende Haushalts- und Pensionsverpflichtungen aufweist. In 2005 hatte die EZB 1.311 Beschäftigte und Pensionsverpflichtungen in Höhe von EUR 223,5 Millionen. In 2010 lag der Mitarbeiterstab bereits bei 1.607 Beschäftigten, während sich die Pensionsverbindlichkeiten auf EUR 555,5 Millionen verdoppelt hatten …

Die Pensionsverbindlichkeiten der Europäischen Union und der Europäischen Zentralbank beliefen sich allein in 2010 auf EUR 1,6 Milliarden. Kein Wunder, dass der Euro „mit allen Mitteln“ am Leben erhalten werden muss. Wer soll denn all diese großzügigen Pensionen dieser Organisationen auszahlen, wenn der Euro kollabiert?

Wenn die unvermeidliche Einführung der griechischen Drachme kommt und vielleicht sogar die italienische Lira und die spanische Peseta wieder eingeführt werden – ja werden diese Länder dann für die Kosten für belgische Ökonomen und deutsche Statistiker oder gar für die Kosten der politischen VIPs, die sich selbst mit extrem großzügigen Pensionen und Sondervergünstigen beschenkt haben, aufkommen? Wohl kaum.

Selbsterhalt als oberstes Ziel

Im Vergleich zum EU-Haushalt lag der „Kernhaushalt“ der Vereinten Nationen während der Jahre 2010 und 2012 bei läppischen USD 5,01 Milliarden, wobei hier noch USD 8 Milliarden für friedenserhaltende Einsätze und andere „Sonderausgaben“ hinzukommen. Während der Jahre 2004 und 2005 lagen die Vergleichszahlen bei USD 3,16 Milliarden bzw. USD 5 Milliarden.

All diese Zahlen sind hier natürlich in dem Wissen angeführt worden, dass es zur Kernkompetenz der Behörden gehört, einzelne Haushaltspositionen nach Gutdünken außen vorzulassen, hin- und herzuschieben und, wo immer es notwendig erscheint, zu beschönigen.

Das soll nun nicht heißen, dass es nicht vielleicht auch vernünftige Gründe dafür gibt, warum es der Euro verdienen würde, zu überleben … und ich will hier auch nicht in Abrede stellen, dass es vielleicht Programme oder Leistungen talentierter Menschen gibt, die nützlich sind.

Fakt ist aber, dass es ganz danach aussieht, als würde dieses neue Heer europäischer Bürokraten und Technokraten über einen bemerkenswerten Anreiz des Selbstverhalts verfügen, während sie unterdessen keine Strategie haben, um die unvermeidliche finanzielle Vernichtung, die sie selbst geschaffen haben, zu verhindern.

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