Silber wird in der Industrie immer wichtiger: In der Solarbranche, bei der Autoherstellung, in der Computerbranche usw. – Silber ist kaum noch wegzudenken
Alena Bialevich & Jeff Clark, Casey Research, 01.10.2012
Anfang Juli dieses Jahres hat Japan für Solarstrom eine Einspeisevergütung festgelegt, die dreimal so hoch ist wie für konventionellen Strom. Das bedeutet, dass den Versorgungsunternehmen für Solarenergie im Vergleich zu konventionellem Strom das Dreifache gezahlt wird. Es wird weithin davon ausgegangen, dass diese Sondervergütung zu einer vermehrten Nutzung von Solarstrom führen wird – und für die Gewinnung von Solarstrom bedarf es jeder Menge Silber.
Die Silbernachfrage bei der Herstellung von Photovoltaikanlagen
Sie haben sicherlich schon davon gehört, dass Silber bei der Herstellung von Photovoltaikanlagen benötigt wird. Für die Produktion eines Solarmoduls benötigt man eine ordentliche Menge des weißen Metalls – in einem Solarpaneel werden rund 20 Gramm Silber verbaut.
Um das mal ins Verhältnis zu setzen: Ein Mobiltelefon enthält rund 200 bis 300 Milligramm Silber (ein Milligramm wiegt ungefähr soviel wie ein Sandkorn), während ein Laptop zwischen 750 Milligramm und 1,25 Gramm Silber enthält.
Die Photovoltaiktechnologie ist noch relativ jung, wächst aber Jahr für Jahr mit einer extremen Rate. Seit dem Jahr 2000 ist die Silbernachfrage seitens der Hersteller von Solaranlagen jedes Jahr im Schnitt um 50% gestiegen. Die jährliche Silbernachfrage dieser Branche, die in 2002 noch bei 1 Million Unzen lag, war bis 2011 bereits auf 60 Millionen Unzen gestiegen.
Im letzten Jahr stellte die Silbernachfrage der Photovoltaikbranche bereits rund 11% der gesamten weltweiten industriellen Silbernachfrage (Schmuck ausgenommen). Laut den Daten der CPM Group stieg die Nachfrage in 2011 um 11,2 Millionen Unzen – das ist der stärkste Nachfragezuwachs unter allen bedeutenden Quellen, aus denen sich die Silbernachfrage speist (Schmuck und Elektronik). Und das war vor der Ankündigung Japans.
Der größte Endverbraucher von Solarmodulen ist Deutschland, aber das ändert sich gerade. Im vergangenen Jahr stellte Deutschland noch 27,3% aller weltweiten Solaranlagen, doch aufgrund von Subventionskürzungen sank die Anlagenkapazität von 7,7 Gigawatt auf 7,5 Gigawatt. Schauen wir jedoch aufs große Ganze, dann wurde dieser Rückgang durch die Zuwächse in China, Frankreich, Italien, Großbritannien, Japan und den USA wieder wettgemacht.
Die CPM Group sagt in ihrem Jahrbuch 2012 voraus, dass es bei der Silbernachfrage der Solarbranche aufgrund eines Rückgangs von neuen Anlagen in Europa und einer Überversorgung mit überschüssiger chinesischer Produktion zu einer leichten Abschwächung kommen wird. Doch angesichts der jüngsten Initiative Japans dürfte diese Schätzung mit Sicherheit sehr niedrig angesetzt sein.
Japan verleiht der Solarbranche neuen Schwung
Nach der Fukushima-Katastrophe wollten die japanischen Behörden die Abhängigkeit des Landes von der Atomenergie zurückfahren. Vor dem Atomunglück wurde rund 30% des gesamten japanischen Stroms durch Kernenergie gewonnen. Gegenwärtig versucht man, sich auf eine Transformation in richtig ökologischer Alternativen, zu denen auch Solarstrom zählt, zu konzentrieren.
Und die neuen Subventionen könnten funktionieren. Die vorgeschlagene Einspeisevergütung von JPY 42 (USD 0,53) pro Kilowattstunde – die wohl für 20 Jahre aufrecht erhalten werden soll – ist mehr als doppelt so hoch wie die in Deutschland (EUR 0,17 oder USD 0,25 pro Kilowattstunde). Bloomberg geht davon aus, dass diese großzügigen Vergütungen alleine in Japan Investments in Höhe von USD 9,6 Milliarden zur Folge haben werden.
Doch was würden USD 10 Milliarden bei dieser Branche ausrichten? Japan verfügte in 2011 über eine Solarstromkapazität von rund 1,3 Gigawatt. Experten gehen davon aus, dass sich die Zahl innerhalb dieses Jahres auf 2,3 bis 2,5 Gigawatt fast verdoppeln wird und man in 2013 die Marke von 3 Gigawatt erreichen dürfte. Laut SolarBuzz könnte Japan bis 2020 28 Gigawatt und bis 2030 50 Gigawatt installieren.
Das sind natürlich jede Menge Solarmodule – und selbst wenn man einen verbesserten Wirkungsgrad zugrunde legt, dürfte die Herstellung dieser Module immer noch jeder Menge Silber bedürfen.
Preisfaktoren
In den letzten paar Jahren sind Solarmodule bedeutend billiger und wesentlich endverbraucherfreundlicher geworden. Die Tatsache, dass jedes Solarpaneel aber immer noch eine Menge Silber enthält, macht die Solaranlagen gegenüber bedeutenden Preisschwankungen jedoch recht anfällig.
Steigt der Silberpreis zu stark, könnten die Hersteller nach Alternativen Ausschau halten, wobei es sehr schwer ist, die Verwendung des Metalls vollständig herunterzufahren. Und wird das Produkt am Ende zu teuer, könnte auch die Nachfrage sinken. Die Firmen suchen bereits nach Mitteln und Wegen, wie sie die bei den Photovoltaikanlagen genutzte Menge an Silber senken oder das Silber komplett durch ein anderes Element ersetzen können.
Auf dem Photovoltaikmarkt gibt es zurzeit zwei Haupttechnologien: Die traditionelle Variante ist die „Dickschicht“-Solarzelle, bei der Silber die Hauptkomponente darstellt. Bei der anderen und weniger teuren „Dünnschicht“-Solarzelle wird Silber durch Cadmiumtellurid ersetzt.
Die Entwicklung von Dünnschichtsolarzellen hat aufgrund ihres günstigeren Preises bereits an Fahrt aufgenommen. Diese Technologie weist jedoch einen geringeren Wirkungsgrad auf. Dickschichtsolarzellen können die Energie der Sonne besser einfangen, und diese Art der Solarzellen beherrscht gegenwärtig immer noch den Markt.
Die CPM Group meldete, dass die Dickschichtsolarzellen im vergangenen Jahr rund 91% aller Installationen ausmachten, und Experten gehen davon aus, dass diese Technologie den Markt zumindest in den nächsten Jahren weiterhin dominieren wird.
Überdies wird für beide Solarmodultypen Silber benötigt, und zwar außerhalb der Solarzelle, um die Reflektion und andere Funktionen zu gewährleisten. Die Wahrscheinlichkeit, dass Silber vollständig aus den Solaranlagen verschwindet, ist daher gegenwärtig außerordentlich gering.
Für Investoren bedeutet das, dass die Solarbranche zumindest kurz- und mittelfristig weiter auf silberintensive Technologien setzen wird, was die wachsende industrielle Silbernachfrage stützt.
Aber das ist ja noch nicht alles Leute …
Die neue Ära der industriellen Silber-Anwendungen
Über lange Zeit hinweg war die industrielle Silbernachfrage praktisch ausschließlich von einer Industrie abhängig: Der Fotobranche. Die silberbasierten Kamerafilme hatten die Struktur der Silbernachfrage zu Beginn des 20. Jahrhunderts dramatisch verändert. Zu jener Zeit wurde Silber fast ausschließlich für die Produktion von Tafelsilber, Schmuck und als Geld verwendet. Die fotografische Silbernachfrage belief sich auf ihrem Höhepunkt auf 50% des Gesamtmarkts.
Jetzt haben wir aber das 21. Jahrhundert, und trotz der bedeutenden Rückgänge bei der Verwendung von Kamerafilmen hat die moderne Welt zahlreiche andere wichtige Silber-Anwendungen entwickelt, bei denen man sich die einzigartigen Eigenschaften des Metalls zunutze macht.
Der wahrscheinlich wichtigste Aspekt im Hinblick auf die industrielle Silbernachfrage ist, dass sich die Nachfrage heutzutage nicht mehr nur aus einer Quelle, sondern vielmehr aus verschiedenen Anwendungsbereichen speist. Sie sind fast zu zahlreich, um sie alle aufzuzählen, und keines dieser Anwendungsgebiete weist Zeichen einer Nachfrageabschwächung auf.
Diese Tatsache verleiht der Silbernachfrage einen positiven und stabilen Ausblick; wenn eine Industrie zurückgeht, könnten viele andere Nachfragesegmente diese Rückgänge immer noch ausgleichen.
Im Folgenden finden Sie eine beispielhafte Auswahl der Verwendungsmöglichkeiten von Silber, wobei einige immer noch in ihrer Frühphase stecken:
- Festkörperbeleuchtung (SSL), bei der Halbleiter verwendet werden, um Licht mittels lichtemittierender Dioden – entweder LEDs oder OLEDs – zu produzieren, anstatt durch traditionellere Techniken wie elektrische Glühfäden. SSL-Kaltlichtquellen werden bei Straßenampeln und in einigen Autoscheinwerfern verwendet.
- Die RFID-Technologie arbeitet mit aus Silbernitrat hergestellten Silberauflagen. RFID-Chips finden sich mittlerweile überall. Es ist schwer, heutzutage noch irgendein neues Produkt zu finden, das nicht mindestens über einen RFID-Chip verfügt – selbst wenn es nur in dem Sicherheitssiegel der Verpackung steckt.
- Superkondensatoren und Supraleiter, Autokatalysatoren und neue Arten von Batterien mit verbessertem Wirkungsgrad.
- Medizinische Anwendungsbereiche wie antiseptische Abdeckungen für die Chirurgie, antibakterielle Wundverbände, Zahnamalgam und Silbersalze, die dabei helfen, Infektionen bei Neugeborenen zu verhindern. Silber wird auch bei Hauterkrankungen und bestimmten Krebsarten als Heilmittel eingesetzt.
- Wasseraufbereitungssysteme, Waschmaschinen, Klimaanlagen, Kühlschränke und Tiefkühltruhen. Die NASA nutzte Silber, um an Bord ihrer Space Shuttles wiederaufbereitetes Wasser zu sterilisieren.
- Lebensmittelverpackungen und Lebensmittelkonservierung. Die Hersteller von gewerblichen Speiseeismaschinen nutzen mit Silber versetzte Leitungen, Rohrschellen und Rohrleitungsteile. Sie verwenden Silber auch an anderen Stellen, wo sich klebriges Zeug festsetzen und Bakterien Zuflucht bieten kann. Fleischverarbeitende Anlagen nutzen mit Silber angereicherte Tische, Fleischwölfe und Fleischhaken. Silber wird verwendet, um Obst, Gemüse und Blumen während des Transports frisch zu halten.
- Hygiene in öffentlichen Räumen. Silber-Anwendungen dienen beispielsweise als antibakterieller Schutz von Telefonhörern, Türgriffen, Bettstangen, Toilettensitzen, Kinderspielzeug und finden sich auch in Socken, Unterwäsche, Bettzeug, Handtüchern usw.
- Es gibt eine Vielzahl weiterer Konsumgüter, die wir jeden Tag verwenden, wo Silber genutzt wird: Bei Makeup, antibakteriellen Seifen, Küchengeräten, Gesichtscremes und Gesichtsmasken.
Und obschon die Gesamtnachfrage all dieser neuen Anwendungsbereiche relativ moderat ist, prognostiziert das Silver Institute relativ trocken, dass „es für eine Reihe dieser Segmente Potenzial gibt, ihren Silberverbrauch auszubauen.“ Das Silver Institute geht davon aus, dass unter den neuen Silber-Anwendungsbereichen SSL-Kaltlichtquellen, Batterien und RFID-Chips die größten Wachstumstreiber sein werden.
Und die Hauptquelle der industriellen Silbernachfrage legt ebenfalls immer weiter zu. Die Autoindustrie baut ihren Silberverbrauch weiter aus, was auf den Anstieg der Zahl produzierter Autos wie auch auf die steigende Zahl der darin verbauten elektrischen Kontakte zurückzuführen ist. Und da die Zahl der Verbesserungen in den Autos fortwährend zunimmt, steigt natürlich auch die Menge des verwendeten Silbers. Beispielsweise wird Silber in Schaltern, mit denen die Sitze, Seitenspiegel und Scheibenwischer eingestellt werden, und in Navigationssystemen verwendet.
Das Silver Institute geht davon aus, dass die industrielle Verwendung von Silber bis 2015 auf 665,9 Millionen Unzen pro Jahr steigen wird, was 60% der jährlichen Gesamtnachfrage entspricht.
Was bedeutet das für die Investoren?
Da die Hälfte der Silbernachfrage von der Industrie kommt, kann sich Silber neben seiner Edelmetallkomponente natürlich auch wie ein Industriemetall verhalten. Und das bedeutet, dass Silber gegenüber wirtschaftlichen Entwicklungen empfänglicher ist als Gold, was den Preis des Metalls nicht nur volatiler macht, sondern darüber hinaus auch dazu führt, dass die Silberpreisentwicklung insgesamt schlechter prognostiziert werden kann.
Schlussfolgerungen:
1. Die Solarbranche weist ein enormes Potenzial auf, zu einer der bedeutendsten Silbernachfragequellen zu avancieren. Dies wird den Silberpreis stützen. Diese Branche hatte noch vor zehn Jahren praktisch null Auswirkungen auf den Silbermarkt und stellt heute bereits 10% der industriellen Gesamtnachfrage.
Und es ist ja nicht nur Japan. Laut einem Bericht der Economic Times werden zurzeit in 102 Ländern Solaranlagen errichtet, während es noch vor zwei Jahren gerade mal 18 Länder gewesen sind. Eine massiv oder stark wachsende Nutzung von Solaranlagen wird aus Deutschland, Italien, Japan, Frankreich, Belgien, Portugal, Spanien, den USA, Australien und Asien (darunter China und Indien) gemeldet.
2. Die Entwicklung der Solarbranche fand nicht aufgrund natürlicher Marktkräfte statt, sondern wurde durch staatliche Subventionen massiv befördert – Gelder, von denen die Branche und somit indirekt auch der Silberpreis profitierten.
Man kann derlei staatliche Marktinterventionen nun mögen oder auch nicht – als Investor ist es jedoch von Bedeutung, sich dieser Trends bewusst zu sein, egal ob man den Maßnahmen nun zustimmt oder nicht. Besonders wichtig ist, diese Subventionen immer im Auge zu behalten, da klamme Regierungen ihre Prioritäten auch wieder ändern können. Das wird natürlich nicht über Nacht passieren, weshalb es ausreichend Warnhinweise geben dürfte.
3. Aufgrund der einzigartigen Eigenschaften von Silber nimmt die Zahl seiner industriellen Anwendungsbereiche fortwährend zu. Die Forscher des Silver Institute sind bezüglich der künftigen industriellen Silbernachfrage sehr optimistisch. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass praktisch nur das schlimmstmögliche Wirtschaftszenario einen negativen Einfluss auf die Silbernachfrage hätte.
4. Steigt die Silbernachfrage schnell genug, könnte dies trotz einer steigenden weltweiten Silberproduktion nicht nur den Preis, sondern auch die Verfügbarkeit von Silber beeinflussen. Sollte das passieren, werden die Preisaufschläge bei physischem Silber steigen, während die Silberversorgung immer angespannter wird.
Das Entscheidende bezüglich der vorgenannten Aspekte ist, dass die wachsende Zahl industrieller Silber-Anwendungen einen langfristigen Wandel des Markts darstellt. Die zunehmende Zahl an unterschiedlichsten Silber-Anwendungen wird künftig nicht nur stabil bleiben, sondern weiter steigen, was den Silberpreis stützen und Auswirkungen auf die Angebots- und Nachfragesituation haben wird.
Investoren sollten im Hinterkopf behalten, dass – während die langfristigen Aussichten für den Silberpreis extrem bullisch sind –, der Preis in dem Maße, wie er von der industriellen Nachfrage beeinflusst wird, kurzfristig natürlich auch gegenüber wirtschaftlichen Korrekturen bzw. Abschwächungen anfällig ist.