Trotz zahlreicher Rettungsmilliarden geht es Griechenland nicht besser, und die Aussichten sind trüb.
Norman Hanert, Preußische Allgemeine Zeitung, 11.10.2012
Um Griechenland die nächste Rate von 31 Milliarden Euro an Hilfsgelder überweisen zu können, läuft unter Politikern derzeit ein Wettlauf beim Gesundbeten des „Patienten Griechenland“. Tatsächlich ist nach mehreren Jahren des „Rettens“ die Bilanz allerdings desaströs.
Gilt es, Europa-Politik mit pathetischen Worten zu untermalen, dann ist auf den EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz bisher immer Verlass gewesen. Wenn Europa „nicht in der Bedeutungslosigkeit verschwinden“ wolle, dann müsse es den Euro und auch den Verbleib Griechenlands in der Eurozone verteidigen, so ist von Schulz nun zu hören. Ein Festhalten am Euro scheint für Griechenland selbst allerdings mittlerweile eine feste Garantie für den endgültigen Ruin des Landes zu sein. Seit 2008 ist die griechische Wirtschaft um etwa 20 Prozent geschrumpft, wie nun aus jüngsten Zahlen des Athener Statistikbüros hervorgeht.
Ähnlich düster wie bei den Finanzen des Staates sieht es in Griechenland inzwischen bei vielen Unternehmen und Privathaushalten aus. Jeder vierte Kredit, der von griechischen Banken vergeben wurde, wird inzwischen vom Kreditnehmer nicht mehr bedient. Die hohe Zahl der Kreditausfälle ist noch alarmierender, als es auf den ersten Blick erscheint. Mehr als 600000 Kreditnehmern sind von den Banken bereits günstigere Konditionen eingeräumt worden, um Ausfälle zu vermeiden. Von der Gesamtkreditsumme von 57 Milliarden Euro, die aktuell nicht mehr bedient werden, entfallen rund 33 Milliarden auf Unternehmenskredite, 20 Milliarden Euro auf Immobilienfinanzierungen und vier Milliarden Euro auf Konsumentenkredite. Nochmals explodieren könnte die Zahl der nicht bedienten Kredite, sobald Pläne der griechischen Regierung umgesetzt sind, Privatinsolvenzen zu erleichtern. Für eine weitere Verschärfung der Lage dürfte die Rekordarbeitslosigkeit sorgen. Aktuell ist der Stand von 24,4 Prozent erreicht. Das Überschreiten der 25-Prozent-Marke, bei der jeder Vierte Grieche arbeitslos sein wird, dürfte im Winter erreicht sein.
Zweifelhaft ist, ob Maßnahmen, wie sie nun die griechische Regierung auf den Weg bringt, an der grassierenden Arbeitslosigkeit nachhaltig etwas ändern werden. Trotz leerer Kassen wirft Athen nun die Subventionsmaschine an, um spektakulären Projekten staatliche Zuschüsse zu geben. Übrig bleiben dürfte im besten Fall ein wirtschaftliches Strohfeuer. Aber auch Pleiten sind dabei nicht ausgeschlossen. Fast zeitgleich mit der Insolvenz des Nürburgrings in Deutschland hat Athen 29 Millionen Euro an Subventionen für den Neubau einer Formel-I-Strecke in Griechenland bewilligt. Ernsthafte Chancen dürfte die Rennstrecke genauso wenig haben wie ein Luxus-Kongresszentrum, für das Athen ebenfalls die Subventionen zahlt.
Welchem Drahtseilakt schon die bisherigen Bemühungen gleichkommen, Griechenland trotz weiteren wirtschaftlichen Niedergangs um jeden Preis in der Euro-Zone zu halten, wurde nun durch einen Bericht der griechischen Zeitung „To Vima“ deutlich. Was bisher nur als Gerücht kursierte, wurde erstmals mit Fakten untermauert. In Griechenland liefen Ende 2011 tatsächlich Vorbereitungen für einen Militärputsch. Detailliert ist „To Vima“ auf die Ereignisse um die Absetzung des Generalstabschefs und die Chefs des Heeres, der Marine und der Luftwaffe durch den damaligen Premier Giorgos Papandreou im November 2011 eingegangen. Vermutungen, dass Papandreou durch den Schritt einen Putsch des griechischen Militärs verhindert hat, scheinen nun durch Zeugenaussagen untermauert. Ein „Politiker aus dem rechtsnationalistischen Spektrum“ sei damals aus Militärkreisen darauf angesprochen worden, ob er bereit sei, sich an einer „Übergangsregierung“ zu beteiligen – einer, die vom Militär gebildet würde, so „To Vima“. Erklären würde dies, warum der damalige Premier Papandreou nicht nur die Militärführung ohne jegliche Erklärung abgesetzt hat, sondern auch, warum sich Papandreou – zum Verdruss Angela Merkels und Nicolas Sarkozys – unbedingt über eine Volksabstimmung Rückendeckung für seine Politik beim Volk sichern wollte.