Ein ultra-bullischer Edelmetallanalyst geht davon aus, dass Silber eines Tages teurer sein könnte als Gold. Und obschon dieses Szenario recht unwahrscheinlich ist, gibt es in der Tat Faktoren, die nahelegen, dass sich Silber gegenüber Gold verteuern wird
Lawrence Williams, Mineweb.com, 19.10.2012
Ted Butler hat einen Artikel des langgedienten Silbermarktanalysten (und Silberbullen) Israel Freidman veröffentlicht, der einige Aussagen enthält, die Silberinvestoren überall auf der Welt wohl außerordentlich gerne hören dürften.
Zu Beginn erklärt Freidman, dass Silber seines Erachtens der beste Rohstoff des Planeten ist, den man als Anleger überhaupt halten kann – eine Auffassung, die er, wie er sagt, bereits vor 30 Jahren hatte, als Silber noch unter USD 5 pro Unze notierte, und die er auch heute noch bei einem Silberpreis von USD 33 pro Unze hat.
Freidman sagt, dass Silber einer der wenigen Rohstoffe ist, der vom Durchschnittsbürger physisch gehalten werden kann. Das trifft zwar auch auf Gold zu, aber durch den hohen Goldpreis kann der „Durchschnitts-“Anleger im Vergleich zu Silber nur eine winzige Menge Gold halten.
Richtig enthusiastisch wird er, wenn es um die Silber-Anlagemünze „Silver Eagle“ der US-Mint [Prägeanstalt der USA] geht, die er als die schönste und bekannteste Münze der Welt bezeichnet. Er ist überzeugt davon, dass sie eines Tages so populär sein wird, dass die US-Mint nicht mehr in der Lage sein wird, die Nachfrage zu befriedigen – was wir ja gelegentlich bereits gesehen haben, als die Prägeanstalt die Verkäufe rationieren musste – und die Aufpreise explodieren werden, wenn die US-Mint die Produktion einstellen muss.
Zum Teil beruht seine Prämisse darauf, dass die industrielle Silbernachfrage nach seinem Dafürhalten massiv gestiegen sei – speziell die Nachfrage aus der der Elektronikbranche, wo Silber vielleicht der beste elektrische Leiter ist. Und da die Welt immer stärker elektrifiziert wird, so Freidman, wird die Silbernachfrage gemeinsam mit der weltweiten Bevölkerung und dem weltweiten Wirtschaftswachstum weiter steigen.
Er fügt hinzu, dass die Solarzellenproduktion aktuell einen weltweiten Boom erlebt und dies ein weiterer wichtiger neuer Silbermarkt sei. Und es gibt für Silber natürlich auch noch eine Vielzahl anderer neuer Anwendungsgebiete, worauf wir in unserem aktuellen Artikel „Neue Erfindungen heizen Silbernachfrage an“ noch einmal hingewiesen hatten.
Abgesehen davon ist es Silber gelungen, erhebliche Preiszuwächse zu verzeichnen, und das obwohl es zu enormen – anfangs sehr nachteilig erscheinenden – Verschiebungen bei der industriellen Nachfragestruktur gekommen ist.
Den überwiegenden Teil des 20. Jahrhunderts ging die industrielle Silbernachfrage hauptsächlich auf das Konto der Fotographie. Da in den letzten Jahren die Digitalfotographie Einzug hielt, ist die Silbernachfrage für die Herstellung gewöhnlicher Kamerafilme jedoch eingebrochen. Dass Silber trotz dieses drastischen Nachfrageeinbruchs bei seiner einstigen industriellen Hauptnachfragequelle seine Preisanstiege fortsetzen konnte, könnte in der Tat ein Hinweis darauf sein, dass die Nachfrage nach dem Metall aus anderen Branchen enorm ist und ständig weiter zulegt.
In den vergangenen zehn Jahren wurde die Silbernachfrage aber vor allem durch die Zuwächse bei der Investmentnachfrage gestärkt. Hierzu gehören die Käufe physischen Silbers (wie die Käufe der oben erwähnten Silver Eagles), die Käufe von Spezialisten, die das Metall im Namen der Investoren in Tresoren verwahren, und die Nachfrage seitens börsennotierter Silberfonds.
An der Preisfront hat Silber zu weiten Teilen den Goldpreis abgebildet, wobei das weiße Metall gelegentlich wilde und extrem scharfe Ausreißer hinlegte. Am bemerkenswertesten sind natürlich die heftigen Kurseinbrüche von Silber, die einige Marktbeobachter den Preismanipulationen einiger sehr großer Halter von spekulativen Papiersilber-Positionen zuschreiben.
Und obschon die grundlegende Angebots- und Nachfragesituation den Silberpreis stützt, ist es genau diese Investmentnachfrage, die von entscheidender Bedeutung ist. Die Prämisse von Freidman ist, dass diese Investmentnachfrage:
„langfristig gesehen mit den Silbernutzern, die Silber als Rohmaterial haben müssen, in Wettstreit treten wird. Das ist eine potenzielle Kaufkombination, die es so bei keinem anderen Rohstoff gibt. Und das ist es auch, was Silber so außergewöhnlich macht.“
Da sich die industrielle Silbernachfrage aufgrund all der neuen technologischen und medizinischen Anwendungsgebiete – Silber wird beispielsweise als wichtiges antibakterielles Material oder auch bei Wasserfiltern genutzt – in einer bedeutenden Wachstumsphase befindet, wird es nach Freidmans Auffassung an irgendeinem Punkt zu einer enormen Angebotsverknappung kommen. Diese Auffassung steht der vieler Analysten, die von einem potenziellen Überangebot ausgehen (aktuell zumindest), diametral entgegen.
Die Auffassung Freidmans könnte tatsächlich als ein wenig übertrieben erachtet werden, wenn er erklärt, dass Silber seines Erachtens eines Tages mehr wert sein wird als Gold, was er mit der Doppelfunktion von Silber als industriellem Rohstoff und als Investmentmetall begründet.
Und während selbst unter den enthusiastischsten Silberbullen nur ganz wenige davon ausgehen, dass es zu einem derart bedeutenden Rollentausch von Gold und Silber kommen wird, rechnet Freidman damit, dass, sollte es bei Silber zu einer Angebotsverknappung kommen, dies zur Folge hätte, dass die großen Silber-Shortpositionen an der Rohstoffbörse COMEX glattgestellt werden müssten und es dadurch zu einem massiven Short-Squeeze käme. Dann sei nach oben hin alles möglich, wobei er hier wahrscheinlich nicht in Betracht zieht, dass es bei massiven Preisanstiegen gleichzeitig auch zu einem starken Rückgang der Industrienachfrage käme.
Ja vielleicht wird es eines Tages tatsächlich so kommen … aber selbst wenn es so wäre, erscheint mir die Annahme, dass Silber dadurch teurer wird als Gold, immer noch aus dem Reich der Fantasie zu entstammen. Es sind aber auch schon verrücktere Sachen passiert!
Alles in allem sind Freidmans Auffassungen jedoch sehr interessant und stellen das eine Ende des Spektrums der wahrscheinlichen Silberpreisprognosen dar. Auf der anderen Seite dieses Spektrums finden sich all jene, die davon ausgehen, dass der Silberpreis in sich zusammenbrechen wird. Und in der Mitte sind diejenigen, die sich für das wahrscheinlichste Szenario entscheiden, also dass irgendetwas zwischen den beiden Enden des Spektrums passieren wird; dass der Status Quo aufrecht erhalten wird.
Werden wir jemals erleben, dass es zu massiven Preisanstiegen bei Silber kommt, die durch eine Kombination aus Industrienachfrage und Investmentnachfrage verursacht werden? Ich halte es für unwahrscheinlich, obwohl eine Verbesserung des Gold/Silber-Verhältnisses (aus Sicht der Silberanleger) durchaus denkbar wäre, da dies dem Szenario eines steigenden Goldpreises nicht entgegensteht.
Das würde bedeutend, dass Silber künftig stärkere prozentuale Zugewinne verzeichnen könnte als Gold – was ohnehin der allgemeine Trend zu sein scheint. Aber selbst der ultrabullische Freidman warnt:
„…es ist klar, dass es noch einige große Shorter gibt, die nichts anderes tun, als zu versuchen, die Preise nach unten zu hämmern. Versuchen Sie, sich auf drastische Abverkäufe einzustellen, und nutzen Sie die Phasen, wo der Preis unten ist, um weitere Positionen aufzubauen.“