Der Edelmetallexperte und Gründer von Goldcore Mark O´Byrne im Gespräch mit Mineweb.com

Mineweb.com, 30.10.2012

Geoff Candy: Mark, wir wollten mit Ihnen über Silber sprechen, weil der Silberpreis diese Woche um rund 4,5% zurückgegangen ist und es ziemlich viel Gerede über die aktuellen Ereignisse gibt und darüber, dass sich irgendeine Art von Müdigkeit im Hinblick auf die quantitative Lockerung, speziell bei Gold, breitmacht. Das hat vielleicht auch auf Silber einen gewissen Einfluss gehabt. Wie schätzen Sie die aktuelle Situation im Hinblick auf den Silbermarkt ein?

Mark O´Byrne: Ja es ist, wie Sie sagten. Silber ist diese Woche um 4,5% und im Monat Oktober sogar um 6,7% zurückgegangen. Wir erachten es aber als eine Korrektur innerhalb eines langfristigen säkularen Bullenmarkts bei Gold und in der Tat auch bei Silber.

Im Grunde konnten beide Metalle im August und September gute Aufwärtsbewegungen hinlegen und dann, als wir in den Oktober gingen, bei dem es sich traditionell um den schwächsten Monat für Gold und Silber handelt, hatten wir sogar davor gewarnt, dass eine Korrektur im Oktober sehr wahrscheinlich sei, und das hat sich ja dann auch bewahrheitet.

Wir glauben aber, dass es sich hierbei nur um eine kurzfristige Schwäche handelt und die langfristigen Fundamentaldaten dafür sorgen werden, dass der Goldpreis und der Silberpreis in den kommenden Monaten höher notieren werden, speziell weil November für beide Metalle einer der stärksten Monate ist. Also genau damit rechnen wir, auch wenn wir die Tiefs jetzt vielleicht noch nicht erreicht haben.

Ich denke, es ist durchaus möglich, dass wir die Tiefs in den nächsten ein oder zwei Wochen sehen werden und es im November wieder eine stärkere Phase geben wird. Wir sollten aber nicht vergessen, dass Dezember, Januar und Februar traditionell ziemlich starke Monate für die Metalle sind, und ich glaube, dass wir im März 2013 ein weiteres Zwischenhoch sehen könnten.

Geoff Candy: Wo Sie gerade von diesen saisonalen Hochs sprechen, wie viel davon hängt mit der asiatischen Schmucknachfrage zusammen, und das in einem Jahr, wo wir angesichts der hohen Preise, speziell in Rupien, keine sonderlich spektakulären Wachstumszahlen in diesem Marktsegment gesehen haben? Wie beeinflusst das die Edelmetallpreise und speziell Silber?

Mark O´Byrne: Ja, traditionell ist die Schmucknachfrage aus Asien, speziell die aus Indien, ein maßgeblicher Preistreiber gewesen, und die indische Festsaison war gerade für Gold immer besonders wichtig. Und das könnte zu der Stärke geführt haben, die wir in den Novembermonaten immer beobachten konnten. In jüngster Zeit, seit der Liberalisierung des chinesischen Goldmarkts, ist hier aber auch noch die chinesische Goldnachfrage zum chinesischen Neujahrstag hinzugekommen. Das ist ein weiterer Faktor, den die Leute für den Preisdruck zum Jahresende verantwortlich machen. Also ich glaube, dass das immer noch ein Faktor ist, aber dass es wahrscheinlich nicht mehr so bedeutend ist wie früher.

Wenn man sich nur die Schmucknachfrage anschaut, dann hat sich die asiatische Nachfrage massiv verändert. Heute gibt es eine stärkere Münz- und Barrennachfrage aus Asien, und ich gehe davon aus, dass die Asiaten an sich etwas smarter geworden sind, wenn es darum geht, Gold zu kaufen. Sie versuchen meistens günstig zu kaufen, und dann haben wir ja auch noch das Aufkommen der börsennotierten Fonds und vieler anderer Arten von Investment-Vehikeln zu verzeichnen, ob nun digitales Gold oder Goldzertifikate, die im Westen zunehmend beliebter geworden sind.

Also die Schmucknachfrage ist zwar immer noch ein Faktor, aber sie scheint mehr zu einem Faktor geworden zu sein, der den Preis bei Rückgängen stützt. Die Schmucknachfrage ist nicht der entscheidende Faktor, der die Preise auf Rekordhochs treibt. Die Schmucknachfrage ist vielmehr eine grundlegende Stützung des Markts, und wir gehen davon aus, dass dies auch künftig weiter der Fall sein wird, weil die chinesischen und speziell die indischen Käufer dazu neigen, sehr preisbewusst zu sein. Sie sind darauf aus, bei Kursrücksetzern zu kaufen, während unsere Erfahrung mit westlichen Käufern zeigt, dass diese bedauerlicherweise dazu neigen, in der Nähe von Zwischenhochs zu kaufen, und nicht sehr gut darin sind, bei Preiskorrekturen zu kaufen.

Geoff Candy: Das wirft natürlich die Frage auf, ob die Saisonalität bei den Edelmetallen in den nächsten Jahren abflachen wird oder ob es bei den Monaten, die besser laufen als andere, zu Veränderungen kommt.

Mark O´Byrne: Ich weiß es nicht. Vielleicht kann das von Indien ausgehen, weil die Goldeigentümerschaft in Indien so riesig ist – sie sind die größten Goldbesitzer der Welt; Indien hat einen hochentwickelten Goldmarkt. Andererseits verfügt China über eine ähnliche Bevölkerung von fast 1,3 Milliarden Menschen, wenn man die Auslandschinesen mit hinzurechnet, und das ist recht interessant, weil die Goldeigentümerschaft der Chinesen, die zwischen 1950 und 2003 aufgrund des Goldverbots bei null lag, massiv gestiegen ist.

Der Pro-Kopf-Goldbesitz in China ist immer noch weit entfernt von indischen Niveaus, aber es wird davon ausgegangen, dass die Festlandchinesen beim Goldbesitz schon bald zu ihren Landsleuten in Hongkong und den chinesischen Emigranten in Singapur und anderen asiatischen Ländern aufschließen werden. Gold ist tief in der Psyche der chinesischen Menschen verankert. Es ist schwer zu sagen, aber ich glaube, dass die Geschichte mit der asiatischen Nachfrage niemals enden wird.

Sicher, die Nachfrage könnte von den jüngsten Rekordniveaus aus auch wieder zurückgehen, aber ich glaube, dass die meisten Analysten überrascht wären, wenn der Nachfragerückgang bedeutend ausfiele – gerade wenn man die Unsicherheiten bedenkt, mit denen beide Wirtschaften, die chinesische wie auch die indische, und die Weltwirtschaft konfrontiert sind.

Geoff Candy: Bei Silber ist es ja so, dass das Metall, wenn man von seiner Investment- und Schmucknachfrage mal absieht, viel mehr Industriemetall ist als Gold, und im Photovoltaikmarkt haben wir eine riesige Überversorgung gesehen, die ja auch irgendwelche Auswirkungen haben muss … Was denken Sie, wie wird sich die Silbernachfrage weiterentwickeln und welche Auswirkungen wird das auf den Silberpreis haben?

Mark O`Byrne: Ja sicher, die Nachfrage der Solarbranche ist interessant, weil es seitens dieses Sektors enorme Anstiege bei der Silbernachfrage gegeben hat, selbst wenn diese Nachfrage wieder ein wenig nachgegeben hat . Die Aktienpreise vieler Solarfirmen sind komplett eingebrochen und einige weitere dieser Titel haben bedeutende Verluste verbuchen müssen. Ich glaube, dass dort eine Blase am Entstehen war, und die Nachfrage ist nun wieder zurückgegangen. Vom jetzigen Niveau ausgehend könnte die Nachfrage durchaus auch wieder zurückgehen, aber ich glaube, dass es von diesem Sektors immer eine bestimmte Grundnachfrage geben wird.

Und obwohl sich die Leute in jüngster Zeit auf den Solarsektor konzentrierten, ist es wichtig, hier noch einmal darauf hinzuweisen, dass Silber bei anderen industriellen Anwendungen immer noch in riesigen Mengen genutzt wird. Die Menschen würden staunen, wenn sie all die vielen Dinge kennen würden, in denen sich Silber findet … in Mikrowellen, Kühlschränken und allen möglichen alltäglichen Gerätschaften. Es gibt eine riesige Menge neuer und unterschiedlicher Sachen.

Silber wird beispielsweise in medizinischen Gerätschaften verwendet, weil es über antibakterielle Eigenschaften verfügt, die die ganze Menschheitsgeschichte über bekannt gewesen sind. Ja selbst die US-Armee hat Bekleidung entwickelt, die von US-Soldaten getragen wird und über kleine Silberpartikel verfügt, weil die Soldaten diese Kleidung im Einsatz über längere Zeit tragen können. Wenn man viel schwitzt steigt auch das Risiko von Krankheiten … Also wir haben medizinische Kleidung, Verbandszeug, ja Silber findet sich sogar in den Medikamenten selbst. Dieser Bereich ist sehr interessant.

Noch bedeutender ist meines Erachtens jedoch … dass die Investmentnachfrage mindestens genauso wichtig werden wird. Ich glaube, dass die Investmentnachfrage schon bald so wichtig sein wird wie die Industrienachfrage. In den 80er und 90er Jahren, also nachdem die Silberblase geplatzt war, war die Industrienachfrage unstreitig eine wichtigere Nachfragequelle als die Investmentnachfrage, aber der Wandel hat bereits eingesetzt und wird in den kommenden Monaten und Jahren weiter anhalten.

Geoff Candy: Und wie viel dieser Nachfrage ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass die Goldpreise heute so viel höher sind als früher?

Mark O`Byrne: Ja, da gebe ich Ihnen völlig Recht. Das ist ein Faktor – speziell in Asien, wo Silber noch stärker als Gold des armen Mannes erachtet wird als im Westen. Also wir haben die Nachfrage, die speziell aus Indien kommt, aber sie kommt auch aus anderen asiatischen Ländern. Es wird für die Menschen zunehmend schwieriger, in irgendwelchen nennenswerten Mengen Gold zu kaufen, also kaufen sie sich Silber, weil das Gold/Silber-Verhältnis aktuell bei rund 53:1 liegt. Das langfristige Verhältnis liegt aber bei 15:1, weil aus geologischer Sicht auf 15 Teile Silber ein Teil Gold kommt.

Wir gehen davon aus, dass sich das Verhältnis langfristig wieder dem Langzeitniveau von 15:1 annähern wird, weil bei den Industrieanwendungen während der letzten 100 Jahre riesige Mengen an Silber verbraucht worden sind, während all das jemals gefördert Gold auf einem viel höheren Niveau recycelt wurde.

Also, das ist ein Teil davon, und es kommt noch hinzu, dass es auch in der westlichen Welt noch Gelder gibt, also Investitionsgelder, die Silber im Vergleich zu Gold als unterbewertet erachten, da Gold zurzeit weit über seinem nominellen Hoch von 1980 notiert, während Silber immer noch weit unter seinem nominellen Hoch von 1980 liegt. Ich gehe daher davon aus, dass diese internationale Investmentnachfrage nach Silber weiter angefacht werden wird.

Geoff Candy: Wie werden sich die Preise nach Ihrem Dafürhalten entwickeln?

Mark O`Byrne: Nun wir springen hier mit Sicherheit nicht auf irgendeinen Zug auf. Wir erklärten bereits in 2003, dass Silber unseres Erachtens die Marke von USD 50 pro Unze durchbrechen wird. USD 50 pro Unze ist das nominelle Hoch von 1980. Wir sagten in 2003, dass Silber diese Marke durchbrechen würde. Vor anderthalb Jahren kletterte Silber dann tatsächlich auch auf dieses Niveau, und wir glauben, dass Silber erneut in diesen Bereich vorstoßen wird.

Wir sagten aber auch, dass Gold und Silber ihre inflationsbereinigten Hochs erreichen würden. Das inflationsbereinigte Hoch von Gold liegt bei USD 2.400 pro Unze und das inflationsbereinigte Hoch von Silber liegt bei USD 140 pro Unze, und wir sehen keinen Grund, warum wir diese Langfrist-Prognosen ändern sollten.

Die Menge des bisher weltweit gedruckten Geldes würde sogar nahelegen, dass, käme es zu einem parabolischen Preisanstieg, wie wir ihn 1980 sahen, die Preise noch bedeutend stärker nach oben hin ausbrechen könnten.

Geoff Candy: Was wird aller Vorausschau nach der nächste Auslöser für einen Ausbruch des Silberpreises sein, nach oben wie nach unten?

Mark O`Byrne: Nun ja, ich glaube, das wird die US-Fiskalklippe sein. Wenn die Wahlen erst einmal vorüber sind, werden die Menschen sich wieder dem US-Kongress zuwenden und schauen, ob die Abgeordneten sich zusammenreißen können und die Fiskalklippe angehen. Und viele Menschen machen sich auch Sorgen darüber, dass, selbst wenn sie es schaffen sollten, ihre politischen Streitereien beizulegen und eine Art von Konsens zu erzielen, die Fiskalprobleme in den USA im Hinblick auf das Haushaltsdefizit und die riesigen nichtfinanzierten Verbindlichkeiten, die zwischen USD 50 Billionen und USD 100 Billionen liegen, immer noch massiv sind und das Risiko besteht, dass … sie sich als unüberwindbar herausstellen.

Es ist eine riesige Aufgabe, die sie da noch vor sich haben, und ich glaube, dass der Dollar unter Druck geraten wird, sollten die Märkte erst einmal damit anfangen, sich wieder auf dieses Thema zu konzentrieren. Fakt ist, dass in den kommenden Jahren alle Währungen unter Druck geraten werden, wenn man sich das Ausmaß der fiskalischen Ungleichgewichte der meisten westlichen Wirtschaften so anschaut, und ich glaube, dass das für Gold und Silber in den letzten zwei Monaten dieses Jahres, in 2013 und auch in den darauffolgenden Jahren gut sein wird.

Ich bin der Meinung, dass wir es bei den Rohstoffen mit einem sogenannten langfristigen „Superzyklus“ zu tun haben, und bei vielen Rohstoffmärkten ist es in der Tat so, dass sie 15 bis 20 Jahre währende Preiszyklen haben. Ja ich denke, es ist durchaus möglich, dass es genau das ist, was wir gerade am Gold- und Silbermarkt beobachten können.

Geoff Candy: Und wir haben bereits rund 10 Jahre hinter uns …

Mark O´Byrne: Genau. Wir befinden uns jetzt im zwölften Jahr. Wer weiß – ich meine, wir versuchen nicht, Preisprojektionen vorzunehmen und die Zukunft vorherzusagen, weil das überhaupt niemand wissen kann, aber wir glauben, dass die Edelmetallpreise ihr Hoch nicht vor 2015 ausbilden werden. Ich glaube, dass es irgendwann zwischen 2015 und 2020 soweit sein wird.

Hoffentlich sind in dieser Phase viele der jetzigen finanz- und geldpolitischen Probleme bereits adressiert worden und hoffentlich haben wir das Schlimmste der Krise dann bereits hinter uns, und ich glaube, erst dann werden wir mehr Klarheit bezüglich des langfristigen Ausblicks haben.

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