Wie die EU Vielfalt durch Gleichschaltung erreicht, was wir künftig nicht mehr lesen müssen, und warum Stärke Schwäche bedeutet / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Preußische Allgemeine Zeitung, 26.01.2013

Die EU muss viel Kritik einstecken. Ihre Vertreter beklagen sich bitterlich, wie wenig vom europäischen Geist der Gründerväter übrig ist, weil kaum noch jemand wisse, dass wir Frieden, Wohlstand und Freiheit nur wegen der EU genießen.

Doch die Führer der EU lassen sich nicht beirren und streben mit ruhigem, festem Schritt nach dem Traum vom Großeuropäischen Reich, wo Frieden, Freiheit und Wohlstand für mindestens tausend Jahre gesichert sind.

Die Freiheit ist ständig bedroht. Vor allem sogenannte „neue Medien“ im Internet nehmen sie unter Dauerbeschuss. Daher hat die für „digitale Fragen“ zuständige EU-Kommissarin Neelie Kroes eine Gruppe eingesetzt, die Möglichkeiten erarbeiten soll, wie den EU-Feinden beizukommen ist.

Die Gruppe hat nun ihren Bericht vorgelegt. Darin schlägt sie vor, eine „unabhängige Beobachtungsstelle“ einzurichten, die als eine Art EU-Schrifttumskammer die Medien überwachen soll. Allen EU-Staaten soll überdies vorgeschrieben werden, solche Kammern auch auf nationaler Ebene einzurichten, offiziell „unabhängige Medienräte“ genannt. Das mit der Unabhängigkeit hat natürlich Grenzen, damit sie nicht missbraucht wird für antieuropäische Provokationen. So soll nach dem Bericht die EU-Kommission zentral überwachen, ob sich die nationalen Räte auch an die europäischen Werte halten.

Die Räte wiederum dürfen laut Kroes-Papier Geldstrafen gegen aufmüpfige Medien verhängen können, Gegendarstellungen erzwingen und einzelnen Medien sogar die „Zulassung“ entziehen, wenn die sich nicht an das halten, was die EU-Kommission unter Qualität und Vielfalt versteht.

Zulassung? So etwas gibt es bislang noch nicht einmal bei uns. In Europa schwelt stattdessen der unhaltbare Zustand sogenannter „Pressefreiheit“, nach der jeder eine Zeitung oder ein Internetportal oder was auch immer aufmachen kann, wie er lustig ist! Ohne einen Kommissar, eine Beobachtungsstelle oder wenigstens die Staatssicherheit zu fragen!

Das Ergebnis ist entsetzlich, wie der Kroes-Bericht zutage gefördert hat: Es sei zu einem „schleichenden Qualitätsverlust“ gekommen, weil über das Internet jedermann Informationen verbreiten dürfe. Also auch solche, die den europäischen Werten zuwiderlaufen. Außerdem seien Vielfalt und Freiheit durch das „Aufkommen neuer Medien“ bedroht. Laut Bericht sollen daher künftig alle Medien verpflichtet werden, einen Verhaltenskodex und redaktionelle Richtlinien zu veröffentlichen. Die werden dann, wie es aussieht, von der „Beobachtungsstelle“ auf ihre Vereinbarkeit mit den europäischen Werten geprüft, wonach über die Zulassung des untersuchten Organs entschieden wird.

Und wenn ein Schelm einen europäisch einwandfreien Verhaltenskodex und weltanschaulich zuverlässige Richtlinien einreicht, sich dann aber einfach nicht dran hält? Na, dann gibt es ja die Möglichkeit der Geldstrafe, damit er Pleite geht. Und wenn das nicht hilft: Entzug der Zulassung.

Die Medienlandschaft könnte indes bald recht fade erscheinen, nachdem alle Euro-skeptischen Organe und Portale beseitigt sind. Wenn der erste europäische Tourist aus China oder dem Iran zurückkommt, um von der enormen Pressefreiheit dort zu schwärmen, dürfte dies zu Unbehagen bei dem einen oder anderen EU-Untertanen führen.

Keine Sorge, daran ist gedacht: Nach dem Bericht wird die EU nicht nur verbieten und zensieren, sie soll auch „unprofitable Medien“, die für die Meinungsvielfalt „unerlässlich“ sind, finanziell fördern. Zudem sollen europäische Medien, die als Sachwalter der europäischen Werte in mehreren Ländern erscheinen, Geld bekommen für Übersetzungen und Reisekosten.

Während also die garstigen Heckenschützen, die EU-kritischen Umstürzler und anderes unbotmäßiges Mediengesocks unnachgiebig ausgemerzt werden, erblüht auf der anderen Seite die bunte Vielfalt einer qualitätsbewussten, dem EU-Gedanken ganz und gar verpflichteten neuen Medienwelt, vom Steuerzahler finanziert, von der Beobachtungsstelle lizensiert, von der EU-Kommission kontrolliert und daher auf dem höchsten Niveau von Meinungsvielfalt.

Wir fiebern bereits den großen kontroversen Debatten entgegen, die da ausgefochten werden, etwa zu der Frage: „Profitieren wir alle vom Euro oder profitiert jeder für sich von der Einheitswährung?“ oder „Ist Herman Van Rompuy ein großer Staatsmann oder ist er ein bedeutender Europäer?“ Natürlich begleitet von kritischen Interviews mit rasierklingenscharfen Fragen: „Herman Van Rompuy, wie erträgt man es, täglich in der Haut einer derart charismatischen Persönlichkeit zu erwachen, wie Sie es sind?“

Übrigens, dem Herrn Van Rompuy hat der britische EU-Stänkerer Nigel Farage unlängst attestiert, er besitze die Ausstrahlung eines „nassen Waschlappens“. Unerhört! Künftig werden wir solche üblen Aussprüche nicht mehr lesen müssen, sonst: Entzug der Zulassung!

Mehr Überwachung und Gleichschaltung … Verzeihung, mehr Freiheit und europäische Vielfalt erstrebt die EU-Kommsion auch bei der Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik. Die Sozialdemokratin Sonja Ablinger, Abgeordnete im österreichischen Parlament, hat ein EU-Papier durchsickern lassen, laut dem es in großen Schritten vorangeht. Schon dieses Jahr wird die EU-Kommission einen Vorschlag erarbeiten, wie „Reformen“ in der Wirtschafts- und Sozialpolitik der Nationalstaaten im Vorwege besser „koordiniert“, sprich: von Brüssel aus gleichgeschaltet werden können.

Nach den EU-Wahlen 2014 soll dann die wirtschaftliche Souveränität der Staaten „progressiv auf EU-Ebene gepoolt werden“. Auf Deutsch: Nach und nach sollen die Nationalparlamente und Regierungen ihre Entscheidungsfreiheit in der Wirtschafts- und Sozialpolitik an die EU verlieren. Dazu soll die Euro-Zone ein eigenes Budget erhalten.

In 18 Monaten bis fünf Jahren spätestens schließlich soll die EU Haushaltspläne von Nationalparlamenten kassieren dürfen. Brüssel entscheidet dann, wofür der Bundestag unser Geld ausgeben darf. Dann bekommt sozusagen jeder Staat eine „Troika“ aufgedrückt wie Griechenland, die sagt, was geht und was nicht.

Künftigen Bundestagswahlen können wir dann noch entspannter entgegensehen als bislang: Es wird egal sein, wer dort die Mehrheit hat, entscheiden tut Brüssel. Wobei die EU-Wahlen dadurch keineswegs stressiger werden, denn mit „Brüssel“ ist natürlich nicht das Europäische Parlament gemeint, sondern die EU-Kommission, der ESM-Gouverneursrat und die ganzen Apparate, die nie ein Mensch gewählt hat. Endlich wird die Last, die uns die Vorväter mit der Erfindung der „Demokratie“ aufgeladen haben, wieder von uns genommen sein.

„Mehr Europa“ bedeutet eben mehr Freiheit, mehr wirtschaftliche Stärke, mehr Chancen und vor allem – mehr Vielfalt. Auf Europäisch heißt „mehr Vielfalt“ mehr Gleichheit und weniger Unterschiede, so wie mehr Freiheit mehr Gleichschaltung, mehr Wohlstand weniger Geld in der Tasche und mehr Chancen … ach, fragen Sie am besten einen spanischen Jugendlichen.

Auf dem Weg zu mehr wirtschaftlicher Stärke ist vor allem Deutschland ein Hindernis. Der Leistungsbilanzüberschuss der Deutschen steigt und steigt, das empfindet die EU-Kommission offiziell als „stabilitätsgefährdend“. Brüssel droht den exportvernarrten Deutschen daher mit einem Strafverfahren, wenn sie nicht endlich etwas gegen die Attraktivität deutscher Produkte auf dem Weltmarkt unternehmen.

Nur China weise einen noch höheren Exportüberschuss aus als Deutschland. Das schwächt, so die EU, die wirtschaftliche Stärke Europas und muss bestraft werden. Demnächst wird Brüssel die Demontage deutscher Fabriken anordnen. Ein Witz? Na! Hätten Sie vor einem Jahr denn das mit der „Pressefreiheit“ für möglich gehalten? Die können alles.

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