Auch wenn Slowenien beteuert, keine Hilfe von der EU zu benötigen, sprechen die Fakten eine andere Sprache
Norman Hanert, Preußische Allgemeine, 25.04.2013
In Rekordzeit hat Sloweniens politische Elite das Land von einem Erfolgsmodell zu einem Sanierungsfall heruntergewirtschaftet. Nur fünf Jahre nach dem Beitritt zur Währungsunion gilt Slowenien als nächster Kandidat für den Euro-Rettungsschirm.
„Schweiz des Balkans“ – nicht lange ist es her, dass viele Slowenen stolz diesen Vergleich gezogen haben. Erst 2004 der EU beigetreten, galt das Land schon drei Jahre später als reif für den Beitritt zum Euro. Nur fünf Jahre später ist das Bild vom Musterschüler ramponiert. Slowenien gilt nach Zypern als nächster Krisenherd in der Euro-Zone und sogar als ernsthafter Pleitekandidat. Und wieder einmal ist es der Euro, der sich im Rückblick als verhängnisvolles Dopingmittel entpuppt hat. Das niedrige Zinsniveau nach dem Euro-Beitritt im Jahr 2007 haben Sloweniens Firmen dazu genutzt, sich auf Pump in einen Kauf- und Expansionsrausch zu stürzen. Die Kreditgeber waren in vielen Fällen die drei größten Banken des Landes, die sich allesamt in Staatshand befinden.
Schaut man genauer hin, wer häufig von den Krediten profitiert hat, dann bekommt das Bild von einer Marktwirtschaft einen weiteren Kratzer. Bei dem, was in den 90er Jahren der Öffentlichkeit als Privatisierung präsentiert wurde, hat es sich oft genug um Scheinprivatisierungen gehandelt. Der Verkauf an dem Staat nahestehende Personen sollte zwar auch Geld in die Staatskasse bringen, vorrangig war aber, dass ein staatlicher Einfluss auf die Wirtschaft erhalten blieb. „Das Ziel war die Kontrolle durch Insider“, wie selbst die Brüsseler EU-Kommission inzwischen einräumen muss. Resultat der geschickt eingefädelten „Privatisierungen“: Die Regierung kontrolliert immer noch direkt oder indirekt rund 50 Prozent der Wirtschaft. Zusammen mit dem Marktanteil von 40 Prozent, den die drei großen staatlichen Banken haben, eine verhängnisvolle Mischung. Zum einen haben die alten politischen Eliten die Banken in staatlicher Hand regelrecht ausgeplündert. Zum anderen hat die Politik Druck gemacht, dass Kredite an Firmen häufig nicht nach wirtschaftlichen Kriterien vergeben werden. Das Resultat der Verfilzung von Politik und Wirtschaft: Sloweniens staatlicher Bankensektor sitzt auf einem Berg fauler Kredite. Wie die Industrieländerorganisation OECD in ihrem jüngsten Bericht schreibt, gilt inzwischen jeder vierte an ein Nicht-Finanzunternehmen vergebene Kredit als Ausfall.
Slowenien selbst scheint zu Staatshilfen für den maroden Bankensektor allerdings kaum in der Lage. Nicht zuletzt weil immer wieder frisches Geld in die maroden Banken gepumpt werden musste, ist Sloweniens Staatsverschuldung in einem starken Tempo gestiegen. Noch 2008 betrug das Defizit nur 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), inzwischen ist die 60-Prozent-Marke erreicht. Gleichzeitig wird der Zugang zum Kapitalmarkt immer schwieriger. Gemessen an den Kosten für Kreditausfallversicherungen halten die Märkte eine Pleite Sloweniens mittlerweile für wahrscheinlicher als eine Insolvenz Ungarns. Kritsch werden könnte es für Slowenien bereits in wenigen Wochen, wenn 2,5 Milliarden Euro an Auslandsschulden refinanziert werden müssen.
Sloweniens Probleme mit faulen Bankkrediten haben allerdings nicht allein für den rasanten Anstieg der Staatsschulden gesorgt. Auch Sloweniens Rentensystem hat sich zu einer tickenden Zeitbombe entwickelt. Mit 58 Jahren liegt das offizielle Renteneintrittsalter so niedrig wie in keinem anderen Industrieland. Massenweise Frühpensionierungen haben dafür gesorgt, dass der tatsächliche Rentenbeginn im Schnitt sogar nur bei 54 Jahren liegt. Als Folge der großzügigen Regelung stehen mittlerweile 450000 Rentenempfänger nur noch 750000 Einzahlern in die Rentenkasse gegenüber. Alle Versuche, das Rentensystem zu reformieren, sind bisher an der „Demokratischen Rentnerpartei Sloweniens“ (DeSUS) gescheitert. Im politischen System Sloweniens mit instabilen Mehrparteienkoalitionen hat es die Rentnerpartei fertig gebracht, sich als einzige Konstante im politischen System zu etablieren. Seit Jahren an jeder Regierungskoalitionen beteiligt, sorgt die Partei dafür, dass ihre Klientel vor Reformversuchen beschützt bleibt. Noch nicht absehbar ist, ob Sloweniens neue Regierungschefin Alenka Bratušek („Positives Slowenien“) den Ernst der Lage wirklich erkannt hat. Kritiker glauben, bei ihr ein „Hollande“– Syndrom ausgemacht zu haben. Befürchtet wird, dass Bratušek – ähnlich wie der französische Präsident – notwendige Reformen und Einsparungen im Staatshaushalt erst einmal auf die lange Bank schiebt. Sollte den bisherigen Dementis von Bratušek zum Trotz in den nächsten Monaten ein slowenischer Hilferuf an den Euro-Rettungsfonds kommen, könnte dies leicht als schlechtes Vorzeichen für das nächste EU-Neumitglied, für Kroatien, gelten.
Schon jetzt hat das Beispiel Slowenien in einigen europäischen Hauptstädten für Ernüchterung gesorgt: Wenn schon der einstige Musterschüler Slowenien derartige Probleme hat, wie mag es dann erst bei den weniger erfolgreichen Ländern Ex-Jugoslawiens, bei Kroatien und Serbien aussehen, die erst noch in die EU aufgenommen werden sollen.