Jeff Nichols, Nicholsongold.com, 18.06.2013

Gold leidet weiterhin unter einer Wolke bärischer Erwartungen. Der Goldpreis befindet sich nunmehr seit rund 20 Monaten in einem Abwärtstrend – ausgehend von seinem Allzeithoch im September 2011 von USD 1.924 pro Unze ist das gelbe Metall um rund 30% gefallen.

Eine wachsende Zahl an Anlegern, Analysten und Journalisten schreibt bereits Abgesänge auf den über zehn Jahre alten Goldbullenmarkt und sagt dem gelben Metall eine düstere Zukunft voraus. Diese Schwarzmaler – der prominenteste unter ihnen ist Nouriel Roubini, der sich einen Namen machte, weil der das Finanzmarktdebakel des Jahres 2008 prognostizierte – verweisen auf eine ganze Reihe von Faktoren, um ihre bärischen Vorhersagen zu untermauern.

Sie sagen, dass die Inflation weiterhin gering ausfallen wird, der US-Dollar weiter aufwerten wird, die Zinsen steigen werden, Europa sich ohne Staatspleiten durchwurschteln wird und die Zentralbanken einiger massiv verschuldeter Länder mit beträchtlichen Goldreserven (wie Italien oder Spanien) einen Teil ihrer Goldreserven auf den Markt werfen könnten. Darüber hinaus sagen sie, dass Gold aufgebauscht worden ist, und sie verstehen nicht, warum Anleger überhaupt einen Vermögenswert halten wollen, der kein Einkommen generiert.

Ich bin der Meinung, dass die Bären eine ziemlich provinzielle Sicht der Dinge haben und die zunehmend bullischeren Fundamentaldaten von Gold nur in begrenztem Umfang verstehen. Mit „provinziell“ meine ich, dass sie über die Hälfte der Welt einfach ausblenden – die Hälfte, die Gold liebt und noch mehr davon anhäufen wird. Sie scheinen zu glauben, dass es außerhalb Europas und der Vereinigten Staaten nicht allzu viel gibt, was für die Zukunft des Goldpreises von Bedeutung sein könnte.

Stattdessen ignorieren die Goldbären einfach einen Großteil der Entwicklungen, die über Wall Street und den amerikanischen Kontinent hinausgehen. Ja was ist denn mit China, Indien, dem Nahen Osten, der Türkei und all den anderen gold-hungrigen Ländern geschehen? Fließen diese Länder nun nicht mehr in die Goldpreisgleichung mit ein?

Ganz im Gegenteil: Die Haushalte, institutionellen Anleger und Zentralbanken dieser Länder werden in den nächsten paar Jahren, wenn nicht gar noch länger weiterhin riesige Mengen an Gold anhäufen – und die meisten dieser Käufe sind langfristiger Natur.

Diese Käufer erwerben Gold nicht, um zu spekulieren und kurzfristige Zugewinne zu erzielen, sondern häufen es an, um dadurch langfristig an Sicherheit zu gewinnen. Mit anderen Worten: Ein bedeutender Teil des Goldes, das heute die Besitzer wechselt, wird selbst bei einem bedeutend höheren Goldpreis nicht wieder in den Markt zurückkehren. Dies wird zu einer wachsenden Angebotsverknappung bei physischem Gold beitragen – und sicherstellen, dass es in den kommenden Jahren zu steilen Preisanstiegen kommen wird.

Fakt ist, dass – wenn wir einmal über die nächsten ein oder zwei Jahre hinausblicken – die Goldnachfrage in diesen goldfreundlichen Ländern ausreichend sein wird, um den Preis des Metalls sogar dann weiter in die Höhe zu treiben, wenn die Wirtschafts- und Investmentbedingungen in den Vereinigten Staaten und Europa für Gold weiterhin nachteilig bleiben.

Hier kommt noch hinzu, dass die Goldbären bestimmte negative Folgen der beispiellosen weltweiten Geldschaffung einfach vom Tisch wischen. Während gegenwärtig praktisch alle Zentralbanken der großen Wirtschaftsnationen ihre Geldmenge unbekümmert aufblähen, vergessen die Goldkritiker das unumstößliche Gesetz von Angebot und Nachfrage … und die dadurch letztendlich mit Sicherheit einsetzende Entwertung der meisten, wenn nicht gar aller weltweiten Währungen – sofern man ihren Wert anhand der Kaufkraft von Waren und Dienstleistungen bemisst.

Die Goldbären sind auch überoptimistisch, was die Aussichten der US-Wirtschaft und die Auswirkungen der US-Geldpolitik anbelangt. All jene, die an das rosige Wirtschaftsszenario glauben, rechnen mit einer Kursänderung der Geldpolitik in 2013, bei der die US-Notenbank damit beginnen wird, ihre allmonatliche Geldspritze zurückzufahren. Diese Auffassung, die in den letzten paar Monaten zunehmend die Oberhand gewonnen hat, hat für einen massiven Abwärtsdruck beim Goldpreis gesorgt, und die alltäglichen Veränderungen bei den Markterwartungen bezüglicher der künftigen Geldpolitik erklären sogar einen Großteil der kurzfristigen Goldpreisschwankungen im bisherigen Jahresverlauf.

Im Gegensatz dazu könnte eine ins Straucheln geratende US-Wirtschaft gemeinsam mit anhaltend schwachen Arbeitsmarktbedingungen und der rückläufigen Rate bei der Verbraucherpreisinflation für eine überraschend robuste Erholung beim Goldpreis sorgen – speziell dann, wenn die Geldpolitik noch stärker gelockert wird.

Die US-Notenbank hat eine Arbeitslosenrate von 6,5% und eine Inflation von mindestens 2% als Ziele ausgegeben. Solange diese Ziele nicht erreicht sind, wird die Fed ihr Programm zum Aufkauf von US-Staatsanleihen und hypothekarisch besicherten Wertpapieren, das unter dem Namen quantitative Lockerung bekannt ist, wahrscheinlich mit der bisherigen Rate von USD 85 Milliarden pro Monat fortsetzen – und sollte die Wirtschaft ins Straucheln geraten, was ich für möglich halte, könnten die Finanzmärkte überrascht feststellen, dass die geldpolitischen Belebungsmaßnahmen sogar noch ausgeweitet werden, was mit Sicherheit ein Rezept für einen höheren Goldpreis wäre.

Wie bereits erwähnt, rechnen die Finanzmärkte nun immer stärker mit einer frühzeitigen Reduzierung der quantitativen Lockerungsmaßnahmen, bei der die Menge der monatlichen Aufkäufe zurückgefahren wird. Und da gegenwärtig eine wachsende Zahl von Goldhändlern und Anlegern damit beginnt, das rosige Wirtschaftszenario anzuzweifeln – was wohlmöglich auf eine Welle an enttäuschenden Wirtschaftsdaten zurückzuführen ist –, könnte Gold eine Rally hinlegen, die stark genug ist, um den jüngsten Abwärtsdruck umzukehren und die Fortsetzung des Aufwärtstrend des säkularen Bullenmarkts einzuleiten.

Der Fed-Vorsitzende Bernanke hat wiederholt davor gewarnt, dass wir nicht von einer Reduzierung der geldpolitischen Belebungsmaßnahmen ausgehen sollten, solange es am US-Arbeitsmarkt keine substantiellen Hinweise auf eine Verbesserung gibt – und das scheint auf absehbare Zeit unwahrscheinlich.

Fakt ist, dass die Bedingungen des Arbeitsmarkts schlechter sind, als die Arbeitslosenrate nahelegt: Die Gehälter stagnieren; die durchschnittliche Wochenarbeitszeit sinkt; die Zahl der Arbeitnehmer in Teilzeitjobs, die gerne Vollzeit arbeiten würden, steigt und eine wachsende Zahl an Arbeitern hat die Suche nach Jobs bereits aufgegeben und fällt aus der Erwerbsstatistik raus. Das spricht eher für mehr geldpolitische Belebungsmaßnahmen als für weniger.

Und was ist mit der Inflation und dem US-Dollar? Anleger und Goldmarktbeobachter sind von den sehr niedrigen staatlich verlautbarten Daten zur Verbraucherpreisinflation und der offenkundigen Stärke des US-Dollars im Devisenmarkt in die Irre geführt worden. Also ich kenne niemanden, der ernsthaft glaubt, dass die Inflation nahe null liegt. Sie mag derzeit vielleicht niedrig sein, aber so niedrig nun auch nicht … und am Ende wird sich all das neue Geld, das die Fed Monat für Monat druckt, in einen Bumerang verwandeln.

Der Goldpreis ist durch den „Anschein“ eines starken US-Dollars im Zaum gehalten worden, aber in Wirklichkeit werten gegenwärtig alle Währungen der alten Industrieländer gemeinsam ab, da die Länder versuchen, ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und die Exporte anzuheizen. Diese Währungen – zu denen der Euro, das Britische Pfund, der Schweizer Franken, der Yen, der Australische Dollar und andere gehören – verlieren real an Kaufkraft … nur der Rückgang beim Dollar dürfte aktuell ein wenig geringer ausfallen als bei den meisten anderen Währungen. Dieser Abwärtswettlauf erinnert doch stark an die Große Depression – und das wird für Gold mit Sicherheit positiv sein.

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