Schaut man sich die Katastrophe vor Ort an, wird klar, dass sich bald genügend Energie für einen revolutionären Wandel angestaut haben dürfte

Simon Black, Sovereignman.com, 11.07.2014

Athen – Mein Freund Illias nimmt einen Zug von seiner Zigarette und denkt über meine Frage nach.

„Unsere Regierung erzählt uns, dass wir in einem Jahr besser da stehen werden. Niemand glaubt ihnen. Alles, was wir tun können, ist optimistisch zu sein. Es gibt aktuell zu viele Menschen, die sich das Leben nehmen.“

Diese Aussage fasst die aktuelle Lage in Griechenland wahrscheinlich am besten zusammen. Es ist so, als hätte sich die Hoffnungslosigkeit nun totgelaufen, und das Einzige, mit dem die Griechen sie ersetzen können, ist verzweifelter und falscher Optimismus. Und Wut.

In Griechenland leben rund 11 Millionen Menschen. 3,5 Millionen von ihnen gehen einer Arbeit nach, wobei rund ein Drittel der Arbeiterschaft für die Regierung arbeitet.

Offiziell sind 1,34 Millionen Griechen arbeitslos. Um das einmal ins Verhältnis zu setzen: Das wäre so, als wären in den USA offiziell 36 Millionen Menschen arbeitslos.

Noch erschreckender wird es, wenn man der Arbeitslosenrate noch die „inaktiven“ Arbeiter hinzurechnet – also all jene, die die Suche nach einer neuen Arbeit bereits aufgegeben haben –, denn dann sind 57% der gesamten griechischen Arbeiterschaft arbeitslos.

Und wie Ihnen bekannt sein dürfte, ist die Lage für junge Menschen noch schlimmer. Nur jeder dritte Grieche unter 25 Jahren hat Arbeit.

Dieses Phänomen – das mittlerweile bereits seit Jahren anhält – hat sich tief in die Psyche einer ganzen Generation eingegraben, die derzeit ohne produktive Arbeitserfahrung oder die Aussicht auf ein besseres Leben aufwächst.

Die Mittelschicht ist komplett vernichtet worden. Wenn wir hier einmal ein paar kleine Fleckchen von Vermögen ausnehmen, ist das gesamte Land entweder arbeitslos oder von Erwerbsarmut betroffen und durch die Schuldenlast gelähmt.

Die hässliche Folge von all dem ist, dass die Menschen in die Verzweiflung getrieben worden sind. Die Selbstmordrate ist explodiert, die Kriminalität hat merklich zugenommen und die Prostitution grassiert.

Die Regierung hält sich allein mittels der Almosen des Rests von Europa über Wasser, wodurch die heute bereits untragbare Schuldenlast des Landes nur noch schlimmer wird. Bei der aktuellen Rate des Schuldenwachstums dürften sie selbst in zehn Generationen noch damit beschäftigt sein, ihre Schulden zurückzuzahlen.

Sie haben einige Mini-Schritte eingeleitet, um ausländische Investitionen anzulocken – eine der bemerkenswertesten Maßnahmen ist, dass Ausländern eine Daueraufenthaltsgenehmigung erteilt wird, wenn sie griechische Immobilien im Wert von über EUR 250.000 erwerben.

[Randnotiz: Seien Sie vorsichtig. Wenn man die griechischen Immobilienpreise mit den Mieten und den Einkommen vergleicht, sind griechische Immobilien heute immer noch überbewertet. Die Eigenheimmärkte in Portugal und Irland verfügen über weit attraktivere Fundamentaldaten, und in beiden Ländern gibt es ähnliche Aufenthaltsprogramme.]

Aber solche Maßnahmen werden kaum etwas ändern. Und die griechische Regierung hat auch keine echten Optionen, außer weiter auf ihre Staatsschulden die Zahlungsunfähigkeit zu erklären oder aus der Eurozone auszutreten und die eigene Währung zu inflationieren.

Angesichts der Dinge, die ich hier vor Ort sehe, ist klar, dass die Lage so explosiv ist wie seit Jahren nicht mehr.

Und all das kommt zu einer Zeit, wo die Ängste bezüglich eines „Grexit“ wieder abgeklungen sind. (Haben Sie auch mitbekommen, dass nur noch ganz wenige Menschen über einen Euro-Austritt Griechenlands sprechen?)

Diese Strategie – von der Hand in den Mund zu leben, von Rettungspaket zu Rettungspaket – ist gescheitert. Sie haben es nun drei Jahre lang versucht, und trotzdem verschlimmert sich der Arbeitsmarkt zusehends und auch die Schulden nehmen immer weiter zu.

Im Ergebnis hat sich auch das Leben des Durchschnittsgriechen immer weiter verschlechtert.

Die Menschen sind wütend. Nein, nicht die „Ich werde dich aus dem Amt wählen“-Stimmung der Jahre 2010 bis 2012. Ich meine die „Ich drehe hier komplett durch und habe nichts zu verlieren“-Wut.

Stellen Sie sich Millionen von Menschen vor, die wütend sind – und dann begreifen sie auch, dass das Land kurz davor steht, den Punkt zu erreichen, an dem ausreichend Startenergie für einen revolutionären Wandel da ist. Ja ich konnte vom Balkon meines Hotels aus praktisch dabei zusehen, wie sich in den Straßen wieder ein neuer Protest bildete. So, das soll´s für heute gewesen sein.

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