Simon Black, Sovereignman.com, 22.07.2013

Reykjavik – Was die sich derzeit in der ganzen Welt abspielende Staatsschuldenkrise anbelangt, war Island Zweifelsohne der Kanarienvogel in der Kohlemine.

Es war das erste Land, das pleiteging und unter dem Gewicht eines kreditbefeuerten Booms zusammenbrach. Am Ende ging der überwiegende Teil der Bankenbranche zu Boden, während die Währung in den freien Fall überging.

Die Banken gingen entweder pleite oder wurden verstaatlicht. Und Anleger überall auf dem Planeten wurden sich plötzlich der ernüchternden Realität großer Pleiten gewahr … etwas, das nur Monate vorher als völlig undenkbar galt.

Die Lage verschlimmerte sich so sehr, dass die britische Regierung – für deren Steuerzahler bei den isländischen Bankenpleiten viel auf dem Spiel stand – ihre Anti-Terror-Gesetzgebung nutzte, um in Großbritannien isländische Bankvermögenswerte zu beschlagnahmen!

Es war ein spektakulärer Zusammenbruch. Und es war der erste von vielen. Irland, Griechenland, Zypern usw. sollten bald darauf folgen.

Doch im Gegensatz zu den bankrotten Ländern im Süden Europas ging Island diesen wirtschaftlichen Notstand ganz anders an.

Die isländischen Politiker sind stolz darauf, dass sie nie Austeritätsmaßnahmen implementiert haben, so wie es der vorherrschende Lösungsansatz in Europa ist.

Stattdessen implementierten sie Kapitalverkehrskontrollen. Sie ließen die Banken pleitegehen. Und – wie so oft in den Medien hinausposaunt wird – sie „sperrten ihre Banker ein und retteten ihre Bevölkerung.“

Heute wird Island als das Modell der Erholung gefeiert. Berühmte Ökonomen wie Paul Krugman loben die Regierung dafür, dass sie die Wirtschaft rasch wieder aufgebaut hat, ohne sich dabei auf Austerität zurückziehen zu müssen.

Die Überschrift in der heutigen Ausgabe der britischen Zeitung The Telegraph bringt es auf den Punkt: „Island hat seine Medizin genommen und gehört jetzt nicht mehr zu den Notfällen“.

Doch wie sich nun herausstellt, ist der überwiegende Teil dieser Behauptungen völlig falsch.

Beispielsweise wird in der westlichen Presse erklärt, dass Island sein Volk gerettet und die Banker eingesperrt hätte.

Nun, das ist nicht ganz richtig. Ja, gegen einige Banker wurde ermittelt und sie wurden wegen Betrugs angeklagt, und der Geschäftsführer von Islands größter Pleitebank wurde sogar verurteilt und erhielt eine Haftstrafe.

Nun, für wie lange muss man ins Gefängnis, wenn man die Wirtschaft des eigenen Landes gegen die Wand fährt? Kommt man überhaupt wieder raus? 30 Jahre? 10 Jahre?

In Wirklichkeit neun Monate und davon wurden sechs Monate in Bewährung umgewandelt.

Am Ende stand die Regierung sogar noch mit riesigen Mengen an Schulden da, weil sie die größte Bank Islands – Islands Zentralbank – gerettet hatte.

Also das lief ein wenig anders ab, als es derzeit in den USA und Europa zu beobachten ist.

In den USA druckt die US-Notenbank das Geld einfach aus dem nichts und reicht es dann an die Regierung weiter.

In Island musste die Regierung – da die Isländische Krone keine weltweit nachgefragte Reservewährung ist – Schulden aufnehmen, um der Zentralbank Geld zukommen zu lassen und den Kollaps der Landeswährung zu verhindern.

Das Resultat war, dass sich die Staatsverschuldung in 2008 praktisch über Nacht verdreifachte. Und von 2007 bis heute hat sich Staatsverschuldung Islands fast verfünffacht.

Allein für Zinszahlungen muss die Regierung nun fatale 17,3% ihrer Steuereinnahmen ausgeben.

Und das sind echte Zinszahlungen. Die isländische Zentralbank hält nämlich nur einen kleinen Teil der Staatsschulden. Der Rest wird von ausländischen Geldgebern gehalten … was das Land in eine extrem schwierige Lage versetzt.

Am Ende ist es das isländische Volk, das dafür aufkommen muss. Sie sind nie gerettet worden. Ihnen wurde einfach nur die Rechnung präsentiert.

Und obwohl die Arbeitslosenrate in Island gering ist, sind die Gehälter noch geringer. Die schwache Währung hat ihnen eine Inflation im zweistelligen Prozentbereich beschert.

Und das heißt, dass sich die Menschen, obwohl sie Arbeit haben, kaum etwas leisten können.

Das sieht man vor allem am isländischen Immobilienmarkt, wo der überwiegende Teil der Finanzierungen unter Wasser ist. Die Zinsen sind stark gestiegen, sodass viele Isländer bei ihren Hypotheken nun negative Tilgungspläne haben, und das heißt, dass die Hypothek trotz der allmonatlichen Zahlungen steigt!

Unterdessen sind die Eigenheimpreise dramatisch gefallen.

Also: Die Hypotheken steigen Jahr für Jahr weiter, während die Eigenheimpreise fallen. Das hat ja wohl kaum etwas mit Erholung zu tun.

Der frisch gewählte Premierminister hat jetzt versprochen, alle mittels eines speziellen „Schulden-Korrektur-Fonds“ von ihren Hypothekenschulden zu befreien.

Das Problem ist nur, dass der Staat in Wirklichkeit überhaupt nicht das Geld hat, das zu tun … , und der Staatshaushalt jetzt schon jedes Jahr ein Defizit aufweist.

Die einzige Möglichkeit, das umzusetzen, wäre, dass Island die Zahlungsunfähigkeit ausruft … und genau das wird nun zu einem immer wahrscheinlicheren Szenario.

Vor ein paar Jahren belief sich das isländische Bankensystem fast auf das 10-fache des gesamten BIP des Landes. Und es brach zusammen. Eine Krise dieser Größenordnung übertüncht man nicht einfach mit ein paar Jahren an guter PR.

Und ungeachtet all der Berichte in den Mainstream-Finanzmedien ist Island kein Modell für eine Wirtschaftserholung. Es ist eine Geschichte, wie man die Menschen zum Narren hält. Und bisher funktioniert es.

Trotz dieser harten Beurteilung sollte hier Erwähnung finden, dass Island zur selben Zeit eines der Länder ist, um das wir uns am wenigsten sorgen müssen … ja es ist eines der spannendsten Länder.

Die Isländer sind weder in der EU noch im Euro, sie sind also relativ isoliert, was ihre Finanzprobleme anbelangt. Und das legt nahe, dass die Staatspleite unvermeidlich kommen wird.

Und wenn das passiert, wird Island von den internationalen Schuldenmärkten abgeschnitten werden und gezwungen sein, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um ausländische Investitionen anzulocken.

Glauben Sie mir: Das Land hat jede Menge zu bieten. Und genau das macht es so aufregend …

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