Dass die beispiellosen Extreme der heutigen Zeit fortwährend als „alles so wie immer“ beiseite gewischt werden, ist in Wirklichkeit eine hinterhältige Form des Wahrnehmungs-Managements, also nichts weiter als Propaganda

Charles Hugh-Smith, Oftwominds.com, 24.11.2013

Jeder, der nahelegt, dass derzeit fundamentale Zusammenbrüche stattfinden, stößt rasch auf den Standardreflex: „Es ist alles so wie immer.“

  • Umweltzerstörung? Es ist alles so wie immer: Die Menschen vernichten die Umwelt bereits seit Jahrtausenden.
  • Der Einfluss von Geld auf die Politik? Es ist alles so wie immer: Geld war schon immer die Muttermilch der Politiker.
  • Die Vorherrschaft der Zentralbanker? Es ist alles so wie immer: Die Banken und die Federal Reserve machen schon seit Jahrzehnten gemeinsame Sache.
  • Einkommensungleichheit? Es ist alles so wie immer: Es gab immer schon Arm und Reich usw.
  • Der Aufstieg des Überwachungsstaats/-imperiums? Es ist alles so wie immer: Das Schicksal ist vorgezeichnet usw.

Die historischen Lehren sind ja alle schön und gut, aber das anhaltende Mantra, dass „alles so wie immer“ sei, ist in Wirklichkeit eine bösartige Form des Wahrnehmungs-Managements, also nichts weiter als Propaganda.

Die Behauptung, „es gibt nichts Neues“ – weshalb man auch nichts tun kann, außer die Hände in die Luft zu werfen und den Status Quo zu akzeptieren –, mag im Hinblick auf die menschliche Natur ja durchaus wahr sein, aber sie verschleiert absichtsvoll all die grundlegenden Veränderungen, die nicht „so wie immer“ sind.

Nehmen wir beispielsweise die Ozeane: Wir verlieren die Meere. Das Ausmaß der Vernichtung ist nicht „so wie immer“. In dem Foreign Affairs Artikel „Die Auswirkungen der Vernichtung der Ozeane“ heißt es dazu:

„In den letzten paar Jahrzehnten haben die menschlichen Aktivitäten die grundlegende Chemie der Meere so verändert, dass wir nun eine umgekehrte Evolution beobachten können: Die Rückkehr zu den kargen urzeitlichen Gewässern von vor hunderten Millionen von Jahren.“

Oder wie steht es um die Beschäftigungsquote von jungen Menschen? Ist da auch „alles so wie immer“? Mit Sicherheit nicht. Die Beschäftigungsquote junger US-Bürger befindet sich in einem beispiellosen Niedergang:

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Was ist mit den Studiengebühren? Ist da „alles so wie immer“? Eindeutig nicht:

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Wie ist es um die Selbständigen bestellt? Ist da „alles so wie immer“? Nein:

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Was ist mit den kleinen und mittelständischen US-Unternehmen? Ist da „alles so wie immer“? Eindeutig nicht:

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Und wie steht es um den Anteil der Arbeit an der Wirtschaft? Ist da „alles so wie immer“? Nein, mit Sicherheit nicht:

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Und was ist mit dem US-Haushaltseinkommen? Ist hier „alles so wie immer“? Wäre das Realeinkommen in den letzten 50 Jahren mit der aktuellen Rate gefallen, läge es heute nahe null.

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Was ist mit dem Verhältnis von Vollzeitbeschäftigten zu US-Bürgern, die staatliche Rentenzahlungen erhalten? Ist hier „alles so wie immer“? Nein, mit Sicherheit nicht. Heute stehen zwei Vollzeitbeschäftigte einem Rentenempfänger gegenüber, und die Baby Boomer Generation hat ja gerade erst damit begonnen, in Rente zu gehen. Und auf der Beschäftigungsseite hat die „Ende der Arbeit“-Dynamik gerade erst mit ihrer schöpferischen Zerstörung von Arbeitsplätzen begonnen. „Alles so wie immer?“ Nicht einmal ansatzweise:

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Was ist mit der Geldumlaufgeschwindigkeit? Ist hier „alles so wie immer“? Nein:

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Was ist mit den positiven Auswirkungen, die von den zentralstaatlichen Kreditaufnahmen und Ausgaben – also dem keynesianischen Multiplikator-Effekt – ausgehen? Ist hier alles „so wie immer“? Eindeutig nicht:

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Was ist mit der strukturellen Lücke zwischen Ausgaben und Einnahmen der US-Bundesregierung? Ist hier „alles so wie immer“? Es ist ein Leichtes, sich irgendeine märchenhafte Zukunft auszumalen, wo „Defizite egal sind“ oder die Steuereinnahmen selbst bei einer stagnierenden Wirtschaft (die von der explodierenden Zahl an in den Ruhestand gehenden Beamten und den Kosten der Gesundheitsversorgung heimgesucht wird) in die Höhe schießen. Der Wunsch, irgendwelche Märchen zu glauben, mag „so wie immer“ sein, aber die finanzpolitische Realität ist es nicht:

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Wie ist es um die US-Geldmenge bestellt? Ist hier „alles so wie immer“? Eindeutig nicht:

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Was ist mit den Unternehmensgewinnen? Ist hier „alles so wie immer“? Nein:

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Was ist mit dem Verhältnis zwischen der Fed-Bilanz und dem S&P 500 Index? Ist hier „alles so wie immer“?

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Und wie verhält es sich bei der Lücke zwischen den neuen nominellen Aktienmarkthochs und dem realen (inflationsbereinigten) Aktienmarkt? Ist hier „alles so wie immer“?

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Wie oft pro Woche hält ein Vertreter der US-Notenbank eine Rede, bei der die Bedeutung der Federal Reserve herausgestrichen wird? Ist da „alles so wie immer“? Haben die Führer der US-Notenbank vor 20 oder 30 Jahren jede Woche dutzende von Reden gehalten oder Interviews gegeben? Die Antwort ist: Nein.

Also: Was wollen uns diese Typen unterjubeln, wenn sie heutzutage derart kontinuierlich ihren Müll verbreiten? Welche Art von Verzweiflung heizt diese vollumfängliche Propaganda an?

Die Verzweiflung ist völlig offenkundig, und die Agenda ist es auch: Die Wirklichkeit, dass die Dinge derzeit zusammenbrechen und nichts mehr „so ist wie immer“, muss verschleiert werden.

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