Jeff Clark, Casey Research, 25.11.2013

Können Sie einen Rohstoff nennen, bei dem es derzeit ein Angebotsdefizit gibt? Mit anderen Worten: Können Sie einen Rohstoff nennen, wo die Produktion und das Recycling mit der Nachfrage nicht mithalten können? Ja und wie wäre es mit zwei Rohstoffen?

Falls Sie bei der Beantwortung der Frage Schwierigkeiten haben sollten, hängt das damit zusammen, dass es nicht viele derartige Rohstoffe gibt.

Wenn Sie einen solchen Rohstoff finden, könnte er ein gutes Investment sein – denn sollte die Nachfrage nach diesem Rohstoff weiter anhalten, gibt es für den Preis nur eine Richtung.

Ende 2012 wies der Platinmarkt ein Angebotsdefizit von 375.000 Unzen aus. Ein Großteil dieses Defizits ist den drastischen Produktionsrückgängen in Südafrika zuzuschreiben, wo rund 750.000 Unzen Platin aufgrund von legalen und illegalen Streiks der Minenarbeiter, Sicherheits-Sperrungen der Minen und Minenschließungen gar nicht erst aus dem Boden geholt wurden.

Im Palladiumsektor sah es noch schlechter aus: Das Jahr 2012 endete mit einem riesigen Angebotsdefizit von 1,07 Millionen Unzen – nachdem es in 2011 noch einen Angebotsüberschuss von 1,19 Millionen Unzen gegeben hatte. Diese riesige Trendwende ging auf die Rekordnachfrage nach Autokatalysatoren und einen enormen Anstieg bei der Investmentnachfrage zurück. Die Palladiuminvestoren verwandelten sich in gerade einmal 12 Monaten von Nettoverkäufern in Nettokäufer.

Was man als potenzieller Investor verinnerlichen sollte, ist, dass die Angebotsdefizite beider Metalle nicht nachlassen, das gilt speziell für Platin:

PlatinumandPalladiumAreinLargeSupplyDeficit

Und da das Platinangebot weiter schwindet, werden wir uns das Metall im Folgenden einmal genauer anschauen:

Wird das Angebotsdefizit weiter anhalten?

Laut Johnson Matthey – dem weltgrößten Hersteller von Autokatalysatoren zur Regulierung von Abgasemissionen – wird das Platinangebot dieses Jahr auf 6,34 Millionen Unzen sinken, was vornehmlich auf die niedrigeren russischen Lagerverkäufe zurückzuführen ist. Die Firma behauptet aber, dass der Rückgang durch einen 7,4%igen Anstieg beim Recycling wieder wettgemacht werden wird.

Ha! Prognosen bezüglich des Recyclings sind praktisch immer falsch. Die Analysten erklärten Anfang 2012, dass die Recyclingproduktion in 2012 um 10% bis 12% steigen würde – während sie in Wahrheit um 4% zurückging.

Und auch dieses Jahr gibt es einige bedeutende Probleme bei der Wiedergewinnung von Platin:

  • Impala Platinum („Implats“) meldete einen 17%igen Rückgang seiner Platinproduktion, aber nicht etwa weil man mit der Minenförderung nicht hinterherkomme, sondern weil nicht genügend Recyclingmaterial da ist. Andere Unternehmen haben derartige Probleme nicht gemeldet, aber Implats ist einer der größten Platinproduzenten der Welt.
  • Das Recycling von Platinschmuck in China und Japan geht zurück und ist auf dem besten Wege, rund 13% unter dem Niveau des Jahres 2012 zu liegen.
  • Die europäischen Autoverkäufe gehen zurück, weshalb man eigentlich meinen würde, dass dies die Platinnachfrage massiv beeinflussen wird. Aber es hat auch auf der Angebotsseite bedeutende Auswirkungen: Ein Auto in Europa ist heute im Schnitt 8 Jahre alt, und über 30% dieser Autos sind älter als 10 Jahre. Wenn ein Auto älter als 10 Jahre ist, sind die Abnutzungserscheinungen beim Katalysator bereits so weit vorangeschritten, dass bedeutende Teile des Platins bereits verlorengegangen sind. Daher dürfte der von Vielen antizipierte Anstieg auf der Angebotsseite auch bedeutend geringer ausfallen, als gedacht.

Einige dieser Rückgänge werden durch das Katalysatoren-Recycling in den USA wieder ausgeglichen, aber es ist offenkundig, dass das US-Platinrecycling nicht alle Rückgänge wettmachen wird.

Die Platinnachfrage lässt ebenfalls nicht nach

Die Platinnachfrage wird vornehmlich durch die Automobilbranche und die Schmuckindustrie angeheizt. Beide Sektoren stellen 75% der weltweiten Platinnachfrage. Was in diesen beiden Branchen geschieht, hat bedeutende Auswirkungen auf das Metall.

Nun ja, ziehen Sie aus den Daten am besten Ihre eigenen Schlussfolgerungen:

  • Die Analysten der Automobilbranche gehen davon aus, dass in den USA im Oktober rund 1,23 Millionen PKWs und leichte Nutzfahrzeuge verkauft wurden. Das ist gegenüber dem Vorjahresmonat, wo 1,09 Millionen Stück verkauft wurden, ein Anstieg von 12%.
  • In China, dem weltgrößten Automarkt, stiegen die Verkäufe von PKWs und leichten Nutzfahrzeugen im September um 21%. 1,59 Millionen Stück wurden verkauft, das ist ein 8-Monatshoch.
  • PricewaterhouseCoopers prognostiziert, dass sich die Verkäufe von PKWs und leichten Nutzfahrzeugen in China bis 2019 verdoppeln werden. Dieser Trend gilt mehr oder minder auch für andere asiatische Länder, was für Platin und Palladium zu einer permanenten Nachfragequelle wird.

Die Politiker

Platin und Palladium werden beide von den neuen Verordnungen profitieren, die in Europa und China im nächsten Jahr in Kraft treten:

  • Europas neue „Euro-6-Norm“ schreibt bei [LKW-]Dieselfahrzeugen künftig neue Katalysatoren vor.
  • China hat bereits höhere Abgasnormen akzeptiert, die die Platinnachfrage in dem Land künftig substantiell anheizen werden. Es sollte an dieser Stelle aber Erwähnung finden, dass die Automärkte in China und anderen Schwellenländern derzeit auf dem Stand von „Euro-4“ sind. Diese Länder haben bei den Abgasnormen gegenüber den USA und Europa also noch einiges aufzuholen.

Die Investoren

NewPlat, ein börsennotierter Platinfonds, der am 26.04.2013 in Südafrika aufgelegt wurde, hatte bis Ende September bereits Zuflüsse in Höhe von 600.000 Unzen zu verzeichnen. Es wird davon ausgegangen, dass dieser beispiellose Anstieg dazu führen wird, dass die Investmentnachfrage nach Platin um 68% auf ein Rekordniveau von 765.000 Unzen steigen wird.

Die Schmuckhersteller

Die Schmuckbranche ist die zweitgrößte Verbrauchergruppe für Platin und stellt 35% der Gesamtnachfrage.

Dieser Markt wird von China dominiert und das Land hat seine Platinnachfrage für die Schmuckherstellung in den letzten 5 Jahren verdoppelt. Laut ETF Securities ist China dieses Jahr auf dem besten Weg, 80% aller weltweiten Platinschmuckverkäufe zu stellen. In ihrem Bericht bezeichnen sie die chinesische Platinnachfrage als „neuen Wachstumsmotor“.

Johnson Matthey geht davon aus, dass sich die chinesische Nachfrage nach Platinschmuck dieses Jahr ein wenig abschwächen wird, doch in einem jüngst in Forbes veröffentlichter Artikel wird ausgeführt, dass das Gegenteil der Fall sein könnte:

„Ein guter Stellvertreter für die chinesische Platinschmucknachfrage ist das Volumen von Platin-Futures, die an der Shanghaier Goldbörse gehandelt werden. Das durchschnittliche Platinvolumen an der Börse liegt dieses Jahr fast 45% über den Niveaus des Jahres 2012 und konnte jüngst sogar auf ein neues Rekordhoch steigen.

Ein weiterer Indikator der chinesischen Platinschmucknachfrage sind die chinesischen Platinimporte. Die jüngsten Daten zu den chinesischen Platinimporten für September zeigen, dass die Einfuhren im September 2011 mit 10.522 Kilogramm (oder rund 338.300 Unzen) so hoch waren, wie seit März 2011 nicht mehr.“

Die International Business Times meldete:

„Die Nettoplatinzuflüsse nach China erreichten ihr höchstes Niveau seit zweieinhalb Jahren … Chinas Platinnettoimporte stiegen um 11% und erreichten in den ersten drei Quartalen 2013 fast 70 Tonnen, das ist mehr als die 62 Tonnen, die während des Vorjahreszeitraums eingeführt wurden.

Alles in allem wird davon ausgegangen, dass die Platinnachfrage so groß ist wie nie zuvor und dieses Jahr auf ein Rekordniveau von 8,42 Millionen Unzen steigen wird – und das während das Platinangebot weiter sinkt.

Dieses Angebots-Nachfrage-Ungleichgewicht wird wahrscheinlich auch die nächsten Jahre weiter anhalten, vielleicht sogar ein ganzes Jahrzehnt. Die Preise haben sich bisher kaum bewegt, aber das bedeutet nicht, dass sie sich künftig nicht bewegen werden. Die Preise von Rohstoffen mit Angebots-Nachfrage-Ungleichgewichten können über nur über eine bestimmte Zeit seitwärts treiben, bevor sie von der Realität eingeholt werden. Entweder muss der Preis steigen oder die Nachfrage muss zurückgehen.

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