Marc Faber, The Daily Reckoning, 06.12.2013

Als kühler, aber interessierter Beobachter geschichtlicher Entwicklungen und der Investmentmärkte bin ich fasziniert davon, wie bedeutende Ereignisse, die sich aus langfristigen Trends entwickeln, oftmals mit irgendwelchen kurzfristigen Auslösern begründet werden. Der Erste Weltkrieg wurde als Folge der Ermordung von Erzherzog Franz Ferdinand, dem Erbfolger des österreichisch-ungarischen Throns, hingestellt; die Depression in den 30er Jahren wurde mit geldpolitischen Straffungsmaßnahmen der US-Notenbank erklärt; der Zweite Weltkrieg ist von Adolf Hitler ausgelöst worden und der Vietnamkrieg war ein Ergebnis der kommunistischen Bedrohung.

Genauso wird die Disinflation, die nach 1980 folgte, den geldpolitischen Straffungsmaßnahmen von Paul Volcker zugeschrieben. Für den Aktienmarktcrash von 1987 wurden Portfolioversicherungen verantwortlich gemacht und die Asienkrise und der Aktienmarktcrash von 1997 seien Ausländern zuzuschreiben, die den Thailändischen Baht (die Währung Thailands) angegriffen haben. Eine genauere Analyse all dieser Ereignisse zeigt jedoch, dass ihre Ursachen weit komplexer waren und in all diesen Fällen eine Art von „Unvermeidlichkeit“ im Spiel war.

Nehmen wir den Aktienmarktcrash von 1987. Im Sommer 1987 war der Aktienmarkt bereits extrem überkauft. Eine Korrektur war so oder so fällig, ganz gleich, wie rosig die Zukunft auch immer aussehen mochte. Vom Hoch im August 1987 bis zum Tief im Oktober 1987 ging der Dow Jones um 41% zurück. Und wir wissen ja alle, dass der Dow Jones daraufhin 20 Jahre lang gestiegen ist und im Oktober 2007 auf ein Hoch von 14.198 Punkten kletterte.

Diese Kursschwünge erinnern uns daran, dass es innerhalb langfristiger Trends riesige Korrekturen geben kann. Die Asienkrise von 1997 bis 1998 ist ebenfalls interessant, weil sie einsetzte, nachdem die makroökonomischen Fundamentaldaten Asiens schon lange vorher damit begonnen hatten, sich einzutrüben. Und es war auch nicht sonderlich überraschend, dass die fortwährend optimistischen asiatischen Analysten, Fonds-Manager und Strategen bezüglich der asiatischen Märkte bis zum Einsetzen der Katastrophe im Jahr 1997 positiv gestimmt blieben.

Doch bereits einem beiläufigen Beobachter hätte klar sein müssen, dass hier etwas nicht stimmte. Der Nikkei-Index und der taiwanesische Aktienmarkt bildeten 1990 ihre Hochs aus und wiesen danach einen Abwärts- bzw. Seitwärtstrend auf. Die meisten anderen asiatischen Märkte bildeten 1994 ihr Hoch aus. Fakt ist, dass der thailändische SET-Index bereits 60% unter seinem Hoch von 1994 notierte, als die Asienkrise dafür sorgte, dass der Thailändische Baht innerhalb weniger Monate um 50% abstürzte. Dadurch wachten die überzuversichtlichen perma-bullischen Analysten und die Medien aus ihren selbstgefälligen Schlaf auf.

Ich stimme dem verstorbenen Charles Kindleberger zu, der anmerkte, dass „Finanzkrisen mit den Hochs von Wirtschaftszyklen in Zusammenhang stehen“ und eine Finanzkrise „der Höhepunkt einer Wachstumsphase ist und zu einem Abschwung führt.“ Ich stimme aber auch J.R. Hicks zu, der behauptet, dass eine „richtig katastrophale Depression“ dann wahrscheinlich ist, „wenn es eine tiefgreifende geldpolitische Instabilität gibt – wenn die Fäulnis des Geldsystems sehr weit reicht.“

Einfach gesagt brechen Finanzkrisen nicht zufällig aus, sondern folgen auf eine langanhaltende Phase von Exzessen (expansive geldpolitische Maßnahmen und/oder eine Finanzpolitik, die zu exzessivem Kreditwachstum und exzessiven Spekulationen führt). Das Problem ist, den Ausbruch der Krise zu timen. Gewöhnlich, und so war es auch in Asien in den 90er Jahren, trübt sich die makroökonomische Lage bereits lange vor Ausbruch der Krise ein. Durch eine expansive Geldpolitik und exzessives Schuldenwachstum kann die Wirtschaftsausdehnung jedoch noch für sehr lange Zeit aufrecht erhalten werden.

Im Falle Asiens begannen sich die makroökonomischen Rahmenbedingungen bereits 1988 einzutrüben. Ab diesem Zeitpunkt kam es bei der Außenhandelsbilanz der asiatischen Länder zu einem Abwärtstrend. 1990 lag die Außenhandelsbilanz dieser Länder im negativen Bereich. Die wirtschaftliche Ausdehnung setzte sich unterdessen jedoch weiter fort. Diese Ausdehnung wurde zu weiten Teilen mittels exzessiver Auslandskredite finanziert. Im Ergebnis waren die asiatischen Bären Ende der 90er Jahre – also direkt vor dem Ausbruch der Asienkrise von 1997 bis 1998 – durch die bullische Meute bereits vollständig diskreditiert worden. Die bärischen Einschätzungen wurden zu weiten Teilen komplett ignoriert.

Und obwohl die Asiaten nicht so naiv waren, zu glauben, „dass das Niveau der Gesamtverschuldung unerheblich ist … [da] die Verbindlichkeit der einen Person, der Vermögenswert einer anderen Person ist“, (wie Paul Krugman sagte) brachten sie zahlreiche andere Argumente vor, die für eine anhaltende wirtschaftliche Ausweitung Asiens sprachen und um zu erklären, warum es in Asien nie zu der Art von „Tequila-Krise“ kommen würde, wie sie Mexiko Ende 1994 erlebt hatte, wo der Peso innerhalb von ein paar Monaten um über 50% einbrach.

1994 erhöhte die Fed den Leitzins von 3% auf fast 6%. Das führte zu einem Ansturm auf den Anleihemarkt. Die Rendite für 10-jährige US-Staatsanleihen schoss von unter 5,5% Ende 1993 auf über 8% im November 1994. Das hatte zur Folge, dass die Anleihe- und Aktienmärkte der Schwellenländer kollabierten. 1994 wurde immer offenkundiger, dass sich die Schwellenmärkte abkühlten und sich die Welt in Richtung einer bedeutenden wirtschaftlichen Abschwächung, wenn nicht gar in Richtung einer Rezession aufgemacht hatte.

Als US-Präsident Clinton sich dann jedoch dazu entschloss, Mexiko zu retten – gegen den Widerstand des Kongresses, aber mit Unterstützung der republikanischen Führer Newt Gingrich und Bob Dole –, und einen undurchsichtigen Fonds des US-Finanzministeriums anzapfte, um Mexiko über USD 20 Milliarden zur Verfügung zu stellen, stabilisierten sich die Märkte wieder. Die Kredite, die seitens des US-Finanzministeriums, des Internationalen Währungsfonds und der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich zur Verfügung gestellt wurden, beliefen sich auf fast USD 50 Milliarden.

Diese Rettung sorgte aber auch für Kritik. Der stellvertretende US-Finanzminister Robert Rubin – einst stellvertretender Vorsitzender von Goldman Sachs – nutzte die Gelder, um mexikanische Anleihen zu retten, für deren Emission Goldman Sachs verantwortlich zeichnete. Darüber hinaus hielt Goldman Sachs rund USD 5 Milliarden dieser Anleihen.

Es geht mir hier nicht, um die Vorteile oder Nachteile der Rettung von Mexiko im Jahr 1994 (die regelmäßigen Leser werden meine kritische Einstellung gegenüber jeder Form von Rettungsmaßnahme kennen). Die Folge dieser Rettung war aber, dass die Anleihen- und Aktienpreise in die Höhe schossen. Speziell nach 1994 war die Performance der Anleihen und Kredite der Schwellenmärkte herausragend – also bis 1997 die Asienkrise ausbrach. Es ist völlig klar, dass diese Rettung in der Weltwirtschaft ein Moral Hazard zur Folge hatte, da die Anleger durch die Rettungsmaßnahmen ermutigt wurden, sich selbst auf die schlechteren Kreditmärkte der Schwellenländer zu stürzen.

Ich habe ja bereits darauf hingewiesen, dass bis 1994 offenkundig war, dass sich die Schwellenmärkte abkühlten und sich die Welt in Richtung einer bedeutenden Wirtschaftsabschwächung, wenn nicht gar Rezession aufgemacht hatte. Durch die Rettung von Mexiko wurde die Phase der wirtschaftlichen Ausdehnung in den Schwellenmärkten jedoch verlängert, da ihnen ausländisches Kapital zur Verfügung gestellt wurde, mit dem sie ihre Außenhandelsdefizite finanzieren konnten. Zur selben Zeit kam es zu wesentlich ernsteren Krisen: 1997 in Asien und dann 1998 in Russland und den USA (LTCM-Krise).

Was ich aus der Asienkrise gelernt hatte, war also, dass sie deshalb so verheerend ausgefallen war, weil der natürliche Wirtschaftszyklus, der dazu geführt hätte, dass Asien bereits 1994 gefallen wäre, durch die Rettung von Mexiko verhindert wurde. Durch die Rettung von Mexiko wurde die wirtschaftliche Ausdehnungsphase Asiens verlängert, da ihnen dadurch Auslandskredite zur Verfügung gestellt wurden.

Durch diese Finanzierung mit Fremdwährungskrediten wurde ein unglaubliches Ungleichgewicht zwischen Vermögenswerten und Verbindlichkeiten geschaffen. Die Aktiva, die als Kreditsicherheiten dienten, wurden in einheimischer Währung ausgepreist, während die Passiva in ausländischen Währungen ausgepreist wurden. Dieses Ungleichgewicht verschlimmerte die Asienkrise, als die asiatischen Währungen damit begannen, sich abzuschwächen, da die einheimischen Unternehmen animiert wurden, ihre einheimischen Währungen so schnell als möglich in Dollars umzuwandeln, um sich so vor ihren Wechselkursrisiken abzusichern.

Die Abschwächung der asiatischen Währungen führte zu einer Reduzierung des Werts der Kreditsicherheiten, weil die einheimischen Vermögenswerte nicht nur in einheimischer Währung sanken, sondern noch stärker auf Dollarbasis. Dies führte dazu, dass die Einheimischen und die Ausländer ihre Auslandskredite, Anleihen und Aktien abstießen. Und während der indonesische Aktienmarkt von seinem Hoch 1997 bis zu seinem Tief 1998 „nur“ um 65% einbrach, fiel er auf Dollarbasis aufgrund des Kollaps der indonesischen Rupiah um 92%.

Als Randnotiz sei hier angemerkt, dass die USA über den riesigen Vorteil verfügen, dass sie US-Dollarkredite gegen US-Dollar-Vermögenswerte erhalten, was nicht zu einem solchen Ungleichgewicht von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten führt. Das Heilmittel von Krugman mag im Falle Mexikos ja eine Weile lang funktioniert und vorübergehend für Linderung gesorgt haben, doch wurde dadurch 1997 ein Riesenproblem in Asien geschaffen.

Und genauso führte die US-Eigenheimblase, die Krugman 2001 befürwortete, zu einer vorübergehenden Linderung der Symptome der wirtschaftlichen Malaise, sorgte dafür dann 2008 aber für eine grausame Krise. Es scheint so, als würden die Rettungen in der Regel noch größere künftige Probleme schaffen, weshalb sie von staatlichen Behörden nur sehr selten und mit äußerster Vorsicht eingesetzt werden sollten.

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