Alasdair Macleod, Finance and Economics, 09.12.2013
Die asiatischen Puzzlesteine, aus denen sich das Große Spiel zusammensetzt, haben bisher nur wenig Sinn ergeben. Doch nun fallen sie alle an ihren Platz und beginnen uns eine Vorstellung vom finalen Bild zu vermitteln.
Die einzelnen Puzzlesteine sind völlig verschieden und reichen von Chinas territorialen Ansprüchen auf die japanischen Senkaku-Inseln, über den NATO-Rückzieher in Syrien bis hin zu Amerikas Entspannungspolitik mit dem Iran und dem überraschenden Schritt des Irans, die Beziehungen zu anderen Golfstaaten zu verbessern.
Der chinesische Yuan ist jetzt nach dem US-Dollar die weltweit am stärksten gehandelte Währung und hat den Euro verdrängt. Der britische Kanzler George Osborne flog jüngst kurzentschlossen nach China, wo bereits eine britische Delegation eingetroffen war. Und diese Woche fliegt David Cameron, abermals ohne große Ankündigung, nach China, um dort an hochrangigen Gesprächen mit dem neuen chinesischen Präsidenten und dem Premierminister teilzunehmen. Die britischen Medien melden, es sei eine Handelsmission.
Und dann haben wir noch einige goldfarbene Puzzlesteine, die auch noch irgendwie ins Puzzle wollen. Die Araber schmelzen gerade einen Teil ihres Goldes in neue 1-Kilo-Barren um, da an der Dubaier Gold- und Rohstoffbörse die Einführung eines Kassa-Gold-Kontrakts ansteht. Hierbei handelt es sich um eine absichtsvolle Abkehr von den Standards der Londoner Edelmetallbörse LBMA.
Die Goldimporte Chinas sind weit, weit größer, als die westlichen Analysten einräumen wollen. Trotz der sich beschleunigenden physischen Nachfrage aus Südostasien bestehen die westlichen Kapitalmärkte weiterhin auf eine Drückung des Goldpreises, wodurch das physische Metall schnell aus den westlichen Tresoren abfließt und in der Anonymität Asiens verschwindet.
Wenn man einen Schritt zurücktritt und sich das Gesamtbild anschaut, das sich aus den an ihren Platz fallenden Puzzlesteinen ergibt, kann man durchaus zu der Vermutung gelangen, dass hinter all dem die lenkende Hand der Chinesen steckt. Und obwohl man natürlich in jedes große Ereignis zu viele Dinge hineininterpretieren kann, scheinen die Entwicklungen zu Gunsten von China zu verlaufen.
Der Streit um die Senkaku-Inseln mit der provokativen Ausrufung einer Luftverteidigungszone durch die Chinesen wirkt wie ein Kung-Fu-Täuschungsmanöver, das darauf abzielt, Amerika aus dem Gleichgewicht zu bringen und zu zwingen, sich hinter seine Bündnisse mit Japan und anderen langjährigen Bündnispartnern zu stellen.
Amerika wurde hier auf dem falschen Fuß erwischt und durch einen neu ernannten und unerfahrenen US-Botschafter in Japan sowie die unmittelbar bevorstehende Ablösung des US-Botschafters in Peking noch zusätzlich behindert. All das lenkt Amerika davon ab, Chinas bedeutendere Interessen zu adressieren. Washington sendet jetzt zwar verspätet hochrangige Vertreter in die Region, aber das wird auch nichts nützen.
Wir müssen hier zu der Schlussfolgerung gelangen, dass China künftig nicht mehr an Amerika, das sein größter Handelspartner gewesen ist, interessiert ist. Chinas neues Interesse richtet sich vornehmlich in Richtung Asien. Hierfür nutzen die Chinesen die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO). Die SCO ist ein Wirtschaftsblock, der von China und Russland geleitet wird und Zielsetzungen für den gesamten asiatischen Raum hat, wobei Südostasien und Japan derzeit noch ausgeklammert werden.
Die SCO-Mitgliedsländer, Beobachterstaaten und assoziierte Länder stellen über die Hälfte der Weltbevölkerung. China erachtet das als seine Spielwiese, die sich noch massiv weiterentwickeln und ausbauen lässt. Und das herausragendste strategische Ziel Chinas ist die Abschaffung des Dollars im grenzüberschreitenden asiatischen Handel. Letztendlich möchte China beim gesamten internationalen Handel, wo immer es möglich ist, ohne den US-Dollar auskommen.
Das erklärt auch, warum sich Amerika nun in der Sackgasse namens Senkaku wiederfindet. China wendet sich stattdessen London zu, um die starke bestehende Verbindung mit Hongkong zu nutzen und den Yuan als alternatives Handelsinstrument für seinen nichtasiatischen Handel weiterzuentwickeln, was auch der Grund dafür ist, warum Cameron & Co derzeit so begeistert sind. Und schon vor diesem Schritt war die hinter Chinas wirtschaftlicher Renaissance stehende Finanzmacht ausreichend stark, um den Euro beim Welthandel auf den dritten Platz zu verweisen.
Wenden wir uns nun dem Nahen Osten zu. Chinas Interesse, den Nahen Osten in seine Einflusssphäre zu ziehen, ist angesichts des gegenwärtigen und künftigen Energiebedarfs der Chinesen offenkundig. Aber China will auch Zugang zu dem enormen Vermögen in dieser Region. Der Iran, der ein SCO-Beobachterstaat ist, ist Chinas Verbindung zu dieser Region. China hat den Iran unter Ahmadinedschad über Jahre hin verdeckt unterstützt.
Man kann nur darüber spekulieren, in welchem Umfang die politischen Entwicklungen im Iran auf Chinas Einflussnahme zurückgehen, nun wo sich der Iran den Auffassungen Chinas anschließt, dass Handel wichtiger ist als Streitigkeiten mit vermeintlichen Feinden. Aber wenn man sich der strategischen und wirtschaftlichen Interessen Chinas bewusst ist, ist es ein Leichtes, die diplomatischen Schritte des Irans zu erklären, der gerade darauf aus ist, die politischen Spannungen mit Saudi-Arabien und anderen Mitgliedern des Golf-Kooperationsrats zu verringern.
Im Hinblick auf den Nahen Osten scheint die Strategie des Großen Spiels darauf abzuzielen, die USA dazu zu zwingen, sich als Polizist aus dieser Region zurückzuziehen, was bisher auch schon in zwei Etappen erfolgt ist. Zunächst handelte Russland einen Syrien-Deal aus, wodurch Amerika und seine NATO-Partner komplett ausgebootet wurden, und im Anschluss daran folgte beim Iran ein ähnlicher Schritt, was vielleicht von China gesteuert wurde. Es wird dann keine führende Kraft mehr geben und die Rolle des amerikanischen Polizisten wird durch gemeinsame friedvolle Handelsinteressen im gesamten asiatischen Raum ersetzt werden.
Wir dürften hier gerade die ersten Anfänge des kompletten Puzzles sehen. Es gibt aber noch einen zusätzlichen Puzzlestein, der noch nicht an seinem Platz ist, und das ist der Dollar. Für den Dollar wird es schlicht keine Verwendung mehr geben; und auch hier hat China die USA in die Enge getrieben.
Nachdem die Chinesen ihre Bündnisse mit dem Nahen Osten abgeschlossen haben, werden sie praktisch fast den gesamten weltweiten Bestand an physischem Gold kontrollieren – direkt oder indirekt –, was letztlich viel bedeutender ist, als irgendeine Fiatwährung, Weltreservestatus hin oder her.
Es lässt sich nur darüber spekulieren, wie viel Schaden sich die Amerikaner bei all dem selbst zugefügt haben. War es der verdeckte Imperialismus oder die Geldpolitik der US-Notenbank? Ich erinnere mich auch an die undiplomatischen Kommentare von Alan Greenspan, der im Hinblick auf die von China gehaltenen US-Staatsanleihen erklärte, dass China das Problem hätte, nicht Amerika.
Bisher scheinen sich die westlichen Märkte dieser wichtigen Entwicklungen noch gar nicht bewusst zu sein, weshalb der Goldpreis auf Dollarbasis derzeit wohl so stark verzerrt ist wie zu keinem anderen Zeitpunkt in der Geschichte. Der physische Goldmarkt wird in die Mangel genommen, weshalb die westlichen Kapitalmärkte heute kaum mehr sind als ein mit heißer Luft gedecktes Casino. Der Dollar wird im weltweiten Handel eines Tages nur noch als Komparse auftreten, und das bedeutet, dass die riesigen Mengen an US-Dollars überflüssig werden und gegen irgendwelche anderen Werte verkauft werden müssen.
Nach der unvermeidlichen Aufwärtsexplosion des Dollar-Goldpreises dürften wir alle verwundert dastehen und uns fragen, zu welchem Preis wir unsere Waren und Dienstleistungen eigentlich anbieten müssen, um von Asien wieder etwas zurückzubekommen.