Wolf Richter, Testosteronepit.com, 16.02.2014

Danièle Nouy, die Vorsitzende des „Einheitlichen Bankenaufsichtsmechanismus“ (SSM), der neumodischen Bankenaufsicht der EZB, die heute noch gar nicht existiert, hat den perfekten Plan, wie die wankenden europäischen Banken – bei denen es sich um hermetisch versiegelte Black Boxen handelt, in deren Innerstes niemand hineinschauen darf – gerettet werden können: Durch die „Schaffung von Glaubwürdigkeit und Reputation“ und indem man „tut, was immer notwendig ist“, damit die Bankenbranche „als solide, sicher und transparent angesehen wird.“

„Angesehen wird …“

Wahrnehmung und Vertrauen, die auf der Grundlage von „Glaubwürdigkeit und Reputation“ beruhen. Vergessen Sie die Realität. Denn würde man es zulassen, dass die Realität zutage tritt, würden viele dieser Banken – deren Geschäftsetagen mit verfaulenden „Vermögenswerten“ vollgestopft sind – einfach in sich zusammenbrechen, und die größten von ihnen könnten Spanien, Italien, ja sogar Frankreich in den Abgrund reißen.

Aber einige der kleineren Banken würde man schon pleitegehen lassen – sie hat zwar noch „keine Ahnung wie viele“ von ihnen, aber es würde die „Glaubwürdigkeit und Reputation“ der Bankenaufsicht stärken und die Auffassung und das Vertrauen verbreiten, dass die überlebenden Banken, na Sie wissen schon, „als solide, sicher und transparent angesehen“ werden.

Bedauerlicherweise leiden diesen Banken, für den sie den Rettungsplan ausgearbeitet hat, aber unter ihren verfaulenden Krediten. Bei Unternehmen, die ihre Kredite nicht mehr länger bedienen können und normalerweise einfach pleitegehen würden, wären die Banken eigentlich gezwungen, die Kredite abzuschreiben und die Verluste zu realisieren. Das ist aber genau das, was sich diese viel zu stark gehebelten Banken nicht leisten können.

Stattdessen wandeln sie die Kredite dieser gescheiterten Unternehmen in neue Kredite mit längeren Laufzeiten und geringeren Zinsen um, oder sie wandeln die Kredite in Aktien von zweifelhaftem Wert um, damit sie sie nicht zur Kenntnis nehmen und als faule Kredite abschreiben müssen. Wenn ein Unternehmen dann immer noch nicht in der Lage ist, diese Kredite zu bedienen, erhält es von der Bank einfach einen völlig neuen Kredit. So kann die Bank in ihrer Bilanz wieder vorgeben, dass alles in bester Ordnung sei.

Kein Außenstehender weiß, was sich in einer Bankbilanz wirklich verbirgt. In den wenigen Fällen, wo dann doch mal jemand eine kleine Ecke hochklappte und der Gestank verwesender Vermögenswerte aufstieg, brach immer gleich die gesamte Bank zusammen. Erst danach dürfen sich Außenstehende durch den Müll arbeiten, und was dann gefunden wird, ist eine klaffendes Loch, das vom Steuerzahler wieder aufgefüllt werden muss.

Der Betrag dieser gestundeten und faulen Kredite ist in Europa also zu weiten Teilen ein Geheimnis, da man Angst hat, dass es zum Zusammenruch einiger Banken, zu Verlusten und beschädigten Bankchefs – die derzeit mit Liebe und die Kompensationen überschüttet werden – käme, würde die Öffentlichkeit erfahren, wie groß die Menge an faulen Krediten wirklich ist.

Und obschon einige Banken bruchstückhaft Dinge an die Öffentlichkeit lassen, legen laut Bloomberg rund ein Drittel der 39 größten Banken der Eurozone – darunter auch vier der größten zehn Banken (Societe Generale, BNP Paribas und Credit Agricole in Frankreich und die bereits gerettete Commerzbank in Deutschland) – ihre Mega-Kreditportfolien überhaupt nicht offen.

Die Banken weisen Gewinne aus, indem sie – und das ist eine Strategie von vielen – ihre Vermögenswerte kreativ bewerten. Faule Kredite zu ihrem Nennwert zu bewerten, ist einer dieser Tricks. Laufen die Geschäfte dann besser, also in Phasen, wo die Bank über mehr Kapital verfügt, um die Verluste zu verkraften, können die Kredite still und leise sukzessive bereinigt werden. So die Hoffnung. Unterdessen türmen sich die faulen Kredite in den Bankbilanzen immer weiter auf und lähmen die neue Kreditvergabe. Die Zombiebank ist geboren.

Jetzt will die Europäische Zentralbank Chaos in diese etablierte Ordnung bringen und bei den 128 größten Eurozonenbanken die Peitsche knallen lassen: Sie will von ihnen die Informationen über die gestundeten und notleidenden Kredite. Dass die Banken in den verschiedenen Ländern „gestundete“ und „faule“ Kredite auf ganz eigene Art definiert haben, ist dabei nicht sonderlich hilfreich – aber bis Ende dieses Jahres müssen sie einheitliche Standards übernehmen. Und die mürrisch dreinblickenden Inspektoren der EZB werden sich die Daten ganz genau anschauen.

Und es wird einen Stresstest geben. Aber dieses Mal ohne Mätzchen. Beim letzten Mal brachen die Banken ja wenige Monate, nachdem sie den Stresstest bestanden hatten, zusammen. Dieses Mal besteht das Ziel darin, sicherzustellen, dass, wie Frau Nouy so entschieden formulierte, die Banken „als solide, sicher und transparent angesehen werden“. „Angesehen werden“ … Also dasselbe wie früher.

Die neue Bankenaufsicht hat jedoch noch ein paar weitere Argumente, um Zweifler zu überzeugen. Wie sich herausstellte, gibt es derzeit 27 Banken, die Gefahr laufen, den Stresstest nicht zu bestehen. Ihre Ergebnisse werden im Oktober dieses Jahres veröffentlicht. Hierzu gehören: Acht deutsche Banken, darunter auch die bereits gerettete Commerzbank; die gerettete Monte dei Paschi di Siena; und die spanische Liberbank, wo ein EUR 41 Milliarden schweres Rettungsprogramm das Land bereits zum Wanken brachte. Aber das sind alles nur Spekulationen von Bloomberg. In Wirklichkeit weiß keiner so genau, um welche Banken es sich handelt.

Banken, die den Stresstest nicht bestehen, müssen neues Kapital auftreiben, und zwar von den Investoren. Ob dazu auch ein Bail-in bei den nichtversicherten Einlagen gehört? Und natürlich muss auch mit Steuergeldern nachgeholfen werden, „die vorhanden sind“, wie EZB-Vizepräsident Vítor Constâncio den Zweiflern versicherte. Und weil immer öffentliches Geld da ist, um die Banken zu retten. „Das Ziel ist, dass es bei europäischen Banken keine Zweifel mehr gibt“, so Constâncio.

Aber das Bisschen, was diese europäischen Banken bisher offengelegt haben, ist ja auch bereits schlimm genug: Im Juni letzten Jahres lag die Menge der faulen Kredite bei fast EUR 1 Billion – das sind 6,7% aller ausstehenden Kredite! Das ist ein Anstieg von 6% gegenüber dem Vorjahr.

Und die sechs größten Banken, die die Informationen über ihre gestundeten und faulen Kredite offenlegt haben, wiesen Ende 2012 EUR 115,6 Milliarden an gestundeten Krediten auf. Eine dieser Banken – Banco Santander, die größte Bank Spaniens – musste im Rahmen der Rettung der spanischen Bankenbranche unter Druck einräumen, dass 7,7% ihres Kreditportfolios in 2012 aus restrukturierten Krediten bestand. 2013 wurden viele dieser faulen Kredite neu eingeordnet, was dazu führte, dass sich die Gesamtmenge der faulen Kredite von Santander auf 7,5% fast verdoppelte!

Wer weiß, was hier noch alles zutage tritt …

Bei italienischen Banken liegt der Gesamtanteil fauler Kredite bei 9,1%, so Ignazio Visco, der Gouverneur der italienischen Zentralbank. Diese Banken versuchen verzweifelt, Kapital aufzutreiben, indem sie mehr Aktien auf den Markt bringen, Vermögenswerte verkaufen und Kosteneinsparungen vornehmen, um so Anflüge der Realität überleben zu können. Aber es dürfte trotzdem nicht reichen, um die Banken zu retten, und Herr Visco warnte vor „weiteren ehrgeizigeren Interventionen.“ Die Steuerzahler können schon mal ihre Geldbörse zücken.

Unterdessen ist die Europäische Kommission fieberhaft darum bemüht, von ihrem Ende des Spektrums her eine Lösung herbeizuführen. Die EU-Kommission überprüft gerade, ob ihre Kapital- und Liquiditätsanforderungen „angemessen“ sind – mit dem Ziel, diese weiter zu verwässern. Darüber hinaus prüft sie gerade, wie die Bankvermögenswerte bewertet werden sollten – damit dürften dann auch die letzten Reste einer Bewertung zu realen Marktpreisen aus dem Fenster fliegen.

An den Bilanzen der Banken herumzudoktern, ist immer noch die effizienteste Methode, Zeit zu schinden. Frau Nouy – die über die Eloquenz einer gestandenen Eurokratin verfügt – brachte es auf den Punkt: Man muss tun, „was immer notwendig ist“, damit die Nebelkerzen der Bankenbranche als „solide, sicher und transparent angesehen“ werden.

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