Warum es keine Überraschung wäre, wenn der europäische Bankensektor innerhalb der nächsten 18 Monaten zusammenbricht

Mises.org, Andrew Cullen, 17.02.2014

Die Wirtschaftszyklustheorie der Österreichischen Wirtschaftsschule erklärt, dass die „Bust“-Phase dieses Zyklus [das Platzen der Spekulationsblase] durch billige und große Mengen an Kredit hervorgerufen wird. Der Kredit wird durch ein Mindestreservesystem der Banken geschaffen.

Während der Bust-Phase ist ein Mindestreservesystem inhärent instabil, da die Banken aufgrund ihres Fremdkapitalhebels (Kreditvergabe als prozentualer Anteil am Eigenkapital) einem sich auftürmenden Tsunami an faulen Krediten und wertgeminderten Kreditsicherheiten ausgesetzt werden, bei denen es sich im Grunde um Fehlinvestments handelt.

In der heutigen geschützten und regulierten Bankenbranche wird diese „Bust“-Phase des Zyklus aber durch einen weitgreifenden Interventionismus der Aufsichtsbehörden, Zentralbanken und Regierungen hinausgezögert und verzerrt. Die anhaltende Krise des europäischen Bankensektors ist ein Beweis dafür. Die Insolvenzprobleme sind immer noch nicht gelöst worden. Die Europäische Zentralbank befindet sich im Zentrum dieser interventionistischen Anstrengungen, die darauf abzielen, den Zusammenbruch des europäischen Bankensektors aufzuhalten. Doch es wird nun zunehmend wahrscheinlicher, dass dieser Zusammenbruch innerhalb der kommenden 18 Monate stattfindet.

Die EZB beließ den Leitzins Anfang dieses Monats unverändert bei 0,25%. Der Wechselkurs des Euros stieg und die Mainstream-Medien und Experten der Finanzindustrie beklagten allesamt, dass der EZB-Chef Mario Draghi trotz einer sich verschlimmernden Preisdeflation nichts tun würde.

Im November 2013 wies ich darauf hin, dass die südeuropäischen Regierungen gegenwärtig immer mehr Druck auf die EZB ausüben, eine weitere Runde an Staatsanleihekäufen durchzuführen, da das Staatsschulden/BIP-Verhältnis der Länder an der Peripherie der Eurozone immer weiter steigt.

Also: Warum hat der EZB-Präsident bisher nichts getan, und ist die europäische Bankenkrise nun eingedämmt oder sind die Banken immer noch in Gefahr?

Auf einer Pressekonferenz erklärte Draghi mit verklausuliert-diplomatischen Worten, dass die vorhandenen Daten keinen deflationären Trend bestätigen würden und es trotz der Tatsache, dass die offizielle Preisinflation mit 0,8% unter dem Inflationsziel der EZB von 2% liegt, keine Hinweise auf eine Deflation in der Eurozone im Stile Japans geben würde.

Die Worte von Draghi zielten darauf ab, Zeit zu gewinnen, während sich derzeit zwei miteinander in Zusammenhang stehende Prozesse – ein politischer und ein regulatorischer – abspielen.

Der politische Prozess dient der Klärung, wie die Eurozonen-Regierungen die Doppelkrise ansteigender Staatsschulden auf der einen Seite und wachsender systemischer Insolvenzrisiken des Bankensektors auf der anderen Seite angehen werden. Das jüngste Ereignis in diesem Prozess war die Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts von letzter Woche. Dass Gericht erklärte, dass die Schuldenmonetisierung der EZB gegen EU-Recht verstößt. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat aber kein ausdrückliches Urteil dazu gesprochen, sondern sich stattdessen dafür entschieden, den Fall an den Europäischen Gerichtshof weiterzureichen.

Diese rechtlichen Herausforderungen sind in Wirklichkeit aber bloß ein Stellvertreterkrieg für den echten politischen Krieg zwischen dem von Deutschland angeführten „teutonischen“ Block und dem „mediterranen“ Block der Länder am Rande der Eurozone, zu denen derzeit auch Frankreich gehört.

Der „mediterrane Block“ („Club Med“) hat im EZB-Rat eine deutliche Mehrheit. Und in dem Wissen, dass der mediterrane Block letztlich über die Mehrheit verfügt, um eine neue Runde an Staatsschuldenaufkäufen zu beschließen, spielt Draghi auf Zeit.

Und da die realen Zinssätze der EZB heute bereits im negativen Bereich liegen, ist sich Draghi natürlich auch im Klaren darüber, dass eine weitere Reduzierung der Zinssätze die Kreditvergabe der Banken kaum anheizen wird. Selbst mit im Grunde „kostenlosen“ Kredit, ist die Kreditvergabe der Banken schwach; dasselbe gilt für die Interbankenkreditvergabe.

Dieses Ausbleiben der Kreditvergabe geht auf verschiedene Ursachen zurück, aber der Hauptgrund ist, dass die Banken seit Beginn der Finanzkrise 2007/2008 bis heute damit zu kämpfen haben, solvent zu bleiben. Und genau hier kommt auch der neueste regulatorische Prozess ins Spiel.

Die EZB soll bald die sogenannte „makroprudentielle“ Bankenaufsicht für das europäische Bankensystem übernehmen – das ist ein neuer interventionistischer Ansatz, der von den G20-Ländern, dem Internationalen Währungsfonds und der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich vorangetrieben wird, um das Risiko von Pleiten im Bankensystem zu reduzieren, indem den Banken höhere Eigenkapitalanforderungen auferlegt werden.

Neben den Plänen der EU-Kommission, eine Bankenunion zu schaffen (wozu auch ein Einheitlicher Abwicklungsmechanismus (SRM) gehört, um bei Pleitebanken „Bail-ins“ durchzuführen), und neben der Arbeit der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, die Basel-Richtlinien zu den Kapitalanforderungen einer Revision zu unterziehen und zu verschärfen, macht sich die EZB jetzt daran, bei allen europäischen Banken einen riesigen neuen Stresstest durchzuführen.

Mit diesen regulatorischen Initiativen soll der massive Fremdkapitalhebel im Bankensystem als Ganzes angegangen werden. Die Eurozonenbanken sind die gefährdetsten Banken von allen, aber im Grunde handelt es sich hierbei um ein globales Problem. Daher spielt die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich bei der Suche nach einem gemeinsamen Lösungsansatz auch eine so wichtige Rolle.

Und hierbei ist nicht nur das traditionelle Geschäft der Banken – die Kredit- und Hypothekenvergabe – zu berücksichtigen, so wichtig es auch sein mag, die tatsächlichen und möglichen Kreditverluste zu erfassen, sondern auch die vom Umfang her viel größeren Risiken der Banken des Schattenbankensektors; ihre außerbilanzlichen Verluste und die jüngsten Verluste bei Devisen-Future-Kontrakten und Zinsswaps, die zu den Abverkäufen in den Schwellenmärkten führten.

Die Finanzderivate am Devisenmarkt und die Zinsswaps sind atemberaubend und der Nominalwert des gesamten Derivatemarkts wird derzeit auf USD 700 Billionen geschätzt. Beispielsweise heißt es über die Deutsche Bank, um hier mal bei den großen europäischen Banken zu bleiben, dass sie nominelle Finanzderivate in Höhe von EUR 55 Billionen brutto in ihrer Bilanz hat. Diese Zahl ist rund 20 Mal höher als das jährliche Bruttoinlandsprodukt von Deutschland. Berücksichtigen Sie, dass es sich hierbei nicht um Verluste, sondern nur um nominelle Kontrakte handelt. Nichtsdestotrotz müsste nur ein ganz kleiner Teil dieser Kontrakte Verluste einfahren und schon wäre das gesamte Eigenkapital der Deutschen Bank ausgelöscht.

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich hat Eigenkapitalanforderungen festgelegt, um die Schuldenabhängigkeit der Banken zu reduzieren. Es ist ein Mindeststandard, wie viel Kapital eine Bank halten muss (als prozentualen Anteil an allen in der Bankbilanz erfassten Vermögenswerten). Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich ist aber zu dem Ergebnis gelangt, dass „ein Viertel aller großen weltweiten Kreditgeber eine Juni-Version der Fremdkapitalbeschränkung nicht erfüllt hätte, wäre diese Regelung Ende 2012 eingeführt worden.“

Hier braut sich für den europäischen Bankensektor der perfekte Sturm zusammen.

Erstens wird es jetzt immer wahrscheinlicher, dass die Europäische Zentralbank eine neue Runde an Wertpapieraufkäufen auflegt, bei der sie die Banken mit der notwendigen Liquidität flutet, um die Staatsschulden ihrer jeweiligen Länder aufzukaufen und die Anleihezinsen unten zu halten. Zweitens gibt es in der gesamten Eurozone derzeit eine regulatorische Initiative, die Banken zu rekapitalisieren … Und drittens wird es nun immer wahrscheinlicher, dass es diesen Sommer zu einer ausgeprägten Aktienmarktkorrektur kommen wird.

Alle drei Entwicklungen könnten zusammengenommen eine Vertrauenskrise in der Bankenbranche auslösen. Und auch eine Insolvenz-Krise ist möglich, sollte es irgendeiner großen Bank nicht gelingen, sich von ihren Derivate-Verlusten in den zunehmend volatileren Währungs-, Zins-, und Aktienmärkten zu erholen.

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