Graham Summers, Phoenix Capital Research, 02.09.2014
Die geldpolitischen Maßnahmen der Zentralbanken der letzten 5 Jahre haben die Kapitalmärkte so stark beschädigt, dass der wichtigste Aspekt heute gar nicht mehr die Entwicklungen in der realen Welt sind, sondern die Frage, wie die Zentralbanken auf die besagten Entwicklungen reagieren werden.
Nehmen wir uns einen Augenblick Zeit, um das noch einmal zu verinnerlichen. Vor 2008 war es in der Regel so, dass der Investor bei irgendwelchen weltweiten Ereignissen darüber nachdachte, welche Auswirkungen dieses Problem wohl auf die Märkte haben würde.
Heute wird derselbe Investor versuchen, zu analysieren, wie die Zentralbanken auf dieses Problem reagieren werden, und sich mit dem Problem selbst gar nicht mehr auseinandersetzen. Das ist auch der Grund, warum es seit 2008 immer wieder Phasen gegeben hat, wo die Märkte trotz entsetzlicher Wirtschaftsdaten und anderer ökonomischer Negativpunkte eine Rally hinlegten – die Händler gelangten zu der Auffassung, dass die US-Notenbank aufgrund schlechter Daten noch mehr geldpolitische Lockerungsmaßnahmen durchführen würde.
Warum investieren wir denn? Wir investieren, weil wir Geld machen wollen. Und was Investments anbelangt, ziehen wir es vor, dass wir das Geld möglichst einfach machen. Wir wollen also Investments, bei denen eine hohe Erfolgsaussicht besteht. Und was ist vor dem Hintergrund, dass die weltweiten Zentralbanken seit 2008 die Zinsen über 500 Mal gesenkt und über USD 10 Billionen gedruckt haben, wohl die leichteste Methode, um in heutiger Zeit mit Investments Geld zu machen?
Richtig, das Frontrunning – man muss den geldpolitischen Maßnahmen der Zentralbanken immer ein klein wenig voraussein.
Nehmen wir Europa. 2012 versicherte Mario Draghi, der Präsident der Europäischen Zentralbank, „alles Notwendige“ zu tun, um den Euro zu bewahren. Seit dieser Zeit hat es bei der europäischen Wirtschaft keinerlei Verbesserungen gegeben.
Frankreich befindet sich gerade auf dem Weg in eine Triple-Dip-Rezession. Deutschland könnte noch vor Jahresende in eine weitere Rezession abtauchen. Spanien bleibt nach wie vor ein wirtschaftlich hoffnungsloser Fall. Portugal erlebte gerade erst eine weitere große Bankenpleite. Usw. usf.
Trotzdem sind die Renditen für die Staatsanleihen europäischer Länder auf Jahrhundert-Tiefs gefallen! Die 10-jährige deutsche Staatsanleihe rentiert aktuell mit 1% – das ist ein Allzeittief. Und was ist der Grund dafür? Die Anleger sind in ihrem Glauben, dass die EZB die Staatsanleihen aufkaufen oder zumindest die Zinsen weiter in den Keller treiben wird, in europäische Staatsanleihen gegangen.
Im Ergebnis sind die europäischen Anleihen mittlerweile auf Niveaus aufgebläht worden, die über eine simple Spekulationsblase weit hinausgehen. Wir dürfen in diesem Zusammenhang ja nicht vergessen, dass die gesamte europäische Staatsschuldenkrise auf der Tatsache beruhte, dass die meisten europäischen Länder pleite sind. Und wenn man hier noch die nichtfinanzierten Verbindlichkeiten mit hinzunimmt, kommen die meisten europäischen Länder auf Schulden/BIP-Verhältnisse von über 400%.
Die grundlegende Prämisse beim Investieren ist, dass man für sein Risiko auch entschädigt werden sollte. Umso riskanter ein Investment, desto höher sollten die zu erwartenden Zugewinne sein.
Dank dem Herumfingern der Zentralbanken ist das heute aber nicht mehr länger der Fall. In Europa, wo die Kreditvergabe an Staaten in Wahrheit ein hochriskantes Unterfangen ist, erhält man dafür praktisch keinerlei Rendite.
Das wird böse enden. Fakt ist, dass es wahrscheinlich sogar katastrophal ausgehen wird, wenn die Herde des schnellen Geldes in Panik gerät und versucht, aus den verschiedenen Vermögenswerten auszusteigen, die sie ja nur aufgrund der Annahme gekauft haben, dass man diese Werte später bei irgendjemand anderen abladen kann – bei einer Zentralbank beispielsweise –, der gewillt ist, dafür einen höheren Preis zu zahlen.
Wir wissen nicht, wann es passieren wird, aber es wird passieren. Und im Gegensatz zu Aktien tendiert die Implosion einer Anleiheblase dazu, sehr tiefgreifend auszufallen und überdies sehr schnell vonstattenzugehen.