Das richtige Beben, von dem hier die Rede ist, ist der unvermeidliche und synchrone Zusammenbruch der weltweiten Staatsschulden

Michael Pento, King World News, 06.09.2014

Seit sechs Jahren, also seit die Zinsen bei null Prozent liegen, hält die ohrenbetäubende Kakophonie von Wall Street bereits an: Es gibt keinen anderen Ort außer Aktien, wo man sein Geld parken kann. Da ist den meisten Leuten dann auch egal, dass das Marktkapitalisierung/BIP-Verhältnis bei 125% liegt, also 15% höher als in 2007. Es war nur ein einziges Mal höher – während der Technologieblase zur Jahrtausendwende.

Unterdessen liegen die weltweiten Staatsanleiherenditen auf Rekordtiefs, und die Strategie der meisten Anleger besteht darin, die schwachen BIP-Raten einfach zu ignorieren und noch mehr Geld in den Markt zu investieren.

Das Epizentrum des kommenden Bebens wird aber der Devisenmarkt sein. Der US-Dollar ist seit Mai dieses Jahres in die Höhe geschossen, da sich die Anleger einig sind, dass die US-Notenbank im Oktober aus ihren QE-Maßnahmen aussteigen und im nächsten Jahr die Zinsen anheben wird, während sich Japan und die Eurozone in die entgegengesetzte Richtung aufgemacht haben.

Die Bank von Japan führt bereits vollumfängliche Lockerungsmaßnahmen durch und die Europäische Zentralbank gab vor wenigen Tagen bekannt, dass sie ab Oktober ein eigenes Programm zum Aufkauf von forderungsbesicherten Wertpapieren (ABSs) auflegt.

Der US-Dollar-Index ist in den letzten vier Monaten um über 5% gestiegen, und sollte sich dieser Anstieg weiter fortsetzen, dürfte dass die Gewinnmeldungen der multinationalen US-Konzerne bedeutend beeinträchtigen. Diese deflationäre Kraft ist einer der Gründe dafür, warum die Aktienpreise wohl bald eine Korrektur erfahren werden.

Noch wahrscheinlicher ist es aber, dass der US-Dollar eine drastische Trendumkehr einleitet. Wie bereits erwähnt, ist praktisch jeder an Wall Street überzeugt davon, dass die US-Notenbank im nächsten Jahr Zinserhöhungen durchführen wird. Und nun, wo sich die Bank von Japan und die Europäische Zentralbank vollumfänglichen quantitativen Lockerungsmaßnahmen verschrieben haben, stellt sich die Frage, wie viel diese beiden Zentralbanken tatsächlich tun können, um ihre Währungen noch stärker abzuwerten.

Können sie angesichts der niedrigen Renditen bei ihren 10-jährigen Staatsanleihen – die deutsche rentiert mit gerade einmal 0,93% und die japanische mit 0,5% – glaubhaft darlegen, dass die Kreditkosten immer noch zu hoch sind, um das BIP-Wachstum anzukurbeln?

Und sollten die für dieses Jahr erwarteten guten US-amerikanischen BIP-Zahlen ausbleiben – so wie es seit dem Ende der Großen Rezession bisher jedes Jahr der Fall gewesen ist –, wird der US-Dollar unter Druck geraten. Fakt ist, dass das reale US-amerikanische BIP-Wachstum seit 2006 nicht mehr über 2,5% lag.

Es ist unwahrscheinlich, dass das US-BIP dieses Jahr positiv überraschen wird, während die Fed ihr riesiges Anleiheaufkaufprogramm auslaufen lässt und der Rest der Industriestaaten mit der Rezession flirtet. Hier sollten wir auch daran denken, dass das US-BIP in den ersten sechs Monaten dieses Jahres gerade einmal um 1% gewachsen ist.

Sollte der Markt zu der Einschätzung gelangen, dass die Fed im nächsten Jahr nicht in der Lage sein wird, die Zinsen anzuheben, und vielleicht sogar aufgrund einer stagnierenden US-Wirtschaft gezwungen sein könnte, abermals ins QE-Geschäft einzusteigen, käme es zu einer Umkehr der Yen-Carry-Trades.

Bisher haben sich die Finanzinstitutionen Yen für fast 0% geliehen und die Gelder dann in die US-amerikanischen Anleihe- und Aktienmärkte investiert. Da die Renditen in den USA höher sind und es praktisch so gut wie sicher war, dass der Yen aufgrund der Interventionen der Bank von Japan weiter fällt, war dieser Trade bisher ein doppeltes Geschäft. Sollte der US-Dollar aber eine Trendwende einleiten, würde das zu einer Ansturm der US-Dollar-Verkäufer führen, die dann alle auf einmal versuchen würden, überbewertete Aktien und Anleihen zu veräußern, um mit den Geldern dann einen steigenden Yen zurückzukaufen.

Enorme Währungsschwankungen sind aber nur ein Aspekt der unglaublich verheerenden Auswirkungen, die auf die Zinssatzmanipulationen der weltweiten Zentralbanken zurückgehen. Die Umkehr des Yen-Carry-Trades ist nur ein Aspekt, der dem Glauben, dass die Aktienpreise nicht fallen können, ein Ende bereiten könnte.

Solch ein Abverkauf bei den Aktien wäre aber nur ein leichtes Vorbeben, dem danach natürlich ein viel größeres Beben folgen würde – ein Beben, das für Aktien wie auch Anleihen gleichermaßen verheerend wäre. Das richtige Beben, von dem hier die Rede ist, ist der unvermeidliche und synchrone Zusammenbruch der weltweiten Staatsschulden.

Der freie Markt funktioniert nämlich wie die Plattentektonik. Die Bewegungen der Kontinentalplatten verursachen Spannungen in der Lithosphäre. Diese Spannungen sorgen dann für die Erdbeben; es ist die Art, wie der Druck bei den Platten wieder abgebaut wird. Im Allgemeinen ist es so, dass kleinere Beben ein größeres Beben verhindern, da die Spannungen durch die kleineren Beben sukzessive reduziert werden. Und genauso dienen Wirtschaftsrezessionen und Wirtschaftsdepressionen dazu, die Ungleichgewichte bei den Schulden und Vermögensblasen abzubauen. Versucht man, kleinere Beben und Rezessionen zu verhindern, kann das nur zu einer Katastrophe führen.

Seit 2008 versuchen die Zentralbanken, einen Heilungsprozess zu verhindern, indem sie den weltweiten Staatsschuldenmarkt steuern. Und jetzt liegen die Renditen für Staatsanleihen in Europa, Japan und den Vereinigten Staaten auf Rekordtiefs. Solch niedrige Renditen würden normalerweise auf eine stark rückläufige Staatsverschuldung und die Verkürzung der Zentralbankbilanzen zurückgehen, was eine niedrige Inflation sicherstellen würde.

In Wahrheit ist aber das genaue Gegenteil der Fall. In den USA ist die Staatsverschuldung seit 2008 um USD 8,6 Billionen gestiegen, während das Schulden/BIP-Verhältnis von 64% auf 105% geschossen ist. Darüber hinaus wurde die Bilanz der US-Notenbank von USD 800 Millionen auf USD 4,4 Billionen ausgeweitet.

Die Kreditqualität hat sich also in hohem Maße verschlechtert, während die Gefahr einer Inflation aufgrund des Anstiegs der Geldbasis enorm gestiegen ist. Die Zinssätze wären normalerweise viel höher, als dies heute der Fall ist, außer die Wirtschaft befände sich in einer deflationären Depression.

Letztlich dürfte es den Zentralbankern gelingen, ihr Inflationsziel von 2% zu erreichen. Aber diese Gelddrucker sind nicht in der Lage, irgendein willkürliches Inflationsziel festzusetzen und diese Inflationsmarke dann auch punktgenau zu erreichen. Es ist wahrscheinlich, dass die Inflation über das Ziel hinausschießen wird.

Dann werden sie vor der schwierigen Entscheidung stehen, ob sie die Inflation außer Kontrolle geraten lassen oder stattdessen Anleiheabverkäufe erzwingen. Das heißt, dass die Zentralbanken nicht mehr als riesige Aufkäufer von neuen Staatsanleihen auftreten würden, wie es heute der Fall ist, sondern diese Anleihen stattdessen in riesigen Mengen abverkaufen würden. In diesem Szenario würden die Zinssätze nicht nur zu ihrem langfristigen Durchschnitt zurückkehren, sondern wahrscheinlich sogar noch viel stärker steigen.

In Japan lag die durchschnittliche Rendite für 10-jährige Staatsanleihen in den letzten 30 Jahren bei 3%. Ein Anstieg der Zinsen von 0,5% auf über 3% ließe die Kreditkosten für die Staatsanleihen so stark explodieren, dass dadurch die Wirtschaft verheert würde. Und für die Eurozone und die Vereinigten Staaten gilt im Grunde dasselbe.

Und sollte es den Zentralbanken im Gegensatz dazu tatsächlich nicht gelingen, Wachstum und Inflation zu schaffen, wäre die dann folgende wirtschaftliche Malaise ein Garant dafür, dass die Kosten für den Schuldendienst die Steuerbasis dieser Länder bei weitem übersteigen würde. Das ist ja auch genau das, was in Europa während der jüngsten Schuldenkrise von 2010 bis 2012 beobachtet werden konnte. Ist ein Markt erst einmal überzeugt davon, dass ein Land seine Schulden real nicht zurückzahlen kann, bricht der Wert der Schulden ein.

Letztlich ist genau das die wahre Krise, die uns auf der anderen Seite dieser riesigen und beispiellosen Verzerrungen bei den weltweiten Staatsanleiherenditen erwartet. Und das ist auch der Grund, warum diese Aktienmarktrally mit einem riesigen Beben enden wird.

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