J. T. Long, The Gold Report, 08.10.2014

Preismanipulationen und Apathie können den Silberpreis nicht für immer unten halten – dafür gibt es eine zu hohe Silbernachfrage, und viele Anleger warten auf den richtigen Augenblick, um wieder zuzuschlagen. In diesem Interview mit The Gold Report führt David Morgan, der Herausgeber von Silver-Investor.com, aus, warum das weiße Metall nahe seines Tiefs notiert und wie ein ausgewogenes Portfolio aussehen sollte:

The Gold Report: Die jüngst vom Silver Institute veröffentlichte World Silver Survey zeigt, dass es im letzten Jahr einen Nachfrageanstieg bei Silber gab – speziell in China und Indien –, obwohl der Preis 2013 um 23,6% gefallen ist. Warum ist der Silberpreis so niedrig, wenn die Fundamentaldaten eigentlich in die andere Richtung deuten?

David Morgan: Der Bericht zeigt, dass es ein Silberdefizit gab, und das bedeutet aus fundamentaler Sicht, dass der Preis steigen müsste. Der echte Silberpreis wird jedoch an den Papiermärkten ermittelt, und dort gab es Abwärtsdruck.

Darüber hinaus haben die großen Unternehmen, die physische Silberbestände lagern und halten, seit geraumer Zeit keine bedeutenden Mengen an Silber mehr gekauft. Das wirft natürlich die Frage auf, warum diese großen und traditionell bullischen Unternehmen bei diesem niedrigen Silberpreis nicht in den Markt gehen.

Die andere Fragen die sich die Anleger stellen, ist: „Wann setzt die Trendwende ein?“ Die Anleger sind deprimiert und sagen sich: „Ich kann ohnehin nicht gewinnen, weil die Manipulanten immer gewinnen. Es ist sinnlos, sich in diesem Markt aufzuhalten.“ Diese Einstellung hat sich mittlerweile bei vielen Leuten breitgemacht, die einst noch sehr bullisch waren, was den Silbermarkt anbelangt.

Das sind alles Hinweise darauf, dass wir uns jetzt sehr nahe am Tief befinden, wenn wir das Tief nicht schon erreicht haben. Wenn die Stimmung derart schlecht ist, bekommen es die Menschen mit der Angst zu tun. Und James Dines sagt ja immer: Das Heilmittel gegen niedrige Preise sind niedrige Preise. Das wird nicht für immer und ewig so weitergehen, obwohl es aktuell danach aussieht.

TGR: Welche Preise nutzen Sie, wenn Sie Minenunternehmen bewerten? Nehmen Sie dafür einen Silberpreis, den Sie in Anlehnung an die Fundamentaldaten für angemessen halten, oder den psychologisch nach unten gehämmerten Preis der Papiermärkte?

DM: Wir gehen mit dem Markt, und da liegt der Preis für Silber aktuell bei USD 17 pro Unze. Mit dem Markt lässt sich nicht argumentieren; der Preis ist, was er ist. Ganz gleich, wie wir an diesen Punkt gelangt sind, Manipulation oder nicht, der Preis ist der Preis. Wir nehmen den gleitenden 90-Tagesschnitt, weil das der Standard der meisten Branchen ist und dadurch Preisschwankungen ausgeglichen werden. Wir mögen vielleicht nicht mit dem einverstanden sein, was der Markt sagt, aber für unsere Analyse ist das nicht von Belang. Unsere Untersuchungen müssen auf dem basieren, was der Markt sagt.

TGR: Gibt es einen Umkehrpunkt, wo der Silberpreis so niedrig ist, dass selbst die Leute, die keine Silberbugs sind, einen Einstiegspunkt erkennen und in den Markt gehen?

DM: Es gibt jede Menge Leute, darunter auch Geldverwalter, die begreifen, dass Silber aktuell einen Super-Preis hat. Sie warten einfach nur auf den richtigen Moment, um zuzuschlagen. Das fängt gewöhnlich so an, dass jemand langsam in den Markt einsteigt und damit beginnt, Silber einzusammeln. Oder jemand verkauft aggressiv ab, um den Markt auf sein absolutes Tief zu testen.

Die Rothschilds waren berüchtigt für diese Art von Markt-Tests, und sie waren vielleicht die ersten, die es so gemacht haben, dass die Öffentlichkeit auf solche Taktiken aufmerksam wurde. Sie verkauften einen Wert ab, den sie haben wollten, um den Preis nach unten zu drücken, so dass sie diesen Wert ganz auf dem Tief einsammeln konnten. Wie dem auch sei, es wird auf alle Fälle der Punkt kommen, wo clevere Käufer wieder damit anfangen werden, Silber einzusammeln.

TGR: Gibt es einen Punkt, ab dem der Silberpreis so niedrig ist, dass es sich die Minenunternehmen nicht mehr leisten können, das Metall zu produzieren?

DM: Ja und nein. In Wahrheit gibt nur sehr wenige reine Silberminen. Bis zu 70% der gesamten Silberproduktion ist ein Nebenprodukt, das bei der Förderung von Buntmetallen anfällt. Diese Metallproduzenten scheren sich nicht um den Silberpreis – solange sie mit Kupfer, Blei und Zink Geld machen, ist ihnen der Silberpreis egal. Sie werden so oder so weiterproduzieren, ganz gleich wie stark der Silberpreis fällt.

Selbst die reinen Silberproduzenten sind zurückhaltend, wenn es darum geht, ihre Anlagen vorübergehend herunterzufahren, weil sie mit Verlust produzieren. Ich glaube, dass die Gesamtproduktionskosten inklusive Steuern aktuell bei USD 23 pro Unze liegen. Der Verkauf von Silber für USD 17 pro Unze ist daher nicht nachhaltig. Aber langfristig gesehen macht es mehr Sinn, ein paar Monate mit Verlust zu arbeiten, als die Produktion anzuhalten.

Dafür gibt es viele Gründe. Die Verträge mit den Kunden und Angestellten würden in vielen Fällen nicht mehr erfüllt werden, wodurch Vertragsstrafen und Zusatzkosten entstünden. Darüber hinaus ist es wichtig, dass sich die Räder weiter drehen, da die Minen ansonsten rasch kaputtgehen. Viele Minen müssen entwässert und auf ihre Tragfähigkeit und Sicherheit untersucht und ganz allgemein fortwährend gewartet werden. Es könnte also mehr kosten, eine Mine zu schließen und sie später wieder in Gang zu setzen, als sie beispielsweise für ein Jahr mit Verlust weiter zu betreiben.

TGR: Können die Verluste dadurch ausgeglichen werden, dass sich die Minenbetreiber zunächst auf ihre Lagerstätten mit hohem Silbergehalt konzentrieren? Wird das in ein paar Jahren, wenn der Silberpreis wieder gestiegen ist, irgendwelche Auswirkungen auf Zahl der bekannten Silberlagerstätten haben?

DM: Jedes Minenunternehmen, das aktuell in der Lage ist, sich auf Lagerstätten mit hohem Silbergehalt zu konzentrieren, tut das auch, um so viel Gewinn wie möglich zu machen. Manche Minenfirmen sind da in einer besseren Lage als andere. Als Gold bei USD 1.900 pro Unze lag, haben einige Firmen auch Lagerstätten mit geringem Goldgehalt abgebaut, wo sie beispielsweise Gesamtproduktionskosten von USD 1.600 pro Unze haben, und dennoch haben sie damit Gewinn eingestrichen, während ihre Lagerstätten mit höherem Goldgehalt, wo sie für USD 1.100 pro Unze produzieren können, für schlechte Zeiten mit geringen Gewinnmargen nach hinten gestellt wurden. Und genau das erleben wir heute.

Der allgemeine Trend ist aber, dass sich die Minenunternehmen zunehmend schlechteren Lagerstätten zugewandt haben. Wir leben auf einem Planeten mit begrenzten Ressourcen, und das Zeug, an das man leicht herankommt, wird natürlich zuerst abgebaut. Das gilt für Öl und das gilt natürlich auch für Metalle. Die Lagerstätten, an die man sich heute heranwagt, galten vor drei Jahrzehnten als unrentabel. Aber es ist mittlerweile nicht mehr viel an hochwertigen Lagerstätten übrig, daher arbeiten die Minenunternehmen überall dort, wo man profitabel operieren kann.

TGR: Sie werden diesen Monat in Washington auf dem Silver Summit einen Vortrag halten. Was werden Sie den Investoren, die derzeit so stark unter Druck stehen, mit auf den Weg geben?

DM: Zunächst einmal dürfen die Leute nicht vergessen, dass die Preise in allen Märkten steigen und fallen. Das Zweite ist, dass sich die Gründe, warum man Edelmetalle halten sollte, nicht verändert haben. Das Dritte ist, dass man sich daran erinnert, warum man die Metalle überhaupt gekauft hat. Und der letzte Punkt ist, dass man sicherstellt, dass man vernünftig diversifiziert ist.

Das heißt, dass man entsprechend des eigenen Alters und der eigenen Zielvorgaben auch die richtige Menge an physischem Edelmetall besitzt. Wir empfehlen nicht, 100% oder gar 80% in Form von Edelmetallen zu halten, aber wir wollen, dass das Geld, dass die Anleger in den Sektor investieren, auch gewinnträchtig angelegt wird, und das ist der Grund, warum wir uns darauf spezialisiert haben, Informationen über diesen Sektor anzubieten.

Vor ein paar Jahren, als der Silberpreis auf ähnliche Art gefallen ist wie heute, bevor er sich dann wieder erholte, sprach ich auf Silver Summit darüber, dass ich dankbar dafür bin, ein Portfolio zu haben, über das ich mir keine Sorgen machen muss. Ich lieferte ein paar Statistiken zum Leben des Durchschnittsamerikaners und stellte diese Daten dann dem globalen Durchschnittsbürger gegenüber. Damit hatte ich mir selbst und der Zuhörerschaft in Erinnerung gerufen, dass wir uns manchmal zu stark auf die monetären Aspekte unseres Lebens konzentrieren.

Sicher, Geld ist wichtig, aber es muss eine angemessene Rolle im Leben spielen. Das Leben ist mehr, als die Frage, wie viel Geld man machen kann. Die Natur zeigt uns, wie wichtig die Ausgeglichenheit ist – geraten die Dinge aus dem Lot, bringt sie die Natur wieder zurück ins Gleichgewicht.

Und nirgends wird das offenkundiger als im Rohstoffsektor. Wir handeln so, als sei die Erde eine Art Einkommen, anstatt Kapital. Das Ergebnis ist, dass wir unseren Kapitalstock in Form von Wäldern, Wasser und Metallen aufbrauchen und diese Dinge dann nicht ersetzen. Das ist nicht nachhaltig. Ich befürchte, dass wir dafür noch einen hohen Preis bezahlen werden. Wir sollten nicht über unsere Verhältnisse leben; es geht nicht darum, sich alles unter den Nagel zu reißen. Es geht eher darum, wie wir unseren Beitrag leisten und mithelfen können, anstatt darum, wer das meiste Spielzeug besitzt.

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