David Chapman, MGI Securities, 12.03.2015

Ist der Euro die Titanic? Das ist vielleicht eine rhetorische Frage, aber erstaunlicherweise finden sich dennoch einige Parallelen. Mit viel Tamtam setzte der Euro am 01.01.1999 seine Segel und ersetzte damit die Europäische Währungseinheit (ECU), bei der es sich um einen Währungskorb der Währungen der Europäischen Union handelte. Bis zur Schaffung des Euros nutzten alle EU-Länder ihre nationalen Landeswährungen. Die Europäische Währungseinheit war lediglich eine Verrechnungseinheit.

Von den 28 EU-Ländern nutzen heute lediglich 19 Länder den Euro als Währung. Die zwei bedeutendsten Ausnahmen bei den EU-Ländern, die den Euro nicht verwenden, sind Großbritannien und Schweden, die weiterhin das Britische Pfund bzw. die Schwedische Krone nutzen.

Darüber hinaus wird der Euro auch von den EU-Institutionen und 4 Mini-Staaten verwendet, die sich allesamt in Europa befinden (Andorra, Monaco, San Marino und Vatikanstadt).

Man könnte jetzt argumentieren, dass der Euro im April 2008 auf den Eisberg traf. Das war das Hoch des Euros, der damals bei USD 1,5980 notierte. Durch die Finanzpanik von 2008 kam es zu einem Run auf den US-Dollar, der als sicherer Hafen nachgefragt wurde, aber bereits im darauffolgenden Jahr begann der Euro wieder zu steigen, da alle glaubten, dass zwar noch einige Probleme zu bewältigen seien, der schlimmste Teil der Krise jedoch ausgestanden sei.

In der Eurozone brauten sich unterdessen aber zu viele systemische Probleme zusammen. Die Bevölkerung alterte, die Geburtenrate stagnierte und die Zuwanderung war ein Problem, da die Zuwanderer zu weiten Teilen nur schlecht in die Gesellschaft integriert wurden.

Darüber hinaus gibt es in der EU viel zu viele Regulierungen, Verordnungen und Auflagen, zu denen noch ein sehr streng geregelter Arbeitsmarkt und viel zu große staatliche Wirtschaftssektoren hinzukommen.

Die EU selbst ist eine zentralisierte Bürokratie mit verschiedenen Gremien, Ausschüssen und Behörden. Die EU wird durch ein gewähltes Parlament regiert, wobei die Zahl der Parlamentarier, die jedes Land entsenden kann, von der Bevölkerungszahl des Landes abhängig ist. Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien dominieren das EU-Parlament.

Was die Eurozone jedoch richtig nach unten zog, war das Scheitern, die Schulden der Mitgliedsländer zu vereinheitlichen (Schuldenunion). Obwohl man eine Zentralbank schuf, die EZB, existierten die Zentralbanken der einzelnen EU-Länder, die einst ein wichtiger Bestandteil jedes Mitgliedslandes waren, nicht nur weiter, sondern konnten überdies auch weiterhin wie eine Zentralbank agieren.

Heute sind die Zentralbanken der einzelnen Euroländer gleichzeitig auch Mitglieder und Anteilseigner der EZB. Auch hier ist es so, dass Deutschland, Frankreich und Italien die EZB dominieren, da sie die größten Wirtschaften sind. Die Bank von England (BoE) ist kein Mitglied der EZB, weil Großbritannien den Euro nicht eingeführt hat. Die EZB ist für die Geldpolitik der Eurozone verantwortlich, verfügt aber nicht über dieselben Rechte wie die US-Notenbank Federal Reserve (Fed).

Die finanzielle Leistungsfähigkeit der einzelnen EU-Länder variiert extrem und es gibt starke Länder wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien und schwächere Nationen wie Griechenland, Portugal und die osteuropäischen Länder, frühere der Sowjetunion angehörende Länder, die in jüngster Zeit der EU beigetreten sind.

Die EU und der Euro werden von Deutschland dominiert und in geringerem Umfang auch von Frankreich und Italien. Großbritannien ist auch eine bedeutende Wirtschaft der EU, aber Großbritannien nutzt dennoch das Britische Pfund. Da Deutschland die bedeutendste Wirtschaft ist, nutzt es im Grunde den Rest der EU als Exporttraum. Die Einführung des Euros entsprach einer Abwertung der früheren Währung Deutschlands, der Deutschen Mark.

Für viele kleine Länder am Rande der Eurozone bedeutete die Einführung des Euros hingegen eine enorme Aufwertung ihrer Währungen. Exportstarke Länder wie Deutschland, Italien, die Niederlande, Schweden, Norwegen und Dänemark profitierten davon, während andere versuchten, zu dem Lebensstandard der stärkeren EU-Länder aufzuschließen, indem sie Kredite aufnahmen, obwohl sie anstatt der Kredite eigentlich Strukturreformen benötigt hätten.

Die Eurokrise nahm Ende 2009 an Fahrt auf. Diese Krise wird auch Europäische Staatsschuldenkrise genannt. Nachdem riesige Schuldenberge angehäuft wurden – ohne dass dies gleichzeitig mit Strukturreformen bei den einzelnen Wirtschaften einhergegangen wäre –, sahen sich einige EU-Länder aufgrund der Folgen der Finanzpanik von 2008 nicht mehr länger in der Lage, ihre Staatsschulden ohne Rettungsgelder der EZB, des IWF und der EU-Kommission zurückzuzahlen und zu finanzieren. Diese drei Institutionen erhielten den Spitznamen „Troika“.

Die hilfsbedürftigen Euroländern hatten mit massiven Zinsanstiegen, enormen strukturellen Defiziten und meist auch mit einem sehr hohen Schulden/BIP-Verhältnis zu kämpfen. Die am meisten betroffenen Länder wurden dann unter dem Namen PIGS bekannt (Portugal, Irland, Griechenland und Spanien). Später kamen dann noch Zypern und Italien hinzu. Und jüngst habe ich gelesen, dass nun auch Österreich zum nächsten Griechenland werden könnte.

Der Rückgang des Euros hielt von 2009 bis 2014 an. Immer, wenn die Eurokrise erneut an Intensität gewann, fiel der Euro ein klein wenig mehr. Tauchten dann kurzfristige Lösungen auf, stieg der Euro wieder. Die Zinssätze wurden gesenkt, es kam zu Refinanzierungen und die Länder mussten Strukturreformen und Austeritätsprogramme implementieren, um sich zu stabilisieren.

Die Ansteckung sprang auch auf Italien über und auch einige kleinere Länder an der östlichen Peripherie der Eurozone gerieten in Schwierigkeiten. Am Ende geriet sogar Frankreich unter Druck, da die französische Wirtschaft Hinweise zeigte, in eine Rezession abzurutschen.

Gegenwärtig rutscht die Eurozone immer stärker in eine Deflation ab. Der Verbraucherpreise sind in einer Reihe von Euroländern in den negativen Bereich abgerutscht. Es gibt einige Länder, die bereits negative Zinssätze haben. Es wird geschätzt, dass es in der Eurozone derzeit rund USD 1,7 Billionen bis USD 2 Billionen an Staatsanleihen gibt, die mit negativen Zinssätzen gehandelt werden. Selbst deutsche Staatsanleihen werden mit negativen Zinssätzen gehandelt. Nichts davon ist positiv und die Entwicklungen legen nahe, dass der Euro noch bedeutend stärker fallen könnte.

Aus politischer Sicht sind Griechenland und die Gefahr eines „Grexit“ nicht mehr länger das potenzielle Hauptproblem der EU. Die Umfragen zeigen, dass sich Großbritannien bei einem Referendum für den Austritt aus der EU entscheiden könnte. Das Britische Pfund gab drastisch nach, als die jüngsten Umfrageergebnisse veröffentlicht wurden. Man spricht jetzt vermehrt von einem „Brexit“. Könnte es auch einen „Frexit“ geben? Okay, diesen Begriff habe ich zwar noch nirgends gelesen, aber mit Frexit ist der Austritt Frankreichs aus dem Euro gemeint.

In Frankreich führt die fremdenfeindliche rechte Partei Front National mit Marine Le Pen die Umfragen an und es könnte sein, dass diese Partei die nächste Regierung stellt. Der Front National will Frankreich aus der EU und aus dem Euro holen und zum Franc zurückkehren. Es gibt in Europa eine ganze Reihe nationalistischer rechtsgerichteter Parteien, und viele von ihnen sind gegen die EU und gegen den Euro. Diese Parteien gewinnen derzeit zunehmend an Beliebtheit.

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Die Todesspirale des Euros setzte im März 2014 ein, als die Währung bei USD 1,3950 ihr Hoch ausbildete. Heute wird der Euro unter USD 1,06 gehandelt und fällt weiter. Der Rückgang war schnell gewesen und es scheint, als würde er weiter an Fahrt aufnehmen. Der Euro scheint seinem Einbruch ein abfallendes Dreieck ausgebildet zu haben und verfügt nun über das Potenzial, auf ein Preisziel von USD 0,82 zu fallen. Ausgehend von den heutigen Niveaus entspräche dies einer weiteren 24%igen Abwertung.

Es gibt viele, die sagen, dass der Euro dem Untergang geweiht ist. Das könnte durchaus so sein. Die Prognosen für das Ende des Euros reichen von 2018 bis 2022. Sollte der Euro aufgrund des Austritts von Ländern aus der EU und dem Euro zusammenbrechen, würde es der größte Währungskollaps der Geschichte werden. Wie hoch die Kosten für die EU und die Eurozone ausfielen und wie massiv die Auswirkungen auf andere Länder und die globalen Märkte wären, ist nicht bekannt.

Aber den potenziellen Zusammenbruch einer Währung wie dem Euro sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen und einfach so vom Tisch wischen. Andere Währungen sind ja auch zusammengebrochen, nehmen wir die Währungen von Sambia oder Zimbabwe – doch waren die Auswirkungen dieser Währungszusammenbrüche lokal begrenzt. Auch der Venezolanische Bolívar könnte zusammenbrechen, und hier können die Auswirkungen über Venezuela hinaus zu spüren sein.

Angesichts der negativen Zinssätze in der Eurozone sollte es niemanden überraschen, dass der Euro gegen US-Dollars verkauft wird. Die Frage ist, wo die Reise für den US-Dollar hingehen wird. Der US-Aktienmarkt und die US-Anleihen hatten jüngst wieder ein klein wenig nachgegeben. Und obwohl der Goldpreis in US-Dollar im bisherigen Jahresverlauf um rund 3% gefallen ist, liegt Gold auf Eurobasis mit über 10% im Plus. Gold liegt in Kanadischen Dollars ausgepreist mit knapp 7% im Plus, beim Britischen Pfund sind es nur gut 1% und der Goldpreis in Japanischen Yen ist unverändert. In Russischen Rubels ausgepreist notiert Gold im bisherigen Jahresverlauf unverändert, hat sich seit dem 31.12.2013 im Preis aber ungefähr verdoppelt.

Die Stützungen des Euros verlaufen bei USD 1,05 und USD 1,00. Sollte der Euro unter die Marke von USD 1,00 einbrechen, könnte das zu einer Panik führen. Fakt ist, dass die Eurozone nach wie vor ein einziges großes Schlamassel ist, wo viel zu viele Länder damit zu kämpfen haben, ihre Schulden zu bedienen, sofern ihnen das überhaupt möglich ist. Und hier kommt ja noch der Wunsch einiger hinzu, aus der EU und dem Euro auszutreten. Es ist völlig egal, was die EZB versucht, um diesen Entwicklungen zu begegnen – es könnte durchaus sein, dass die Zentralbank von den Ereignissen überrumpelt werden wird. Die Zentralbank will inflationieren, stattdessen bekommt sie Deflation.

Unterdessen schießt der US-Dollar weiter in die Höhe und es gibt heute bereits ein gewaltiges Rumoren im Hintergrund. Der drastisch steigende US-Dollar schadet den Exporten und er hat auch negative Auswirkungen auf die Profite der multinationalen Konzerne, da sie über die Hälfte ihrer Gewinne im Ausland erzielen. Ein steigender US-Dollar deutet weniger auf Stärke hin, sondern ist vielmehr ein Hinweis darauf, dass auch den USA eine Deflation bevorsteht.

Die jüngsten Daten zum US-Einkaufsmanagerindex und zum US-Verbraucherpreisindex liegen bereits im negativen Bereich. Und trotz der vermeintlich starken US-Arbeitsmarktdaten sind zahlreiche andere Wirtschaftsindikatoren rückläufig. Die zwei Hauptkonkurrenten der USA – Europa und Japan – rutschen aktuell in eine Rezession bzw. Deflation ab. Das Wachstum in China verlangsamt sich und die Chinesen haben überdies ein sehr anfälliges Bankensystem. Die USA sind jedenfalls nicht immun.

Der US-Dollar wird aller Vorausschau nach weiter steigen, bis wieder Forderungen laut werden, ihn abzuwerten. Das ist 1985 und 2001 so gewesen. Wird es dieses Mal anders sein?

Der Euro stirbt gerade einen langsamen Tod. Genauso wie die Titanic schien es auch beim Euro anfangs keine Probleme zu geben, stattdessen wurde beteuert, dass alles unter Kontrolle sei. Am Ende begriffen die Passagiere der Titanic jedoch, dass das Schiff sinken wird. Das war auch genau der Punkt, wo die Panik begann.

Der jüngste Einbruch des Euros ist ein Hinweis darauf, dass die Lage nicht unter Kontrolle ist und sich tatsächlich weiter verschlimmern könnte. Der Tod des Euros? Das ist nach wie vor möglich, wenn man bedenkt, wie viele Faktoren hier derzeit im Spiel sind. Aber genauso wie bei der Titanic wird die echte Panik erst ganz zum Schluss einsetzen. Das Ende der Titanic ging dann ratzfatz – wird es beim Euro genauso sein?

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